1. April 2006 Joachim Tesch

Der Verkauf des "Tafelsilbers" und die Folgen

Der Totalverkauf des städtischen Wohnungsunternehmens WOBA in Dresden mit Zustimmung einer Mehrheit der Linksfraktion.PDS im Stadtrat signalisiert in mehrfacher Hinsicht eine politisch und sozial bedrohliche Situation: Internationales Finanzkapital drängt massiv auf Übernahme von kommunalen und anderen, in öffentlicher Hand befindlichen und genossenschaftlichen Wohnungsbeständen in Deutschland. Kommunen und Wohnungsunternehmen mit größerem Sanierungsbedarf sehen in ihrer Finanznot offensichtlich oft keinen anderen Ausweg als den Verkauf von Wohnungen. Dadurch droht eine wesentliche Säule der kommunalen Daseinsvorsorge und eine wichtige Bedingung für soziales Wohnen wegzubrechen. Es ist nicht auszuschließen, dass weitere Fraktionen der Linkspartei.PDS sowohl das Parteiprogramm mit seiner Forderung nach Überwindung der Profitdominanz als auch den erst kürzlich gefassten Parteitagsbeschluss zu kommunalpolitischen Leitlinien mit einem klaren Bekenntnis gegen den Totalverkauf öffentlicher Wohnungsbestände missachten – so die Befürchtung von Joachim Tesch.

Seit einigen Jahren wechseln in Deutschland Wohnungsbestände aus öffentlichem und genossenschaftlichem Besitz in erheblichem Umfang in das Eigentum internationaler Finanzfonds. Nach einer auf Angaben des Deutschen Mieterbundes beruhenden Übersicht waren das bis Ende 2005 mehr als 530.000 Wohnungen.[1] Besonders große Einzelaufkäufe betrafen 114.000 Eisenbahnerwohnungen des Bundes und 81.000 Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaft Gagfah (der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte). Branchenkenner – wie Morgan Stanley[2] – rechnen damit, dass in der nächsten Zeit weitere 1,5-2 Millionen Wohnungen "an den Markt" kommen werden.

Einige Verkäufe fanden, insbesondere weil es sich um ganze kommunale Wohnungsunternehmen wie in Berlin (GSW mit 66.000 Wohnungen) und Dresden (WOBA mit 48.000 Wohnungen) handelte, eine große öffentliche Aufmerksamkeit und haben auch zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Linkspartei.PDS und mit der WASG geführt. Besonders problematisch erscheint Dresden, da dort im Unterschied zu Berlin das einzige städtische Wohnungsunternehmen mit Zustimmung von Stadträten der Linkspartei.PDS verkauft wurde. Dagegen wurde der Teilverkauf größerer genossenschaftlicher Wohnungsbestände in Halle und Leipzig kaum beachtet.

Wie bei den Cross-Border-Leasing-Verträgen für kommunale Einrichtungen – die sich inzwischen als hohes Risiko erweisen –, ist zu befürchten, dass viele Kommunen nach dem Strohhalm greifen und dem Beispiel Dresdens folgen wollen bzw. werden. So begann in Leipzig nach der Oberbürgermeister-Wahl im Februar die Debatte um die Zukunft der städtischen Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) noch ehe der neugewählte OB überhaupt ins Amt eingeführt worden war.

Aus diesen Entwicklungen ergeben sich neue Fragen für eine Politik des sozialen Wohnens. Dabei geht es sicher nicht nur um theoretische Fragen. Für die Kommunalpolitiker der Linkspartei.PDS in vielen ostdeutschen Städten handelt es sich vielmehr um Fragen von eminent praktischer Bedeutung, zumal wenn sie einen erheblichen Teil der Stadträte stellen und ihre Haltung oft entscheidend für die entsprechenden Beschlüsse sind.

Warum kaufen internationale Finanzfonds Wohnimmobilien in Deutschland?

Investmentfonds sind im Finanzmarkt-Kapitalismus zu dominanten Repräsentanten des kapitalistischen Eigentums geworden.[3] Ihre Rendite beeinflusst den Zufluss von liquidem Kapital aus Versicherungen, Pensionsfonds u.ä.; sie sind ständig auf der Suche nach profitablen Anlagemöglichkeiten.

So erleben die europäischen Immobilien-Investmentmärkte derzeit eine Boomphase.[4] Neben amerikanischem sucht auch verstärkt australisches und britisches Kapital nach lukrativen Anlageoptionen auf dem europäischen Festland. Der europaweite Jahresumsatz mit Immobilien stieg 2005 gegenüber dem Vorjahr um zwei Prozent – auf 124 Mrd. Euro. Als vielversprechender Markt wird vor allem Deutschland gesehen. Unter 15 europäischen Ländern rückte Deutschland bei den Immobilien-Investments vom fünften auf den vierten, bei den grenzüberschreitenden Immobilien-Investments vom fünften auf den dritten Platz vor. Zu den Investoren gehören internationale Fonds mit illustren Namen wie Cerberus, Fortress und Lone Star, aber auch Blackstone, Conwert, Triton Fund u.a.

Die große Liquidität auf den Finanzmärkten, die mit der verstärkten Orientierung auf eine private, kapitalgedeckte Altersversicherung ("Pensionsfonds") auch in Deutschland zunimmt, führt zu einer enorm großen Nachfrage nach "guten Investmentprodukten". Das sind in Deutschland offensichtlich Wohnimmobilien, die mehr und mehr die Begehrlichkeiten ausländischer Investoren wecken.

Die Investoren-Typen[5] am deutschen Wohnimmobilien-Markt verändern sich. Aus der bereits erwähnten, von Morgan Stanley Real Estate vorgelegten Studie, geht hervor: 437.000 Wohnungen wurden in großen Transaktionen für insgesamt knapp 20 Mrd. Euro veräußert. Zusätzlich zum Verkauf großer Wohnungsgesellschaften gewinnen kleine Portfolio-Transaktionen zunehmend an Bedeutung. Im Unterschied zu den Private Equity-Fonds und klassischen Finanzinvestoren suchen internationale Immobilienunternehmen insbesondere nach kleineren Portfolios (bis zu 5.000 Einheiten). In den Jahren 2004 und 2005 wurden bereits 75.000 Wohnungen in solchen kleineren Einheiten veräußert.

Die wesentlichen Gründe für das Interesse der Investoren lassen sich in zwei Hauptgruppen zusammenfassen:

1. Günstige Rahmenbedingungen der Wohnungswirtschaft in Deutschland

  Das Zinsumfeld bleibt günstig für Finanzierungen. Auch bei einem für 2006 erwarteten Zinsanstieg bliebe die Spanne zwischen den mit Wohnimmobilien zu erzielenden Renditen und den Zinsen weiterhin positiv.

  Mittelfristig wird mit einer steigenden Nachfrage nach Wohnungen gerechnet. Zumindest in Westdeutschland wird die Zahl der Haushalte bis zum Jahr 2020 noch weiter steigen – und dies ist der wesentliche Bestimmungsfaktor für die Nachfrage nach Wohnungen.

  Die Preise für Wohnungen in Deutschland sind im internationalen Vergleich nach wie vor extrem niedrig. Ein Vergleich der Preisentwicklung in 20 Ländern zeigt, dass die Wohnungspreise nur in Japan stärker als in Deutschland zurückgegangen sind.

  Die Wohnungsbautätigkeit war in der Bundesrepublik in den letzten Jahren stark rückläufig und bewegt sich mit etwa 270-280.000 Wohnungen im Jahr auf einem sehr niedrigen Niveau. Damit steigt die Bedeutung von Bestandswohnungen.

2. Kosten- und Eigentumsstruktur der Wohnungswirtschaft mit Reserven

  Die Instandhaltungs- und Modernisierungskosten pro Quadratmeter und Jahr könnten durch professionelleres Management von durchschnittlich 20 bis 25 Euro auf rund 15-20 Euro gesenkt werden.

  In der Regel lassen sich die Verwaltungskosten reduzieren. Im Branchendurchschnitt ist jetzt ein Angestellter für die Verwaltung von 120 bis 150 Wohnungen zuständig; in den meisten Fällen könnten aber von einem Angestellten 180 bis 200 Wohnungen betreut werden.

  Die Eigentumsquote in Deutschland ist international mit 43% extrem niedrig. Institutionelle Investoren erwarten, dass sie sich in den nächsten fünf Jahren erhöhen lässt.

  Das steigende Gewicht der privaten Altersvorsorge wird zu einer steigenden Nachfrage nach Wohnimmobilien als eine Form der persönlichen Absicherung führen.

  Die internationalen Fonds halten deutsche Wohnimmobilien für meist unterbewertet. Ausländische Wertgutachten gelangen, vorwiegend gestützt auf zukünftige Ertragserwartungen, in der Regel zu höheren Bewertungen.

Ob diese Erwartungen alle realisiert werden können, sei dahin gestellt,[6] aber sie bestimmen zunächst einmal das Handeln der Investoren. Sie erhoffen sich durch den Kauf der Immobilien und deren anschließende Verwertung Eigenkapitalrenditen von 15-20%. "Handelsblatt" und "Wirtschaftswoche" haben dazu eine Modellrechnung mit vier Szenarien vorgelegt.[7] Ausländische Wertgutachter ermitteln hohe Ertragswerte, die die Beleihungsgrenzen nach oben verschieben. Ausländische Banken gewähren deshalb hohe Kredite, sodass mit geringem Eigenkapital durch Ausnutzung der Differenz zwischen Zinssatz und Rendite eine hohe Eigenkapitalrendite erzielt wird. Und damit fließen die eingesetzten Finanzmittel viel früher zurück als bisher in Deutschland bei Wohngebäuden üblich. Deshalb ist das Kaufinteresse der Finanzinvestoren ungebrochen – trotz inzwischen steigender Preise.

Warum verkaufen Kommunen und Genossenschaften ihr "Tafelsilber" und die Folgen?

"Die Angebotsseite für weitere Wohnungstransaktionen ist sehr positiv einzuschätzen", so Oliver Puhl, Executive Director und Head of German Real Estate Investment Banking von Morgan Stanley. Er schätzt, dass insgesamt etwa zwei Millionen Wohnungen "an den Markt kommen" werden, davon bis zu eine Million in den kommenden fünf bis sechs Jahren. Etwa 1,35 Mio. Wohnungen könnten von der öffentlichen Hand angeboten werden, weitere 650.000 Wohnungen werden von bestehenden Private Equity-Plattformen wieder verkauft werden, vornehmlich über Kapitalmarkttransaktionen, d.h. als Börsennotierung von Immobiliengesellschaften – je nach Stand der Gesetzgebung auch als Real Estate Investment Trusts (REITs).

Das Angebot wird befördert durch die akute Finanznot der öffentlichen Haushalte bzw. den Sanierungsbedarf von Wohnungsunternehmen, die es nahe liegend erscheinen lassen, Wohnungsbestände zu veräußern. Dabei dürfen die Argumente bzw. Standpunkte aus Berlin und Dresden nicht gleichgesetzt werden, obwohl die Befürworter des Totalverkaufs in Dresden das versucht haben.

In Berlin hatte die große Koalition aus CDU und SPD nach dem Wegfall der "Frontstadt"-Subventionen" im Laufe eines Jahrzehnts nicht nur den Landeshaushalt, sondern auch die kommunalen Wohnungsunternehmen in eine existenzielle Überschuldung getrieben. Deshalb stimmte die Fraktion der PDS dem Verkauf der GSW als einer der mit 1,6 Mrd. Euro am stärksten verschuldeten städtischen Wohnungsgesellschaften zu, sprach sich aber eindeutig gegen die Forderung aus, "dass das Land [hier gleich Stadt] alle Wohnungsgesellschaften privatisieren und die Leistungen zur Daseinsvorsorge von privaten Wohnungsunternehmen einkaufen sollte. […] Das käme dem Gemeinwesen teuer zu stehen", so Michael Nelken, der wohnungspolitische Sprecher.[8]

Anders in Dresden: Die Mehrheit der Linkspartei.PDS-Stadträte sah nur ein "Entweder-oder"[9] und stimmte dem Ausverkauf aller städtischen Wohnungen zu. Die langjährige PDS-Wohnungspolitikerin Christine Ostrowski brachte es auf den vermeintlichen Punkt: "Sein oder Nicht-Sein war die Frage – die WOBA verkaufen oder das Licht ausmachen. Keine Alternative dazu. Auch kein zusätzliches Geld: vom Bund nicht, vom Land nicht, von der Wirtschaft nicht, egal wer regiert. […] Denn beide – WOBA und das soziale, kulturelle sportliche Leben der Stadt – sind nicht zu haben […]. Ich habe mit Ja gestimmt, weil der Verkaufserlös zur Schuldentilgung der Stadt eingesetzt wird, denn auch sie hat 800 Millionen Schulden, was jährlich knapp 80 Mio. Euro Kapitaldienst fordert. […] Ich habe mit Ja gestimmt, weil ich will, dass wir uns weiterhin Zuschüsse für Kultur, Jugend, Sport, Behinderte, Kitas, sozial Schwache leisten können. Dass es auch künftig Bibliotheken gibt, Ortsämter, Theater, Freie Träger, Vereine und Projekte."

Diese Position muss sehr kritisch hinterfragt werden, weil sie die längerfristigen Folgen für die Kommunen und die Stadtentwicklung außer Acht lässt.

  Die öffentliche Daseinsvorsorge verliert mit dem Verkauf städtischer Wohnungsbestände eine wesentliche Säule für das soziale Wohnen.

  Haushaltspolitisch ist der Verkauf kommunaler Wohnungsunternehmen kurzsichtig, weil sich dadurch zwar einmalige Ausnahmesituationen kurzfristig beherrschen, aber keine dauerhaften strukturellen Defizite beseitigen lassen. Dazu ist vor allem endlich eine bundesweite Finanzreform und eine bessere Finanzausstattung der Gemeinden durchzusetzen, ohne dass damit die Verpflichtung der Kommune zur wirtschaftlichen Haushaltsführung in Abrede gestellt wird. Auf keinen Fall dürfte zugelassen werden, dass die Schulden getilgt und ansonsten weiter so gewirtschaftet wird wie bisher, d.h. wieder laufend neue Schulden produziert werden. Denn: Was soll dann verkauft werden?

  Bei ihrem vorherrschenden kurzfristigen Gewinninteresse ist den Finanzfonds auch die städtebauliche Entwicklung der betroffenen Städte und Gemeinden gleichgültig. Wie schon die Erfahrungen mit den privatkapitalistischen "Zwischenerwerbern" aus der Zwangsprivatisierung ehemals staatlicher und genossenschaftlicher Wohnungsbestände beim Stadtumbau Ost gezeigt haben, erweisen sich hohe Bankkredite für Sanierungen und Modernisierungen als Hindernis für den sinnvollen "Rückbau".

So wird der Stadtumbau in ostdeutschen Städten – soweit er den Abriss überschüssiger Wohngebäude betrifft – bisher im Wesentlichen nur von kommunalen Wohnungsgesellschaften getragen. Damit ist es nach dem Verkauf auch vorbei, selbst wenn – wie in Dresden – vertraglich Abrisse vereinbart werden. Nach dem Geschäft ist nicht mehr vor dem Geschäft.

Aus solchen Gründen, aber auch aus sozialpolitischen Überlegungen hat sich sogar der sächsische Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) ausdrücklich gegen den Komplettverkauf der Dresdner WOBA ausgesprochen.[10]

Folgen des Verkaufs für die Mieter bzw. Genossenschafter?

Christine Ostrowski behauptet, die Mieterängste seien unbegründet: "Mieter-Ängste verstehe ich, weiß aber: Sie sind unbegründet. Nicht nur das Mietrecht schützt. Vor allem lässt der Wohnungsmarkt keine Mieterhöhungen zu: zu viele Wohnungen, zu wenig Menschen. […]. Und auch langfristig kehrt sich das, allen seriösen Bevölkerungsprognosen nach, nicht um. Jedem Vermieter, der die Mieten über das Bezahlbare hinaus erhöht, können die Mieter weglaufen; in eine der neun Wohnungsgenossenschaften oder zu einem Privaten."

Eine solche pauschale Argumentation übersieht, dass – abgesehen von Verletzungen des Vergleichsmietenrechts und der punktuellen Überschreitung der Mietspiegelgrenzen – schon heute auch in ostdeutschen Städten mit einem erheblichen Wohnungsleerstand deutliche innerstädtische Polarisierungsprozesse in Gange sind: In guten Wohnlagen steigen die Mieten, werden weitere Objekte saniert und ziehen Bewohner aus anderen Stadtgebieten ein. In städtebaulich und sozial benachteiligten Stadtquartieren wächst dagegen der Leerstand, bleiben die Mieten zwar niedrig, aber es wird auch nicht mehr saniert und kaum noch in Stand gesetzt. Bisher konnte diesem Prozess über städtische Wohnungsunternehmen in bestimmtem Maße noch gegengesteuert werden, aber durch den profitorientierten Finanzinvestor wird der unerwünschte Prozess beschleunigt. Hinzu kommt, dass in Dresden und in anderen Großstädten die Einwohnerzahlen entgegen dem landläufigen Trend infolge von Zuwanderungen aus dem In- und Ausland wachsen, dadurch eine höhere Wohnungsnachfrage und Mieterhöhungen ausgelöst werden. Zudem wird der derzeitige Wohnungsleerstand als Ursache für relativ niedrige Mieten durch den mit dem Stadtumbau verbundenen Abriss perspektivisch als "Marktfaktor" an Einfluss verlieren.

Nach Ostrowskis irriger Auffassung holen sich die Investoren die Rendite auch nicht vorrangig von den Mietern: "Stadträte […] verkünden, Investoren kauften nur der Rendite wegen und die holten sie von den Mietern – eine Halbwahrheit. […] Mitnichten aber holen sich Investoren ihre Rendite vorrangig von den Mietern. Sondern z.B. dadurch, dass sie durch Pensionsfonds – also viel Eigenkapital – einen Großteil der 800 Mio. Euro WOBA-Schulden ablösen und Kapitalkosten verringern können."

Diese Argumentation verkennt völlig die Existenzweise und damit das Verwertungsinteresse der Kapitalfonds, auch der Pensionsfonds: Selbst wenn sie zunächst Bankschulden des gekauften Wohnungsunternehmens begleichen, um Kapitalkosten zu sparen – zu verschenken haben sie nichts, denn Anleger wollen ihre Gelder wiedersehen bzw. Rentner ihre Rente. Das eingesetzte Kapital muss also refinanziert werden und die entsprechenden Quellen sind letzten Endes bei Wohnungsunternehmen nur die Mieten, die Kostensenkungsmöglichkeiten und der Weiterverkauf.

Modernisierungen und Sanierung älterer und zum Teil vernachlässigter Wohnungsbestände werden von den Bewohnern natürlich zunächst begrüßt. Aber die längerfristigen Konsequenzen für die Mieter – ggf. bisherige Wohnungsgenossenschafter – hängen letztlich von den Gewinnerwirtschaftungsstrategien der Erwerber ab. Schließlich handelt es sich dabei nicht um gemeinnützige Wohnungsunternehmen oder gar -verwaltungen im herkömmlichen Sinn.

Wo saniert und modernisiert wird, geschieht das mit dem Ziel maximaler Mieterhöhungen. In guten Wohnlagen werden die Möglichkeiten des Mietspiegels voll ausgereizt. Beispiele aus Berlin und anderen Städten zeigen darüber hinaus, dass dabei auf Mietspiegelrichtwerte oft wenig Rücksicht genommen wird. Einnahmeausfälle aufgrund erfolgreicher einzelner Klagen wegen überhöhter Mietforderungen haben die Kapitalgesellschaften erfahrungsgemäß bereits einkalkuliert.

Durch Rationalisierung bis hin zu einem "modernen" Immobilienmanagement werden die Verwaltungskosten minimiert und entsprechend wird Personal freigesetzt, was nicht ohne negative Folgen für die Betreuung der Mieter bleibt.

Schließlich sind viele Finanzinvestoren nicht an langfristigem Engagement interessiert, sondern an einem Weiterverkauf. Wenn das in Form der Mieterprivatisierung geschehen soll, wird meist erheblicher Druck auf sie ausgeübt. Dort, wo dies nicht als lukrativ erscheint, wird auf Instandsetzung und Sanierung verzichtet. Hier wird darauf spekuliert, verfallende Wohnungen an benachteiligte Einkommensgruppen zu vermieten, z.B. an Bezieher von Arbeitslosengeld II. Damit werden zugleich öffentliche Mittel via Kosten der Unterkunft an die Gesellschaften durchgereicht.

Die Befürworter des Verkaufs in Dresden verweisen auf die mit Fortress vereinbarte "Sozialcharta", die in vielen Punkten besser sei als das geltende Mietrecht. Die Analyse des Papiers zeigt dagegen: Es bietet im Wesentlichen nur einen Bestandsschutz für die jetzigen Mieter, gilt aber nicht bei Neuvermietung. Außerdem handelt es sich für die Mieter auch so lange um kein einklagbares Recht, wie es nicht Bestandteil jedes bestehenden Mietvertrages geworden ist. Spätestens bei Weiterverkäufen, meist aber schon bei Ausgründung von Tochtergesellschaften interessieren den Vermieter die ursprünglichen Zusicherungen nicht mehr. Also bietet auch die schönste Sozialcharta keine Sicherheit!

Bürgernahe Wohnungspolitik lässt sich von dem in den – im Dezember 2005 beschlossenen – kommunalpolitischen Leitlinien der Linkspartei.PDS formulierten Grundsatz leiten: "Kommunales und genossenschaftliches Wohneigentum schafft […] erforderliche Gestaltungsspielräume. Außerdem können, für die Kommune bezahlbar, Wohnungs- und Obdachlosigkeit verhindert, die Miet- und Betriebskostenentwicklung gedämpft, die Erneuerung auch bei Stadtumbau und Quartiersmanagement großräumig organisiert und finanzielle Beiträge für den städtischen Haushalt geleistet werden. Eine vollständige Privatisierung der kommunalen Wohnungsunternehmen wird daher abgelehnt."[11]

Gerade angesichts des anhaltenden Wachstums der Armut (infolge Zunahme der prekären Arbeitsverhältnisse und der Zahl an Alg-II-Empfängern sowie angesichts der real sinkenden Renten) ist die öffentliche Verfügbarkeit über menschenwürdige und zugleich kostengünstige Wohnungen von elementarer Bedeutung. Dabei spielen kommunale Wohnungsunternehmen sowohl hinsichtlich ihres eigenen Wohnungsbestandes als auch wegen ihres Einflusses auf den örtlichen Wohnungsmarkt eine wesentliche Rolle. Der Deutsche Mieterbund verweist mit Nachdruck auf die Brüchigkeit sozialer Zusicherungen bei bereits erfolgten Privatisierungen.

Schlussfolgerungen für eine linke Politik

Generell aber gilt: Wer als Mitglied der Linkspartei.PDS die Privatisierung kommunalen Eigentums, das für die öffentliche Daseinsvorsorge substanziell wesentlich ist, befördert, setzt bundesweit ein falsches politisches Signal.

Programmatischer Grundkonsens der PDS war und das sollte auch für die neue Linkspartei gelten, die Profitdominanz in der Gesellschaft zurückzudrängen bzw. in längerer Perspektive zu überwinden. Kommunale Wohnungsunternehmen unterliegen – ebenso wie die Wohnungsgenossenschaften – nicht dem Primat der Gewinnmaximierung. Bei dem Spagat zwischen der konkreten Utopie und den Tagesaufgaben gilt es zumindest, dem neoliberalen Drängen nach Überführung öffentlichen Eigentums in kapitalistische Unternehmen zu widerstehen. Und Ronald Weckessers Berufung auf die bereits 1993 in der PDS erreichte Übereinstimmung, "alle Eigentumsformen als gleichberechtigt zu akzeptieren",[12] um damit ausgerechnet Schritte zur Liquidierung des nichtprofitdominierten Eigentums zu begründen, kehrt die programmatische Absicht in ihr Gegenteil um.

Das tagespolitische Dilemma von Haushaltspolitikern der Linkspartei.PDS und der WASG, sich gewissermaßen zwischen Pest oder Cholera entscheiden zu müssen – Was tun, wenn die Lage so alternativlos erscheint? –, ist mit dem Hinweis auf das politische Programm selbstverständlich nicht vom Tisch.

Dennoch bleiben Fragen unbeantwortet: Hätte nicht in Dresden ein Teilverkauf genügt? Denn nichts spricht gegen die Teilprivatisierung öffentlichen Eigentums als Mieterprivatisierung oder als Übergang an Genossenschaften oder bei nicht zwingend für die Daseinsvorsorge erforderlichen Beständen auch an private Unternehmen. Wieso muss die Linkspartei.PDS in solchen Fällen der Mehrheitsbeschaffer für eine dem Wesen nach neoliberale, von global agierenden Finanzkapitalisten diktierte Politik sein? Sich überstimmen lassen oder sich zumindest der Stimme enthalten, wäre immer noch besser gewesen als bundesweit solch ein falsches Signal zu setzen! Im Extremfall hätte durch Verweigerung sowohl des Verkaufs des "Tafelsilbers" als auch der Kürzung von kulturell und sozial lebenswichtigen Haushaltsausgaben ein Entscheidungsnotstand herbeigeführt werden können, der nur mit Hilfe des zuständigen Regierungspräsidiums und der Landesregierung hätte reguliert werden können und müssen. Natürlich muss die Entscheidung der Fraktion vor Ort getroffen werden – aber gefragt werden darf doch, ob auch diese taktischen Varianten durchgespielt worden sind.

Von primärer Bedeutung sind jedoch Möglichkeiten, sich gegen die Strategien der Finanzfonds zur Wehr zu setzen. Essenziell ist eine nachhaltige finanzielle Besserstellung der Städte und Gemeinden, um den Druck zu raschen Verkäufen ihrer Wohnimmobilien, um den Haushalt zu sanieren, von ihnen zu nehmen. Darüber hinaus müssen Banken ihre Kreditvergabepolitik für den Sanierungsbedarf der Wohnungsunternehmen überdenken; sie sollten ihre allgemeine Kreditzurückhaltung aufgeben und differenzierter vorgehen.

Schließlich müsste die Vertrauensseligkeit der Mieter und auch der Genossenschaften gegenüber den spekulativen Immobilienfonds überwunden werden. Dafür sind mehr öffentliche Aufklärung und mehr Widerstand vor Ort notwendig. Negative Erfahrungen wie mit den Aubis-Managern als "Zwischenerwerbern" in Leipzig, die inzwischen im Zusammenhang mit dem Berliner Bankenskandal vor Gericht standen, werden offensichtlich allzu schnell vergessen. Die Ursachen der Erfolglosigkeit der Dresdner Bürgerinitiative gegen den Verkauf der WOBA oder auch die Zustimmung der Mehrheit der Vertreter der Leipziger Baugenossenschaft zum Verkauf eines Viertels der Bestände bedürfen einer gründlicheren Analyse und entsprechender Schlussfolgerungen.

Prof. Dr. Joachim Tesch (Leipzig) ist Wirtschaftswissenschaftler mit den Arbeitsschwerpunkten Bauen und Wohnen.

[1] "Verschleuderte Schätze", in: DIE ZEIT vom 5.1.2006.
[2] Morgan Stanley Real Estate: "Investing in German Residential Property: A Guide to Key Sector Dynamics." Siehe Zusammenfassung der Studie im Fachmagazin Immobilienwirtschaft vom 31.1.2006. www.iw-magazin.de.
[3] Vgl. Michael Brie im Supplement der Zeitschrift Sozialismus 3/2006, S. 10.
[4] Nach "Immobilienwirtschaft" vom 2.2.2006, www.iw-magazin.de.
[5] Vgl. auch Lothar Kamp/Alexandra Krieger: Die Aktivitäten von Finanzinvestoren in Deutschland, in: Hans-Böckler-Stiftung, Arbeitspapier 103. Düsseldorf 2005.
[6] So wird in der genannten Studie auch davon ausgegangen, dass sich die volkswirtschaftliche Perspektive in Deutschland deutlich verbessert hat. Damit wird die Hoffnung verknüpft, dass stärkeres Wirtschaftswachstum zu einer Reduzierung der Arbeitslosenzahl führt, mit positiven Auswirkungen auf die Wohneigentumsnachfrage – eine offensichtliche Überzeichnung der wirtschaftlichen Entwicklung, selbst wenn es im Konjunkturzyklus kurzzeitig zu einer schwachen Belebung kommt.
[7] Siehe Wirtschaftswoche 17/2005 vom 17.11.2005 und Handelsblatt vom 24.11.2005.

8 Michael Nelken: Berlin – Verkauf der GSW – Kein Not-, aber ein Notlagenverkauf. Erklärung vom 15.6.2004.
[9] Christine Ostrowski: Gemeinsam die Mehrheit. Aber auch die Verantwortung. In Opp! 10/2005, S. 8. [Anmerkung d.V.: Die Mehrheit bestand in diesem Zusammenhang aus CDU, FDP und Linkspartei.PDS]
[10] Siehe Interview: Verkauf von Wohnungsunternehmen ist kein Patentrezept, in: Die Welt vom 10.1.2006.
[11] Dresdner Parteitag. 10. und 11.12.2005. DISPUT 12/2005 und Pressedienst 50/51. S. 56.
[12] Ronald Weckesser: "Wir sind in der Falle". In: Neues Deutschland vom 6.12.2005, S. 5. [Anmerkung: Weckesser ist der Vorsitzende des Finanzausschusses im Sächsischen Landtag.]

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