1. Mai 2008 Conny Weißbach und Cornelia Hildebrand

Neue Dynamik

Seit den Wahlen in den Niederlanden im November 2006 richten Linke in der Bundesrepublik verstärkt ihren Blick auf die dortige Socialistische Partij (SP). Die SP ist mit 16,6% drittstärkste Kraft in der Zweiten Kammer des Parlaments (holländischer Bundstag). Nur 4,6% trennen sie damit von den niederländischen Sozialdemokraten (PvdA).

Der mediengewandte und überaus populäre SP-Vorsitzende Jan Marijnissen warb bereits im Vorfeld der letzten Wahlen für eine Zusammenarbeit seiner Partei mit GroenLinks – den niederländischen Grünen – und der Sozialdemokratie. Die anderen beiden Parteien lehnten dies ab, und die Mehrheitsverhältnisse nach den Wahlen ließen ein Mitte-Links-Kabinett nicht zu. Dennoch ist die SP als ernstzunehmende Kraft links der Sozialdemokratie nicht mehr zu ignorieren. Sie hat nicht nur annähernd so viele Mitglieder wie die niederländische Sozialdemokratie, sondern verdankt auch etwa ein Viertel ihrer Stimmen ehemaliger PvdA-WählerInnen.

Die einstige maoistische K-Gruppe transformierte sich rasch über gesundheitspolitisch oder umweltpolitisch orientierte Realpolitik in den Gemeindeparlamenten zur anerkannten Lokalpartei. Auf der Kommunalebene "überwinterte" sie zwischen 1994 und 2003 bis der Durchbruch auf nationaler Ebene mit einem anti-neoliberalen Programm gelang.

Bis heute versteht es die SP, neue Themen zu setzen. Trotz ihrer Etablierung im politischen System und einer Ausdehnung bis weit in die Mittelschichten hinein hat sie nicht ihre beteiligungsorientierte und außerparlamentarische Arbeitsweise verloren, wenngleich sie teilweise ihren Charakter als reine Protestpartei verloren hat.

In der Kampagne gegen den EU-Verfassungsvertrag ergab sich eine Aktionsform, vermittels derer die Entfremdung von Wahlbevölkerung und europäischen wie nationalen Eliten greifbarer gemacht werden konnte. Das "Nee" im Referendum war der Schlüssel zum Wahlerfolg.

Die SP vereint klassisch linke sozialökonomische Themen mit einer Öffnung zur christlich-sozialen Mitte. Dies schließt auch eine Wertediskussion mit ein. Insofern verkennt die gängige Sozialdemokratisierungsthese der SP das Ensemble der politischen Programmatik ebenso wie das Neue an der "beteiligungsorientierten operativen Ausrichtung".

Mit Hans van Heijningen diskutierten für Sozialismus im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung in Düsseldorf am 21.2.2008 Conny Weißbach und Cornelia Hildebrand.

Wie erklärst Du Dir den Erfolg der SP, die sich aus einer maoistischen K-Gruppe zur drittstärksten Kraft sowohl im Parlament als auch gemessen an ihren Mitgliedern entwickelt hat?

Das ist eine lange Geschichte. Ich glaube, das wichtigste ist, dass die Partei im Stande war, einen Prozess der Modernisierung durchzusetzen. Wobei es gelungen ist, von Sachen Abschied zu nehmen, die ein Hindernis darstellten: wie etwa die marxistisch-leninistische Theorie. Gleichwohl bewahrten wir Prinzipien einer sozialistischen Politik: das Arbeiten mit und für die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung. So konnten wir eine Arbeitsweise entwickeln, die bei den Leuten auf Akzeptanz stieß.

Eine These, die versucht, den Erfolg der SP zu erklären, lautet: Der Erfolg der SP besteht darin, dass sie eine sehr konkrete Realpolitik in den Kommunen machte. Sie kümmerte sich z.B. um Asbest- und um Müllentsorgungsprobleme. Auch dadurch sei die ML-Orientierung in den Hintergrund gedrängt worden. Fakten wurden somit weniger in theoretischen Debatten geschaffen, sondern durch die Praxis mit den Leuten.

Ich glaube nicht, dass die erfolgreiche Arbeit mit den Menschen automatisch dazu führt, die ML-Orthodoxie zu überwinden. Die SP war von Beginn an an konkreter Basisarbeit interessiert. Die Menschen standen und stehen unserem Konzept zur Umgestaltung der politischen Verhältnisse sehr positiv gegenüber. Unsere praktische Arbeit stößt auf Wohlwollen, aber die Menschen reagieren mit Ablehnung, wenn wir anfangen, über das klassische Sozialismus-Konzept und die Diktatur des Proletariats zu reden. Solche Debatten haben in der Geschichte eher zu Spaltungen zwischen der Basis und den Parteikadern geführt.

Wenn wir uns dafür einsetzen, dass gewöhnliche Leute eine Arbeitsstelle mit einem guten Lohn, eine Wohnung für sich und ihre Kinder, Unterricht und auch innerbetriebliche Mitbestimmung benötigen – dann sagen alle Leute: Ja, einverstanden. Aber wenn man sagt, im Rahmen der Diktatur des Proletariats müssen wir weitere Schritte in Angriff nehmen, dann sagen die Leute: Du vielleicht, aber ich nicht.

Durch die Praxis, durch die Interaktion mit den BürgerInnen ist also das ML-Vokabular verschwunden. Die SP hat über Jahre hinweg in der Gemeindepolitik Themen angesprochen, um die sich niemand sonst gekümmert hat. Die für eine sozialistische Partei allerdings recht ungewöhnlich waren. So etwa Umwelt- und Gesundheitsthemen.

Das ist eine entscheidende Frage. Wenn man wirklich eine seriöse Massenarbeit machen will, kann man nicht die Themen auf Grundlage seines ideologischen und politischen Programms herausdestillieren. Als Richtschnur müssen indessen die wirklichen Probleme der Menschen genommen werden. Das können altmodische oder ganz moderne, außergewöhnliche oder normale Themen sein. Problematisch ist es, wenn linke Gruppen versuchen, ihre theoretische Systematik in ihre politischen Programme zu übersetzen, um dann daraus Prioritäten abzuleiten. Das ist nicht logisch. Man sollte hingegen die Erfahrungen der Kommunikation mit den Massen mit den ideologischen Ausgangspunkten kombinieren. So kann man sehen, in welche Richtung die Schwierigkeiten aufgelöst werden können.

1994 gilt als das Jahr, in dem die SP den Durchbruch schaffte. Worauf ist dieser zurückzuführen?

1994 wurden zwei Repräsentanten der Partei in die zweite Kammer des Parlaments gewählt. Und einer der zwei – der Vorsitzende der SP, Jan Marijnissen – hatte die Fähigkeit, in politische Debatten eine eigene Interpretation einzubringen, die eine große Ausstrahlungskraft hatte. Plötzlich befanden wir uns in einer neuen Lage. Bislang hatten wir uns sozusagen nur auf die "Massenarbeit" mit den Leuten konzentriert. Das hatte schon große Auswirkungen. Doch plötzlich waren wir im Parlament, wir konnten auf das Fernsehen und andere Medien zurückgreifen. Dadurch entstand eine völlig neue Dynamik. Nunmehr konnten wir auch in Regionen Erfolge erzielen, wo es keine klassische Basisarbeit gegeben hatte.

Eigentlich ist das ein großer Erfolg. Doch gleichzeitig auch ein Beispiel dafür, dass auf diese Weise neue Schwierigkeiten entstehen. Denn nun müssen wir auch in jenen Regionen, in denen die Partei Wahlerfolge feiern konnte, die praktische Arbeit entwickeln. Nur so kann der Erfolg gesichert werden.

Aber entscheidend war Dein Argument, dass es auf der Gemeindeebene einen gewissen Kreis von Menschen gab, den man erreichen konnte, und einen, den man nicht erreichen konnte. Und mit dem Einzug ins Parlament war es möglich, andere Themen auf nationaler Ebene anzusprechen...

... ja, dann kamen die Mediendemokratie und die Wahlperspektiven. Wir kamen plötzlich von der lokalen Ebene, wo uns die Leute vertrauten, weil sie Dich und Deine Arbeit kennen, auf die Ebene der politischen Diskurse, Entscheidungen und der Medien. Das heißt, dass auf ein Mal das ganze Land, die ganze Bevölkerung die neue Partei entdeckt. Und dann haben uns auch die Sozialdemokratie und GroenLinks geholfen.

War das auch verbunden mit der Aufnahme neuer Themen? Oder bedeutet es, dass in Regionen, in denen zuvor so gut wie nichts war, auch kaum Parteistrukturen existierten, sich nun Leben entfaltete? Und stellten sich spezifische Fragen auf der nationalen Ebene?

Eigentlich hat man versucht, auf der durchaus vorhandenen Sympathie der Bevölkerung aufzubauen. Die SP hat ihre Basis im katholischen Süden des Landes. Früher waren dort sowohl die Sozialdemokraten als auch die Kommunisten nicht so stark, während sie im Norden, beispielsweise in Amsterdam oder in Groningen, ihre Hochburgen hatten. Als beide Parteien in den nördlichen Regionen des Landes an Einfluss einbüßten, tauchte die SP quasi als verlorener Sohn auf. Etwa seit 1994 ist die SP somit auch im Norden eine politische Interventionskraft.

Die Sozialdemokratie und GroenLinks haben der SP also in gewisser Weise geholfen. Das ist der eine Aspekt einer Krisensituation einer Linken, die mit den Stichworten neue Sozialdemokratie, New Labour umschrieben werden könnte. Ein weiterer Aspekt sind die Veränderungen bei den Grünen, die in Holland im Vergleich zur Bundesrepublik später einsetzten. Gleichzeitig gab es den Neoliberalismus und dann die ersten Risse. Überdies gab es in Holland sehr früh – und anders als in Deutschland – noch eine weitere Krise: nämlich eine politisch-kulturelle. Kannst Du diesen Hintergrund, vor dem sich der Aufstieg der SP vollzog, erläutern?

Die holländische Gesellschaft war historisch betrachtet stark in Subkulturen organisiert. Die Liberalen, die Katholiken, die Protestanten und die Sozialdemokraten haben innerhalb der Gesamtgesellschaft ihre eigenen Gesellschaften geschaffen. Sie hatten ihre eigenen Medien, ihre Sportvereine, ihre politischen Parteien, ihre Altersheime und Krankenhäuser. Diese "Versäulung" der Gesellschaft hat sich bis in die 1960er Jahre gehalten. Seither sind die Säulen in einem kulturellen Demokratisierungsprozess verschwunden. In den 1960er bis 1980er Jahren war eine Art Ausgangsoptimismus und der Traum von allgemeinem Wohlstand und Modernisierung vorherrschend. In den 1980er und 1990er Jahren wiederum hat sich das mit dem Neoliberalismus und einer verstärkten Migration geändert. Man hatte nun Angst um die Zukunft. Die neuen realen Probleme einer Gesellschaft, in der bislang Stabilität und Sicherheit als normal erschienen, hatten eine erschütternde Wirkung. Ich rede von Problemen der zunehmenden Gewalt, von dem Gefühl, dass die MigrantInnen den Holländern etwas wegnehmen, dass ihnen immer weniger bleibt.

Die Fähigkeit der holländischen Bevölkerung, mit diesen neuen Problemen umzugehen, ist im Vergleich zu anderen Ländern nicht sehr hoch.

Das hat damit zu tun, dass wir ähnlich wie in Skandinavien in einer Art sozialdemokratischen Paradies lebten. Alle SP-Leute haben früher gesagt: Scheiß Sozialdemokraten. Heute ist die Sozialdemokratie der frühen 1970er Jahre faktisch das Modell, was sehr viele Menschen nahezu als Ideal ansehen. Damals war auch ich in Kampagnen involviert gegen die arbeiterfeindliche Regierung Den Uyl. Heute gilt diese Zeit als Höhepunkt von Sozialstaatlichkeit.

Als der Sozialstaat abgebaut wurde, wurden die Leute mit sozialer Unsicherheit konfrontiert. Natürlich sind das Unsicherheiten, die verglichen mit denen in Nicaragua oder in Vietnam relativ sind. Doch man ist immer Produkt der Verhältnisse, in denen man aufgewachsen ist. Und deshalb werden diese Unsicherheiten als schockierend erfahren.

Um den Kreis zu schließen, würde ich gerne auf die Islam-Debatte zu sprechen kommen – die Phase von Pim Fortuyn bis heute also. Es gibt ja die These, dass die "Versäulung" auch dazu geführt hat – obwohl es sie ja offiziell nicht mehr gab –, dass MigrantInnen in ihren jeweiligen relativ abgeschlossenen Säulen gelebt haben. Und plötzlich hat man gemerkt, dass trotzt der berühmten niederländischen Toleranz die Sache rasend schnell kippt. Gestern war alles noch friedlich, und plötzlich sind viele froh, über vermeintliche Tabus wie etwa Islamismus reden zu können. Mir sagte jemand von der SP, dass die viel gerühmte Toleranz eher Ausdruck jahrelanger Ignoranz gewesen sein könnte.

Indifferenz würde ich eher sagen. In einem reichen Land, wo die Opfer des Kapitalismus eine Minderheit repräsentieren, zum Teil eine ethnische Minderheit, ist die Fähigkeit, mit den Verunsicherungen fertig zu werden, sehr beschränkt. Wenn wir über die Islam-Debatte sprechen, müssen wir auch das dahinter liegende Problem der mangelnden Integration eines Teils der marokkanischen Jugend mit berücksichtigen. Ich meine, im Grunde genommen sind die Unterschiede in Religion und Kultur weniger interessant als die realen Probleme, die sich in Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Unsicherheit in den Strassen äußern. Und dann stellt sich die Frage, welche Interpretation bieten wir an. In meinen Augen lässt sich das Integrationsproblem auf sozio-ökonomische und kulturelle Faktoren zurückführen. In der Islam-Debatte müssen wir als Linke sagen: Jeder soll gleiche Chancen haben und man kann einen Teil der Bevölkerung nicht ausschließen. Die Rechtspopulisten dagegen sagen: Die hauen und klauen, und das hat damit zu tun, dass die MigrantInnen aus einer anderen Gesellschaft und Kultur kommen. Und dann muss man natürlich die Folgen des 11. September 2001 berücksichtigen. Das ist das große politische Zusammenhang, der vermeintlichen Aufschluss darüber gibt, wie man das alles deuten soll.

Was hat die SP da anders gemacht als die PvdA oder GroenLinks?

PvdA und GroenLinks führen ideologisch eingefärbte Diskussionen über Toleranz und über Diskriminierung und darüber, ob die Polizei hart oder weniger hart eingreifen soll. Sie führen diese Debatten unter sich und über die Presse. Wir als SP sind weniger präsent in dieser Diskussion. Das hat auch damit zu tun, dass man die wirklichen Probleme nur in der Praxis lösen kann und wir als Partei bis jetzt auch keine großen Erfolge vorweisen konnten.

Das heißt, die Stadtviertel, in denen die SP besonders stark ist, sind nicht diejenigen, wo die MigrantInnen überwiegend leben?

Es kann auch sein, dass die Ortsgruppen sich nicht trauen, oder nicht die Erfahrung haben bzw. sich verunsichert fühlen, etwas zu unternehmen. Unsere Jugendorganisation Rood macht jetzt zum Beispiel eine Kampagne gegen kleine elektronische Apparate, die schrecklichen Lärm machen und aufgehängt werden, wo sich Jugendliche treffen. Vielfach gab es weder eine öffentliche Debatte, noch eine politische Entscheidung über den Einsatz dieser Geräte.

Die wurden von den Gemeinden aufgehängt?

Ja. Das hat mit Frequenzen zu tun. Eine blödere Lösung des Problems kann man sich gar nicht denken. Es könnte sein, dass Rood durch diese Kampagne, in der versucht wird, diese Geräte ausfindig zu machen, mit anderen Jugendlichen in Kontakt kommt.

Wie hat sich mit dem zunehmenden parlamentarischen Erfolg der Partei das Verhältnis von parlamentarischer Arbeit und außerparlamentarischer Bewegung verändert?

Egal, ob man über Kulturpolitik, Afghanistan-Krieg oder Integration redet, es sind alles Themen, die außerparlamentarisch ausgearbeitet werden müssen. Die parlamentarische Dynamik kann in einer bestimmten Periode entscheidend sein. Aber in der Einschätzung der Bedeutung von außerparlamentarischer Arbeit hat es meiner Meinung nach keine Veränderung gegeben.

Bei uns gibt es ja oft die Verselbständigung von parlamentarischer Arbeit von der eigentlichen Parteiarbeit. Das ist der Hintergrund meiner Frage. Gerade in Berlin hat sich gezeigt, dass die parlamentarische Arbeit zur Entfremdung der Parteibasis geführt hat. Bei Euch hingegen scheint die lokale Anbindung über die Ortsgruppen eine ganz entscheidende Rolle zu spielen. Das ist offensichtlich ein ganz anderes Herangehen als bei uns.

Und wir sagen: Wenn wir die außerparlamentarische Arbeit vernachlässigen, führt das ins Elend. Wenn wir wollen, dass die SP zukünftig auf allen Ebenen mitregieren will, dann gibt es eine große Priorität: die Verstärkung der Basisarbeit und nicht die Orientierung auf die parlamentarische Arbeit.

Wenn ich die außerparlamentarische Arbeit der SP etwa mit der der LINKEN vergleiche, fallen mir zwei wesentliche Unterschiede auf. Zum einen, dass Funktionäre auf höheren Ebenen auch Aufgaben haben, die dazu führen, dass sie samstags auf der Straße stehen. Überdies haben sie oft auch Verpflichtungen im Gemeinderat. Das heißt, außer ihrem Parteivorstand haben sie auch noch weitere basisnähere Aufgaben.

Das andere ist die Art und Weise, wie ihr an die außerparlamentarische Arbeit herangeht. In Gewerkschaften diskutiert man in Deutschland über eine stärkere Beteiligung der Mitglieder. Wie ihr Beteiligung in Kampagnen organisiert, erinnert mich stark an diese Konzepte, ohne dass es gleich auf ein imperatives Mandat hinausläuft. Dies könnte als kompletter Strategiewechsel parteilicher Basisarbeit bezeichnet werden. Das fängt bei der Technik an und hört bei den Medien auf, aber dazwischen passiert ja auch noch eine Menge etwa die enormen Mandatsträgerbeiträge.

Man könnte sagen, dass die Parteiführung sehr stark auf Basisarbeit orientiert ist. Wir drängen darauf, dass unsere Vertreter eine Rolle in der außerparlamentarischen Arbeit spielen. Ich bin jetzt z.B. damit beschäftigt, dass alle unsere parlamentarischen Abgeordneten zwei Mal im nächsten Jahr eine Ortsgruppe besuchen und dort einen Abend über ihre Themen organisieren oder eine Analyse der politischen Situation vornehmen und überlegen, wie die Ortsgruppen zu stärken sind. Wir machen darüber hinaus ein Angebot für Gruppen, die noch nicht die Fähigkeit haben, örtlich zu Themen wie Gesundheit oder Afghanistan etwas zu entwickeln etc.

Bei einer schnell wachsenden Parteistruktur muss man aufpassen, welche Personen in eine verantwortungsvolle Position kommen. Und deshalb gibt es ein Auswahlprinzip. Wer entscheidet, wer darf und wer nicht?

Auf lokaler Ebene sind es die Ortsgruppen, die ihre Kandidaten auswählen. Auf nationaler Ebene ist es der Parteivorstand. Wir haben alle zwei Monate eine Versammlung mit den Vorsitzenden der Ortsgruppen. Und dort werden alle wichtigen Entscheidungen getroffen. Wir machen Vorschläge und diskutieren darüber.

Gibt es zwischen Parteivorstand und den Ortsgruppen noch weitere Parteigliederungen?

Es gibt eine Provinzialstruktur und eine parlamentarische Vertretung. Erstere ist politisch nicht sehr wichtig. Aber auch dort haben wir unsere Vertreter und bringen unsere Politik ein. Und das sind Zusammenhänge von Ortsgruppen und Provinz. Es gibt Regionaltreffen, aber dort wird lediglich diskutiert und keine verbindlichen Entscheidungen getroffen.

Noch einmal zur Struktur der Partei. Ist es richtig, dass die Arbeitsteilung sich nach oben hin auf einen Inner Circle konzentriert?

Ja, das hat sich historisch entwickelt. Unsere Vertreter haben eine wichtige Beispielrolle, sind Vorläufer und stehen in ganz engem Kontakt mit unseren aktiven Mitgliedern und mit der Bevölkerung im Allgemeinen. Dabei muss betont werden, dass unsere Volksvertreter und Funktionäre für ein normales Gehalt arbeiten – und viel arbeiten. Wenn es um die Fähigkeit geht, mit den Menschen zu kommunizieren ist der Vorsitzende Jan Marijnissen außerordentlich und es gibt kaum jemanden, der ihn einfach ersetzen könnte.

Wir würdest Du das Verhältnis der SP zu den Gewerkschaften beschreiben?

Wir sind nicht bestrebt, die Gewerkschaften der Parteiführung zu unterstellen. Aber wir unterstützen diejenigen, die im Betrieb oder den Gewerkschaften am besten arbeiten, die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten. Ob sie Parteimitglied sind oder nicht, das ist weniger interessant.

Und warum gibt es keine neue "politische Ehe" mit den Gewerkschaften?

Wir führen natürlich Gespräche mit den Gewerkschaften. Aber die pflegen eine gewisse Distanz zu parteipolitischen Strukturen. Die Gewerkschaftsführung ist nicht besonders interessiert, unsere Arbeit und unseren politischen Durchbruch zu unterstützen. Zwar sind wir im Stande gewesen, eine wichtige Rolle innerhalb der Gewerkschaften zu spielen, da die meisten Mitglieder dieser Organisationen unsere Partei wählen und viele Militante in den Gewerkschaften der SP angehören.

Und wie schätzt Du die weitere Entwicklung der SP ein?

Erfolge in der Vergangenheit sind keine Garantie, dass wir auch die nächsten Jahre erfolgreich sein werden. Aber natürlich werden wir versuchen, die holländische Gesellschaft wirklich zu verändern: Verringerung des Unterschieds zwischen Arm und Reich, gut funktionierende öffentliche Dienste und ein Ende der militärischen Abenteuer stehen auf unserer Agenda. So lange wir auf eine integere Weise mit und für die Interessen der Bevölkerung arbeiten, sollte es möglich sein, neue Erfolge zu erzielen.

Zurück