23. Februar 2018 Otto König, Dieter Knauß und Gerd Wick: Höheres Entgelt und »kurze Vollzeit« – Erfolg der 1,5 Millionen streikenden Metaller*innen

Metall-Tarifabschluss – ein Meilenstein?

Ob der Tarifabschluss ein »Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen, selbstbestimmten Arbeitswelt« ist, so der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hoffmann, oder ein »Grundstein für ein innovatives Arbeitszeitsystem«, wie er teilweise gefeiert wird, wird sich in der Zukunft noch erweisen müssen.

Der »komplexe« Tarifabschluss für die 3,9 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie beinhaltet neben Lohnerhöhungen und zusätzlichen Sonderzahlungen das tarifvertragliche Recht auf »kurze Vollzeit« für alle sowie einen entgeltlichen Zuschlag für Beschäftigte mit Kleinkindern bzw. pflegebedürftigen Angehörigen und Schichtarbeiter*innen. Ohne Zweifel besteht das Verdienst der IG Metall darin, das Thema Arbeitszeit in Form von mehr Selbstbestimmung für die Beschäftigten wieder zum Gegenstand tarifpolitischer Auseinandersetzungen gemacht zu haben. Aufgrund der weitgehenden arbeitszeitpolitischen Abstinenz aller DGB-Gewerkschaften in den letzten beiden Jahrzehnten bestimmten vorwiegend Arbeitgeberinteressen die Debatte über flexible Arbeitszeiten und ihre einseitige Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Geschäftsentwicklung. Dass die Frage »Wer bestimmt über die Zeit« auch über 30 Jahre nach dem Arbeitskampf um die 35-Stunden-Woche ein machtpolitisch und ideologisch aufgeladenes Thema ist, haben die Metallarbeitgeber in dieser Tarifrunde erneut hinlänglich unter Beweis gestellt.

Jurassic Park

Die IG Metall hat sowohl mit ihrer Forderung nach »Arbeitszeiten, die zum Leben passen«, als auch der großen Kampfbereitschaft ihrer Mitglieder wieder einmal diejenigen Lügen gestraft, die seit Jahren den Gewerkschaften den Charme von Dinosauriern zuschreiben. Der vermeintliche Dino erwies sich in der Tarifrunde 2018 sehr lebendig: Erst der Druck aus den Betrieben von 1,5 Millionen Warnstreikenden und ihre Entschlossenheit bei den erstmals angewandten 24-Stunden-Warnstreiks[1] hat die Verständigungsbereitschaft der Arbeitgeberseite entscheidend begünstigt.

Otto König ist Mitherausgeber von Sozialismus. Dieter Knauß war langjähriger 1. Bevoll­mächtigter der IG Metall Geschäftsstelle Waiblingen und ist Organisator des jährlichen Walter-Kuhn-Forums. Gerhard Wick ist 1. Bevollmächtigter der IG Metall Geschäftsstelle Esslingen.

[1] Mit einer Satzungsänderung hat die IG Metall vor gut zwei Jahren das Instrument Tagesstreik beschlossen. Anders als bei der Urabstimmung über einen unbefristeten Arbeitskampf müssen nur die Gewerkschaftsmitglieder in den ausgewählten Betrieben zustimmen. Sie bekommen, anders als bei den herkömmlichen stundenweisen Warnstreiks, auch Streikgeld. Nach Angaben der IG Metall haben bundesweit 500.000 Metaller*innen in 280 Betrieben ganztägig die Arbeit niedergelegt. »Die Ganztagesstreiks der IG Metall sind für unsere Mitgliedsunternehmen schmerzhaft und bewirken eine erhebliche Störung der Betriebsabläufe«, räumte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Metall NRW, Luitwin Mallmann, gegenüber dem Handelsblatt ein.

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