26. Januar 2018 Peter Kern

AfD schockt die Gewerkschaften

Foto: dpa

Die Zustimmung von Gewerkschaftsmitgliedern für die AfD bei der letzten Bundestagswahl lag deutschlandweit um fast drei, bei den männlichen um neun, in Ostdeutschland um zehn Prozent über den schon erschreckenden 12,6% der Wähler*innenstimmen.

Ein Weiter so, als wäre nichts passiert, scheint keine gute Idee. Die IG Metall hat ein Arbeitsheft zum Umgang mit AfD, Pegida und Co. herausgegeben.[1] Es richtet sich an Referenten*innen der Bildungsarbeit. Das Heft vereint alle Vor- und Nachteile gewerkschaftlicher Publikationen zum Thema.

Das Parteiprogramm der Rechten wird auf seine Widersprüche hin klug seziert. Das Curriculum des vorgeschlagenen Seminars ist methodisch völlig durchdacht. Die kurze Geschichte der Partei mit ihren Volten (erst die Professoren an der Spitze und die intern so bezeichneten Proleten unten, dann tendenziell eher umgekehrt) wird unterhaltsam erzählt. Der Nachteil der Broschüre: ein fast magischer Glaube an die Kraft des besseren Arguments.

Keiner überdenkt doch sein Votum, weil er die gesellschaftspolitische Entschließung der IG Metall für schlüssiger hält als das Parteiprogramm der Rechten. Der gemeine AfD-Wähler nimmt beides gar nicht zur Kenntnis. Er berauscht sich an den Sprüchen, die Gauland und Höcke so nebenbei raushauen. Das verbale Zuschlagen macht ihn an. Gegen die türkischstämmige SPD’lerin, die in Anatolien »entsorgt« werden soll; den »schwarzen« Nationalspieler, den kein Anständiger in seiner Nachbarschaft und Nation haben will; das »Denkmal der Schande«, das – samt denen, für die es steht – wie ein Pfahl im Fleisch des Volkskörpers steckt. Der Kanzlerin Merkel für ihren »Volksverrat« zugedachte Galgen gehört zu diesem semantischen Umfeld. Zur Attraktion von Pegida hat er wesentlich beigetragen.

Solchen Aggressionen ist mit Argumenten nicht beizukommen. Die AfD-Agitator*innen öffnen angestauter Wut die Schleusen, weil sie wissen, pure Emotion fegt jede vernünftige Überlegung hinweg. Was AfD und Pegida an Programmatik formulieren, ist bloße Girlande um das, was wirklich gemeint ist: Die »Flüchtlinge« sollen raus und alle »Türken« und »Araber« gleich mit.

Der Referentenleitfaden macht Jobverlust und soziale Abstiegsangst für den grassierenden Rassismus verantwortlich. Wer wollte die Existenzangst bestreiten, die auf jedem und jeder las­tet? Was im öffentlichen Diskurs so routiniert Globalisierung und Digitalisierung heißt, verschärft diese Angst. Dass der Arbeitsplatz nach Indien verlagert oder dem nächsten Automatisierungsschub zum Opfer fällt, ist eine Alltagserfahrung. Verarbeitet wird sie, so das Heft, in zunehmendem Groll auf Minderheiten. Was als Erklärung dient, bleibt selbst unerklärt.

Gewerkschaften haben eine lange Übung darin, ohne Psychologie auszukommen. Aber ohne Sozialpsychologie macht man sich schwächer als man sein müsste. Der Nutzen einer solchen Disziplin?

Peter Kern ist Gewerkschaftssekretär in der Vorstandsverwaltung der IG Metall.

[1] Rechtspopulismus entgegentreten. Strategien zum Umgang mit AfD, Pegida und Co., herausgegeben vom IG Metall Vorstand, Gewerkschaftliche Bildungsarbeit, November 2016.

Die komplette Leseprobe als pdf-Datei!

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