24. Mai 2013 Heinz Bierbaum

DIE LINKE und Europa

Kategorie: Linksparteien, Euro-Krise

Durch das Interview von Oskar Lafontaine in der Saarbrücker Zeitung, in dem er den Euro für gescheitert erklärte und den kontrollierten Rückgang zu nationalen Währungen empfahl,[1] hat die Debatte um den Euro und auch ganz generell um Europa in der LINKEN neuen Auftrieb erhalten.

Lafontaine wurde dabei zum Teil heftig widersprochen, andererseits erhielt er aber auch Zustimmung. Die Äußerungen Lafontaines erhielten dadurch besondere politische Brisanz, dass der Ausstieg aus dem Euro auch von der politischen Rechten propagiert wird. So hat insbesondere die neu gegründete rechte Partei »Alternative für Deutschland« (AfD) den Euro-Ausstieg zu ihrem wesentlichen politischen Programm gemacht. Zu Recht wurde von der Parteispitze der LINKEN eine klare Abgrenzung zur AfD vorgenommen. Deutlich gemacht wurde, dass das auf Solidarität und soziale Ausrichtung gründende europäische Projekt dem neo­liberalen und nationalistischen Programm der AfD diametral entgegengesetzt ist.


Mehr als eine Euro-Debatte

Die Kritik am Euro ist in der LINKEN nicht neu. So hat die frühere PDS schon zu Beginn grundsätzliche Kritik am Vertrag von Maastricht und damit an der Struktur der Währungsunion geübt. Dabei stand allerdings bislang die Kritik an der Politik und an der Konstruktion der gemeinsamen Währung im Vordergrund und nicht der Euro selbst. Seit Lafontaines Vorstoß wird die Debatte um Europa und die europäische Krise stark durch die Frage bestimmt, ob der Euro überhaupt zu halten und es nicht besser sei, auszusteigen. Sahra Wagenknecht hat in einem Interview mit der ZEIT dabei vor allem auf die gescheiterte Politik hingewiesen, die diese Frage auf die Tagesordnung setze.[2] Unterstützung erhält Lafontaine durch eine von Heiner Flassbeck und Costas Lapavitsas im Auftrag der Rosa Luxemburg Stiftung erstellte aktuelle Studie, die sich mit der Krise des Euro befasst.[3]

Flassbeck und Lapavitsas sehen die Währungsunion weitgehend als gescheitert an und legen den am stärksten von der europäischen Krise betroffenen süd­europäischen Ländern nahe, aus dem Euro auszusteigen, wobei allerdings der Ausstieg kontrolliert und von der EU und ihren Institutionen, insbesondere der EZB, begleitet werden müsse. Wesentlicher Grund für das Scheitern ist für sie allgemein die mangelnde Kooperation, konkret die mangelnde europäische Koordination der Lohnpolitik. Schuld ist vor allem die deutsche Regierung mit ihrer allen Ländern der Euro-Zone aufgedrückten Austeritätspolitik. Durch diese Politik habe sich die Krise in den südeuropäischen Ländern verschärft, was insbesondere am Fall Griechenland deutlich wird, das im Vergleich zu 2009 30% seines Sozialprodukts verloren habe. Verursacht vor allem durch das deutsche Lohndumping seien die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Ländern so groß geworden, dass ein Ausgleich und damit auch eine Transferunion praktisch unmöglich geworden ist. Da ein Ausgleich über Lohnkosten kaum möglich ist, bei den südeuropäischen Ländern eine weitere Senkung der Löhne zu negativen Auswirkungen auf den Binnenmarkt und damit zu einer weiteren Einschnürung der Wirtschaft führen würde, bleibe ihnen praktisch nur die Abwertung und damit der Ausstieg aus dem Euro.

So wichtig die Frage nach der Zukunft des Euro – ob man aus ihm aussteigen soll oder nicht – auch ist, so wäre es doch verkehrt, die Debatte um Europa darauf zu verkürzen. Auf die Frage, ob ein Ausstieg aus dem Euro tatsächlich eine praktikable Lösungsform im Rahmen der Euro-Krise darstellt, will ich weiter unten zurückkommen. Festzuhalten ist zunächst, dass die jetzt intensivierte Debatte durchaus einen Gewinn darstellt und der LINKEN nützt und nicht schadet – wenn sie ernsthaft und sachbezogen geführt wird. Sie ist auch deshalb notwendig, weil die Debatte um Europa bislang eher unterbelichtet war und aufgebrochene Kontroversen nicht ausreichend diskutiert und immer wieder verschoben wurden.


Konsens: Kein neoliberales Europa

Bereits auf dem Programmparteitag im Oktober 2010 waren grundsätzlich unterschiedliche Positionen in der Europafrage festzustellen. Dies betraf die Frage, ob das gemeinsame Ziel eines sozialen Europas auf der Grundlage bestehender vertraglicher Grundlagen und ihrer Veränderung zu erreichen sei, oder ob es dafür eines Neustarts bedürfe. Die Mehrheit sah die bestehenden Verträge als grundlegendes Hindernis und votierte daher für den Neustart. Diese Position findet sich auch im aktuellen Entwurf des Wahlprogramms der Partei. Richtig ausdiskutiert wurden jedoch die unterschiedlichen Positionen nie. Überhaupt war lange Zeit durchaus umstritten, ob Europa und insbesondere die europäische Krise einen zentralen Stellenwert in der Politik der LINKEN einnehmen sollte, und ob man angesichts des relativ moderaten Krisenverlaufs in Deutschland mit diesen Themen politisch überhaupt punkten könne. Inzwischen ist klar, dass europäische Fragen und insbesondere auch die europäische Krise für DIE LINKE politisch wesentlich sind. Alles andere wäre auch für eine linke Partei, die ihren Ausgangspunkt in den Widersprüchen der kapitalistischen Entwicklung hat und sich als internationalistisch versteht, absurd.

Interessant ist, dass das Europa-Kapitel im Wahlprogramm zu den Kapiteln gehörte, die in den Regionalkonferenzen zum Programm stark kritisiert, dann aber doch nur wenig verändert wurden. Kritisiert wurde insbesondere, dass die Krise mit ihren verheerenden sozialen wie ökonomischen Auswirkungen auch nicht ansatzweise beschrieben wurde. Im Hinblick auf die Darstellung der Krisenursachen wurde bemängelt, dass die­se nicht präzise genug sei. Einerseits enthält das Kapitel die wesentlichen Positionen, die in der Partei als unbestritten gelten können, andererseits verbergen sich dahinter auch bislang unzureichend diskutierte Kontroversen.

Gemeinsame und völlig unbestrittene Position ist, dass die herrschende Europapolitik, wie sie insbesondere von der Bundesregierung durchgedrückt wurde, die Krise nicht löst, sondern verschärft. Daher ist eine politische Alternative nötig. Deren zentrale Elemente sind eine andere Verteilungspolitik mit deutlichen Lohnsteigerungen insbesondere in Deutschland und mit einer Steuerpolitik, die hohe Einkommen und Vermögen erheblich stärker belastet. Ausdruck davon sind die Forderungen nach Einführung einer Vermögenssteuer in Gestalt der Millionärssteuer und nach einer Vermögensabgabe. Dies ist Konsens. Ebenso die Forderung nach einer Regulierung der Finanzmärkte und einer Reorganisation des Bankwesens mit Vergesellschaftung der großen Privatbanken und der Stärkung der Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Dazu gehört auch eine direkte Finanzierung der verschuldeten Staaten über eine öffentliche europäische Bank und nicht auf dem Umweg der Privatbanken, die billiges Geld von der EZB erhalten und dies dann mit Aufschlägen an die Staaten weitergeben. Nach anfänglicher Kontroverse ist auch die Notwendigkeit des Schuldenschnitts für die am stärksten verschuldeten Staaten Konsens. Und schließlich ist unbestritten, wenn auch wenig diskutiert, dass es einer anderen Wirtschaftspolitik bedarf – mit öffentlichen Investitionsprogrammen, ähnlich dem vom DGB ins Spiel gebrachten Marshall-Plan. Und schließlich wird gefordert, dass aktiv gegen die Leistungsbilanzungleichgewichte im Rahmen einer »Europäischen Ausgleichsunion« vorgegangen wird.[4]


Rolle der Lohnpolitik

Hinter diesen Gemeinsamkeiten verbergen sich jedoch auch Kontroversen, zum Teil eher grundsätzlicher Natur, zum Teil aber auch nur in der Akzentuierung. Dies gilt beispielsweise für den Stellenwert der Lohnpolitik. Unbestritten ist, dass die deutsche Lohnentwicklung im europäischen Vergleich als Lohndumping zu betrachten ist, da sie den verteilungsneutralen Spielraum von Inflationsrate und Produktivitätsentwicklung nicht ausschöpft und somit zu Lohnstückkostenvorteilen und damit zu Wettbewerbsvorteilen der deutschen Wirtschaft führt. Diese Lohnentwicklung ist vor allem durch die Hartz-Gesetze und den damit zusammenhängenden stark angewachsenen Sektor prekärer Arbeit bedingt. Hinzu kommt eine zurückhaltende Lohnpolitik der deutschen Gewerkschaften, wie sie auch im jüngsten Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie zum Ausdruck kommt, der deutlich hinter dem propagierten Ziel zurückbleibt, nicht nur den Verteilungsspielraum durch Inflationsrate und gesamtwirtschaftlicher Produktivitätsrate auszuschöpfen, sondern durch Umverteilung auch einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung zu leisten (»Konjunkturkomponente«).

So notwendig also deutliche Lohnsteigerungen sind, um damit die Ungleichgewichte in der Außenwirtschaft zu verringern, so ist doch durchaus fraglich, ob dies den Hauptansatzpunkt einer alternativen europäischen Politik darstellen kann. Denn erstens liegen die deutschen Wettbewerbsvorteile und damit die Exporterfolge nicht nur am Lohn. Zu berücksichtigen sind auch die stoffliche Seite der Produktion, d.h. die Produkte selbst, aber auch die Prozesse und damit der hohe Ausbeutungsgrad, wie er durch eine Produktionsorganisation erreicht wird, die durch Flexibilisierung der Arbeit die Maschinennutzungszeiten in der Industrie hat außerordentlich stark ansteigen lassen. Zweitens hieße dies, wenn man in dieser Logik bliebe, dass man in Ländern mit niedriger Produktivität Lohnsenkungen verordnen müsste, was – wie Flassbeck zu Recht schreibt[5] – ein weiteres Absinken der Binnennachfrage zur Folge hätte und damit der wirtschaftlichen Entwicklung vollends den Garaus machen würde. Drittens wird der Lohnfindungsprozess nicht berücksichtigt. Lohn­erhöhungen kann man nicht einfach verordnen. Sie sind das Ergebnis gesellschaftlicher Auseinandersetzungen, bei denen die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse eine wesentliche Rolle spielen. Eine jahrzehntelange neoliberale Hegemonie hat ihre Spuren auch in den Gewerkschaften hinterlassen. Das mag man und muss man auch kritisieren, doch davon einfach absehen kann man nicht. Wer sich also für Lohnsteigerungen einsetzt – und diese sind zweifellos notwendig –, der muss sowohl die kritische Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften führen,[6] als auch sich für eine Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse und für ein derartiger Politik förderliches gesellschaftliches Klima einsetzen.

Natürlich ist die Forderung nach einer koordinierten europäischen Lohnpolitik sinnvoll. Realistisch ist sie nicht. Die Ende der 1990er Jahre abgegebene »Erklärung von Doorn« zur Tarifkoordination der Gewerkschaftsbünde BeNeLux-Deutschland war ein erster Versuch einer derartigen europäischen tarifpolitischen Koordinierung, blieb aber bald stecken und hatte keine weitere Wirkung, obwohl immer wieder die Notwendigkeit einer europäisch koordinierten Tarifpolitik betont wurde. Unter den jetzigen Bedingungen einer neoliberalen Austeritätspolitik ist sie geradezu illusionär.


Lösung Währungspolitik?

Die Einsicht, dass eine veränderte Lohnpolitik mit überaus starken Lohnsteigerungen in Deutschland nicht durchsetzbar, den südeuropäischen Ländern eine drastische Senkung der Löhne wegen der damit verbundenen sozialen und ökonomischen Katastrophe nicht zumutbar und mithin eine europäisch koordinierte Lohnpolitik ausgeschlossen ist, stellt den wesentlichen Grund sowohl für Flassbeck/Lapavitsas als auch für Lafontaine dar, den Ausweg in anderen Anpassungsmechanismen zu suchen: in der Währungspolitik. »Wenn reale Auf- und Abwertungen auf diesem Weg nicht möglich sind, dann muss man die einheitliche Währung aufgeben und zu einem System zurückkehren, das, wie beim Vorläufer der Währungsunion, dem Europäischen Währungssystem, Auf- und Abwertungen erlaubt. Im Kern geht es darum, kontrollierte Aufwertung über ein von der EU getragenes Wechselkursregime wieder möglich zu machen.«[7] Ähnlich argumentiert Streeck, wenn er ein europäisches Bretton Woods fordert.[8] Lafontaine verbindet diese Empfehlung nicht nur mit der Einführung von strikten Kapitalverkehrskontrollen, sondern auch mit der Notwendigkeit einer grundlegenderen Reorganisation des Finanzsektors. Damit wird zu Recht versucht, den Einfluss der Spekulation auf die Währung einzudämmen.


Folgen eines Euro-Ausstiegs

Dennoch muss die Frage aufgeworfen werden, welche Kosten und welche ökonomischen Folgen sowohl für die Länder, die aus dem Euro aussteigen, als auch für die europäische Entwicklung insgesamt damit verbunden sind. Für die Ausstiegsländer würden sich die Importe enorm verteuern, während auf der anderen Seite die sich für den Export ergebenden Vorteile wegen der schwachen Verfassung der Wirtschaft und fehlender Produkte nicht in ausreichendem Maße genutzt werden könnten. Für Exportländer wie Deutschland käme es zu einer starken Aufwertung mit erheblichen negativen Konsequenzen für die Wirtschaft, die auch durch eine anziehende Binnenkonjunktur kaum kompensiert werden dürften.[9]

Die Risiken einer wenn auch kon­trollierten Rückkehr zu nationalen Währungen sind jedenfalls sehr hoch und derzeit kaum kalkulierbar. Schon deshalb lehnt der Großteil der linken Parteien in Europa den Ausstieg aus dem Euro ab, insbesondere auch die vor einer möglichen Regierungsübernahme stehende Syriza in Griechenland. Auch Flassbeck selbst ist skeptisch und würde eine intakte Euro-Zone vorziehen, sieht dafür allerdings wenig Chancen.[10] Während die vorgebrachten Bedenken gegen eine Rückkehr zu nationalen Währungen bzw. zu einem europäischen Währungssystem mit kontrollierten Wechselkursveränderungen vorwiegend ökonomischer und sozialer Natur sind, macht Altvater vor allem politische Gründe gegen diese Überlegungen geltend. Für ihn wäre »ein solcher Schritt .. das Ende des wichtigsten politischen Projekts der Nachkriegsepoche, ein Treppenwitz der Geschichte«.[11] Schließlich ist auch die Frage zu stellen, ob denn der Vorschlag eines kontrollierten europäischen Währungssystems mit differenzierten Wechselkursen mehr Realisierungsgehalt beanspruchen kann als die Vorstellung eines Ausgleichs mittels koordinierter Lohnpolitik. Das ist angesichts der vorherrschenden Politik kaum vorstellbar.


Reorganisation der Wertschöpfung

Sowohl die Vorstellung, mittels Kooperation, basierend vor allem auf der Lohnpolitik, als auch mittels eines kon­trollierten differenzierten Europäischen Währungssystems die europäische Krise lösen zu wollen, ist eine Illusion und verkennt den Charakter der Krise. Die europäische Krise ist eine Banken- und Finanzmarktkrise, die wiederum in der spezifischen kapitalistischen Entwicklung mit der ihr eigenen strukturellen Überakkumulation gründet. Sie verlangt daher umfassende Lösungen, die die Ursachen der Krise angehen. Es kommt nicht von ungefähr, wenn bei Lafontaine die Regulierung des Finanz- und Bankensektors das zentrale Element jeder alternativen Politikkonzeption darstellt.

Erstaunlich ist in der ganzen Debatte, wie wenig über die innere Aufwertung der am meisten von der Krise betroffenen Länder durch eine offensive und aktive Wirtschaftspolitik diskutiert wird. Zwar fordert auch DIE LINKE ebenso wie beispielsweise der DGB mit dem Marshallplan gezielte Investitionsprogramme, doch einen Schwerpunkt in der Debatte um die europäische Krise stellt dies nicht dar. Milliarden von Euro werden in den maroden Bankensektor gepumpt, um damit vorwiegend die Vermögen reicher Anleger zu retten. Diese Milliarden wären besser angelegt zur Ankurbelung gesellschaftlich sinnvoller wirtschaftlicher Tätigkeit. Schließlich ist die wirtschaftliche Basis der Krisenländer zum Teil äußerst schwach. Dies gilt etwa für die griechische Wirtschaft ebenso wie für die spanische Wirtschaft, die bislang zu einem großen Teil vom spekulativen Immobilienboom lebte, oder aber auch für Italien mit seiner inzwischen doch deutlich geschwächten Industrie.

Die neoliberale Austeritätspolitik hat die Schwächung der ohnehin schon unter den außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten leidenden Wirtschaften – zurecht wird die deutsche Politik seit langem als »beggar-my-neighbour-policy« charakterisiert – und die Dein­dustrialisierung weiter vorangetrieben. Erforderlich sind umfangreiche Investitionen in Infrastruktur in Zusammenhang mit dem sozial-ökologischen Umbau, in gesellschaftlich wichtige Bereiche wie den Ausbau erneuerbarer Ener­gien, neuer Mobilitätskonzepte, aber auch in Bereiche wie Bildung und Gesundheit. Dazu gehört ganz wesentlich auch eine Wiederbelebung der Debatte um Anlage und Ausrichtung einer europäischen Strukturpolitik.


Europa als antikapitalistisches Projekt

Es ist in der politischen wie gesellschaftlichen Linken unbestritten, dass die neo­liberale Politik Merkels Europa spaltet und mit rigiden Kürzungen bei den Löhnen und Sozialausgaben für die europäische Entwicklung verheerend ist. Und es dürfte auch weitgehend Konsens sein, dass bei Fortgang dieser Politik der Euro nicht zu halten ist. Daher ist es auch absolut legitim, dass DIE LINKE Überlegungen zu währungspolitischen Alternativen anstellt und dieses Feld nicht den Rechten überlässt. Es wäre jedoch verkürzt, die notwendige Debatte um die europäische Entwicklung darauf zu konzentrieren oder gar zu beschränken. Notwendig ist eine umfassende Diskussion politischer Alternativen. DIE LINKE hat in ihren programmatischen Aussagen die wesentlichen Elemente einer Alternative zur europäischen Wettbewerbspolitik dargelegt. Zentrale Ansatzpunkte sind eine völlig andere Verteilungspolitik sowohl bei der Primär- als auch bei der Sekundärverteilung, eine grundlegende Reorganisation des Finanzwesens und eine an gesellschaftlichen Bedarfen ausgerichtete Wirtschaftspolitik. Es ist ein anderer Politikentwurf, gerichtet auf eine solidarische, soziale, demokratische und friedliche Gesellschaft. Notwendig ist jedoch, dass die Europa-Debatte in der LINKEN intensiviert wird, strittige Punkte aufgegriffen und ausdiskutiert werden.[12]

Europa darf nicht auf ökonomische Fragen, so wichtig diese auch sein mögen, reduziert werden. Für die LINKE muss das angestrebte soziale Europa vor allem ein politisches Projekt sein, das letztlich nur im Rahmen einer grundlegenden gesellschaftlichen Umwälzung mit der Überwindung kapitalistischer Strukturen erreicht werden kann. Eine wie auch immer geartete sozialstaatliche Korrektur einer ansonsten über den Markt vermittelten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung greift zu kurz und hat im Übrigen unter den herrschenden Bedingungen auch keine Realisierungschance. Dies ist pure sozialdemokratische Illusion. Ein solches Projekt muss an die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und Bewegungen anknüpfen und ist somit – wie Bernd Riexinger zu Recht postuliert – nur »von unten« zu verwirklichen.[13] Dies verpflichtet DIE LINKE zur aktiven Solidarität mit den Bewegungen in Euro­pa, die Widerstand gegen die neoliberale Kürzungspolitik leisten und für eine grundlegende politische Alternative eintreten. Es gilt diesen Widerstand gerade auch in Deutschland, dessen Regierung wesentliche Verantwortung für die katastrophale europäische Politik trägt, zu organisieren, so schwierig die Bedingungen auch sein mögen.

Heinz Bierbaum ist wirtschaftspolitischer Sprecher und parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE im Landtag des Saarlands, Mitglied des Parteivorstands und Mitherausgeber von Sozialismus.

[1] Saarbrücker Zeitung vom 30.4.2013.
[2] ZEIT vom 8.5.2013.
[3] Heiner Flassbeck/Costas Lapavitsas, The systemic Crisis of the Euro – Causes and Effektive Therapies, Berlin 2013.
[4] Vgl. Axel Troost, Wege aus der Euro-Krise: Ausgleichs- statt Austeritätsunion, www.die-linke.de, 3.4.2013.
[5] »Man braucht Alternativen zum Euro«, Interview mit Heiner Flassbeck in: Berliner Zeitung vom 11.5.2013.
[6] Siehe dazu: Heinz Bierbaum, Eingebunden. Jenseits des Krisenkorporatismus, in: LUXEMBURG 1/2013.
[7] Oskar Lafontaine, Wir brauchen wieder ein europäisches Währungssystem, www.oskar-lafontaine.de, 30.4.2013.
[8] Siehe Wolfgang Streeck, Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus, Berlin 2013.
[9] Vgl. dazu ausführlicher Mario Candeias, No Exit. Falsche Gegensätze in der Euro-Debatte, Rosa Luxemburg Stiftung, Reihe Standpunkte 07/2013.
[10] Siehe das Interview mit Heiner Flassbeck in der Berliner Zeitung vom 11.5.2013.
[11] Elmar Altvater, Der politische Euro, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 5/2013.
[12] Siehe dazu auch die im Neuen Deutschland geführte Debatte.
[13] Bernd Riexinger, Es geht nicht um den Euro, sondern um die Europäer, in: Neues Deutschland vom 10.5.2013.

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