17. Dezember 2013 Paul Wellsow

NPD-Verbot: zweiter Versuch

Am 3. Dezember 2013 hat der Bundesrat in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerG) einen erneuten Antrag auf ein Verbot der »Nationaldemokratischen Partei Deutschlands« (NPD) eingereicht.[1]

Auf einer Pressekonferenz am Rande der »Ständigen Konferenz der Innenminister aus Bund und Ländern« (IMK) stellten einen Tag später der derzeitige IMK-Vorsitzende und Innenminister von Niedersachsen, Boris Pistorius (SPD), Innenminister Lorenz Caffier (CDU, Mecklenburg-Vorpommern), Innenminister Ralf Jäger (SPD, Nordrhein-Westfalen) und die beiden Prozessbevollmächtigten des Bundesrates, die Jura-Professoren Christoph Möllers und Christian Waldhoff, den Antrag der Öffentlichkeit vor.[2]

Zur Begründung, dass die NPD die »freiheitlich demokratische Grundordnung« gefährde, haben die Bevollmächtigten der Länderkammer auf 286 Seiten und mit 15 Anlagen mehr als 300 Zitate und Straftaten von NPD-Funktionären sowie Informationen über die zentrale Rolle der NPD im Netzwerk der militanten Neonazi-Szene zusammengestellt. Bereits zuvor war eine nicht-öffentliche »Materialsammlung für ein mögliches Verbotsverfahren«[3] vom »Bundesamt für Verfassungsschutz« (BfV) und den Länderbehörden mit 2.649 Belegen zusammengestellt worden. Das nun dem Gericht vorgelegte Material stamme, so Pistorius, nur aus offen und polizeilich erlangtem Material und nicht aus nachrichtendienstlichen Quellen. Die Innenminister haben dem Bundesrat versichert, dass die angeführten Aussagen oder Straftaten nicht von Spitzeln (»V-Leute«) der Geheimdienste stammen.

Der erste Versuch eines NPD-Verbots war 2003 daran gescheitert, dass zu viele Spitzel in einflussreichen Positionen der Partei saßen. Noch vor einer Prüfung des Beweismaterials wurde das Verfahren niedergeschlagen – es sei nicht zu unterscheiden, ob die belastenden Äußerungen V-Leuten oder originär der NPD zuzuschreiben seien. Drei der Richter kritisierten die »mangelnde Staatsfreiheit« der NPD »auf der Führungsebene« und »des zur Antragsbegründung ausgebreiteten Bildes der Partei«.[4] Die Spitzel der Dienste retten die Nazipartei so vor dem Untergang.


Nähe zum Nationalsozialismus

Der Bundesrat begründete den erneuten Anlauf für ein Verbot damit, »dass die NPD eine außerordentliche Nähe zum Nationalsozialismus hat und sich selbst in der Tradition der NSDAP sieht«. Die Ideologie der Partei »sei mit den zentralen Elementen der Verfassung daher unvereinbar. Sie verfolge das Ziel einer Abschaffung der Ordnung im ganzen Bundesgebiet und habe mit Hilfe der Gesamtorganisation auf lokaler Ebene bereits Beeinträchtigungen dieser Ordnung erreicht.«[5] Pistorius ergänzte, es sei beschämend, dass die NPD in zwei Landtagen die »Opfer des Holocaust verhöhnt«, Wahlplakate mit dem Slogan »Gas geben!« nahe des Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin anbringe und der NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel MigrantInnen als »ethnisch-kulturelle Fremdkörper« bezeichnete, die »nie Deutsche werden könnten, weil ein Pass die biologischen Erbanlangen nicht ändere«. Es sei »schwer erträglich«, dass die Partei ihre neonazistischen Aktivitäten mittels staatlicher Parteienfinanzierung bezahlen könne.

Zwei Gutachten wurden dem Antrag beigefügt: Das »Institut für Zeitgeschichte« bescheinigt die »Wesensverwandtschaft von NPD und historischem Nationalsozialismus«, und eine Studie von Dierk Bostel zeigt exemplarisch am Beispiel von Mecklenburg-Vorpommern, dass das Agieren der Neonazi-Partei »bereits heute zu einer Beeinträchtigung eines offenen demokratischen Lebens auf lokaler Ebene geführt hat«. Im nordöstlichsten Bundesland sitzt die NPD im Landtag und in zahlreichen Kommunalparlamenten und ist im Alltag bedrohlich präsent.

Der Prozessbevollmächtigte Möllers rückte vor allem den rassistischen und »naturalistischen Volksbegriff« der Partei in den Blickpunkt. Die völkische Definition des Individuums, die eine Einbürgerung für fast alle MigrantInnen undenkbar mache, stehe im Widerspruch zum Grundgesetz. Die »aggressiv-kämpferische Grundhaltung« der Partei zeige sich auch daran, dass sie eine »bundesweite Vernetzungsagentur« des »bewegungsförmigen Rechtsextremismus« sei. Zudem akzeptiere die NPD das Gewaltmonopol des Staates nicht. Das Ziel müsse es sein, nicht erst dann einzuschreiten, »wenn die Republik brennt«.

Die Befürchtungen von Kritikern eines NPD-Verbots und eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, dass der Entscheid vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strasbourg scheitern könnte, wies Möllers zurück. Das Gericht habe bereits frühere deutsche Vereinsverbote akzeptiert. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte dagegen betont, dass ein Verbot im Sinne der Rechtsprechung des EGMR nur dann notwendig sei, »wenn Frieden und Demokratie durch konkrete, nachweisbare Handlungen bereits hinreichend bedroht sind« und eine Partei »ihre konventionswidrigen Ziele mit realen Chancen politisch auch durchsetzen wird«.[6] Die Auffassung von Möllers wird von anderen Juristen gestützt. Rechtsanwalt Björn Eberling schrieb zum Beispiel, die Staaten »müssen und dürfen zum Schutz ihrer Bevölkerung nicht warten, bis eine Partei die Macht ergriffen hat« oder »kurz vor der Machtergreifung« steht. Er weist zu Recht darauf hin, »dass Recht politisch ist« und auch der EGMR »seine Urteile nicht völlig unbeeindruckt von politischen Erwägungen fällt«.[7]


Verbote gegen Rechts umstritten

Zwar haben sich Bundestag und Bundesregierung dem Antrag auf ein NPD-Verbot nicht angeschlossen, doch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte den Antrag, ebenso wie beispielsweise DIE LINKE und die SPD. Unter Konservativen und in der bürgerlichen Rechten überwiegen allerdings Skepsis und Ablehnung. So steht die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« dem Verbot mit kruden Argumenten ablehnend gegenüber. Das Verbot bezeichnete Reinhard Müller als »politischen Waschzwang« der etablierten Parteien, die »wieder einmal eine radikale Konkurrenz auflösen lassen« wollten.[8] Statt eines Verbotes möchte er lieber in einen Wettbewerb um das wahre Deutschtum eintreten: »Warum traut sich niemand, jenen traurigen Anhängern einer Rassenlehre zu sagen, dass sie selbst alles andere als national gesinnt, ja somit überhaupt nicht deutsch sind?« Resignierend erklärt er das vermeintliche Manko: »Weil diese Begriffe längst aufgegeben wurden«. In eine ähnliche Richtung argumentiert auch eine Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung zu den Wahlerfolgen »rechts- und nationalpopulistischer« Parteien in Europa und der Frage, wie ihnen zu begegnen sei.[9] »Die populistische Propaganda kann in gewissem Sinne sogar hilfreich sein, um Bereiche zu identifizieren, die bei den Bürgern Unzufriedenheit oder Angst auslösen. Diese Bereiche müssen von den etablierten Volksparteien gezielt und klar angesprochen werden.« Dass die Übernahme der Forderungen von rechts als Mittel gegen Rechts nicht funktioniert, sollten selbst Konservative spätestens seit der Debatte darüber, wie der »Nationalsozialistische Untergrund« entstehen konnte, verstanden haben. Das Einknicken vor dem rassistischen Mob durch die de facto Abschaffung des Asylrechts 1992 durch CDU, CSU, FDP und SPD wurde von der Neonazi-Szene als Erfolg gefeiert und stachelte sie weiter an.

Juristisch einfacher als die Auflösung einer Partei durch den Staat sind Vereinsverbote nach Artikel 9, Absatz 2 des Grundgesetzes. Auf dieser Grundlage wurden durch die Innenminister aus Bund und Ländern zwischen 1951 und 2010 schon über 80 Verbände und Vereine der extremen Rechten verboten[10] – meist weitaus weniger aufgeregt als das breit diskutierte NPD-Verbot. Zuletzt wurden beispielsweise die neonazistische »Heimattreue Deutsche Jugend« (2009) und die »Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige« (2011) durch den Bundesinnenminister, die »Widerstandsbewegung in Südbrandenburg« (2012) durch das Land Brandenburg oder in Niedersachsen die Neo­nazi-Gruppe »Besseres Hannover« (2012) verboten.[11] Einige der bisherigen Vereinsverbote führten »zu einem vollständigen Zerfall der Struktur«.[12] Bei der Mehrheit der Verbote setzte jedoch das »Führungspersonal seine neonazistischen Aktivitäten in anderen Gruppen oder individuell fort«. Mittlerweile hat es eine Reihe von Verboten von »Kameradschaften« gegeben, auffällig sei dabei vor allem, schreibt der Neonazismus-Forscher Fabian Virchow, »die geringe Bereitschaft staatlicher Stellen, die Fortführung verbotener Organisationen zu sanktionieren« – die Verbote liefen so oft ins Leere.

Der Bund und 13 Bundesländer verboten Vereinigungen, dagegen nutzten drei Bundesländer (Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen) das Instrument nie. Dass die V-Mann-Problematik möglicherweise auch bei Vereinsverboten Relevanz hat, zeigen Beispiele aus Thüringen: Seit 1990 gab es hier mindestens vier erfolglose Verbotsprüfungen gegen Neonazi-Gruppen durch das Innenministerium und den Geheimdienst. Die Behörden kamen zum Schluss, dass entweder keine Vereinsstruktur oder Verbots-Tatbestände nachweisbar seien.[13] Auffällig ist, dass in mindestens zwei der vier Gruppen je ein V-Mann des Thüringer Geheimdienstes eine zentrale Rolle spielte. Im »Thüringer Heimatschutz«, der Quellorganisation des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU), war der Spitzel Tino Brandt de facto Chef, und im Erfurter Neonazi-Kampfsportverein »SV Vorwärts e.V.« zog der V-Mann Kai-Uwe Trinkaus offenbar im Hintergrund die Fäden. Diese Spitzel in führenden Funktionen dürften bei der Abwägung der Behörden, ob ein Verbot vor Gericht trägt, ein Argument gewesen sein, auf ein Verbot zu verzichten.

Gegen Verbote rechter Organisationen wird ins Feld geführt, sie würden Neonazis in den »Untergrund« drängen.[14] Die Erkenntnisse aus zwei Jahren NSU-Aufklärung deuten darauf hin, dass für diese Auffassung wenig Belege existieren. Die mutmaßlichen NSU-Mitglieder und ihre Unterstützer waren nicht Mitglieder der in den 1990er Jahren verbotenen Organisationen, wie der »Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei« (1995) oder der »Wiking Jugend« (1994). Die angeklagten mutmaßlichen NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben und Carsten Schultz waren dagegen in der legalen NPD tätig. Auch das Verbot von »Blood & Honour«, zu dem der NSU engste Kontakte pflegte, erfolgte erst 2000, also zwei Jahre nach dem Abtauchen der späteren NSU-Mitglieder. Mit den Vereinsverboten der 1990er Jahre wurden relevante Organisationen zerschlagen, doch ihre Kader und Mitglieder machten die Erfahrung, dass sie zumeist problemlos unter neuem Namen oder in anderen Strukturen legal weiterarbeiten konnten. Die Biografien von Neonazi-Terroristen zeigen eher, dass sie zumeist jahrelang legale Strukturen durchliefen und sich dort radikalisierten.


Das Wahljahr 2014

Im Jahr 2014 stehen eine Reihe von Wahlen an, die für die NPD Erfolge bringen könnten. Seitdem für die Europawahl am 25. Mai die Sperrklausel auf 3% abgesenkt wurde, rechnet sich die Partei auch hier Chancen aus. Die Hoffnung auf Parlamentssitze hat seit langem köchelnde Konflikte in der Nazipartei zum Kochen gebracht. Der 2011 als Bundesvorsitzende geschasste Udo Voigt kündigte nun einen Kampf um die Spitzenkandidatur gegen den vom Vorstand vorgeschlagenen Udo Pastörs, Fraktionsvorsitzender der NPD in Meck­lenburg-Vorpommern, an. Voigt hatte nach der Übernahme des Parteivorsitzes 1996 aus der heruntergewirtschafteten Altherren-Partei eine aktionsfähige Partei gemacht, die sich durch eine enge Kooperation mit unterschiedlichen Strömungen der Szene zum Gravitationszentrum des Neonazismus entwickelte, kommunale Wahlerfolge erzielte und in die Landtage von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern einzog. In mehreren Ländern kratzte sie zudem bei Wahlen an der 5%-Hürde. Voigt kritisiert den Kurs und vor allem die Erfolglosigkeit seines Nachfolgers Holger Apfel immer lauter.

Außerdem stehen 2014 zahlreiche Kommunalwahlen an, unter anderem in Bayern, Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Dort wird es der NPD auch 2014 gelingen, wieder mit zahlreichen Mandaten in Kreistage und Stadträte einzuziehen und die Zahl der Sitze wahrscheinlich noch zu erhöhen.[15] Für die NPD gilt die Verankerung vor Ort als Basis weiterer Erfolge. Dass ihre Vertreter in den Parlamenten nicht immer durch großes Engagement und Sachkenntnis auffallen, schadete bisher nicht. Durch ihr Image als Protestpartei, ihre Präsenz auf den Straßen und mit oft professionell aufgemachtem Propagandamaterial gelingt es, an verbreitete rassistische und ordnungsliebende Ressentiments anzuknüpfen und als Interessenwahrerin der »kleinen Leute« zu erscheinen. Dort, wo die Neonazis tatsächlich in den Parlamenten mit Anfragen und Anträgen sowie auf der Straße mit kommunalen und sozialen Themen über Jahre Präsenz zeigen, fahren sie Ergebnisse von teils weit über 5% ein.[16]

Landtagswahlen stehen 2014 in Brandenburg, Thüringen und in Sachsen an. Beim Blick auf die Zweitstimmen der NPD bei der Bundestagswahl in den Ländern (Brandenburg 2,6%, Sachsen 3,3%, Thüringen 3,2%) scheint erst einmal keine Gefahr zu drohen. Doch auch NPD-Wähler machen ihr Kreuz strategisch, ein Einzug in den Bundestag war aussichtslos. Aber in einigen Bundesländern können sich potenzielle Rechtswähler begründete Hoffnungen auf einen Wahlerfolg machen. Vor allem die Wahl in Sachsen, dem Stammland der NPD, ist für die Partei wichtig, denn hier geht es um den dritten Wiedereinzug in das Parlament (2009: 5,6%). In Thüringen verpasste die Partei 2009 mit 4,3% nur knapp den Sprung über die 5%-Hürde. Eine Schwächung der Partei ist seitdem hier kaum feststellbar – der Einzug in den Erfurter Landtag ist somit nicht aussichtslos. In Brandenburg war 2009 die damals noch im Landtag vertretene DVU in Absprache mit der NPD angetreten und grandios aus dem Landtag geflogen (1,1%). Hier ist der Einzug der NPD im kommenden Jahr eher unwahrscheinlich.


Was brächte ein NPD-Verbot?

Eine belastbare Prognose, ob das erneute NPD-Verbotsverfahren Erfolg haben wird, kann derzeit niemand abgeben. Zwar soll das Verbotshindernis der V-Personen nun ausgeschlossen sein, doch der Bundesvorsitzende Holger Apfel gab sich zu Beginn des Prüf­vorgangs durch die IMK vor einem Jahr siegessicher: Erneut könnte das Verfahren scheitern, denn die Partei hätte »eigene Erkenntnisse über V-Leute« und wolle prüfen, ob sie sich erneut im Verbotsantrag wiederfinden.[17] Aber auch mit absurden Ideen versucht die NPD derzeit verzweifelt, am Verfahren zu rütteln. Der Prozessbevollmächtigte der NPD, der Saarbrücker Rechtsanwalt Peter Richter, sagte am 4. Dezember 2013: Sollte der Staat nicht »glaubhaft und eindeutig nachweisen«[18] können, dass weder er noch die NPD von dem US-Geheimdienst NSA oder anderen Diensten ausspioniert würden, sei kein rechtsstaatlicher Prozess möglich.

Mit einem Verbot der NPD wären weder das Problem des Neonazismus gelöst, noch der in der Mitte der Gesellschaft verbreitete Rassismus effektiv bekämpft. Aber ein Verbot träfe die seit Jahren wichtigste und mobilisierungsfähigste Kraft des deutschen Neonazismus. Um die Partei herum hat sich ein enges Geflecht aus militanten und oft gewalttätigen »Kameradschaften«, Vereinen, Geschäften, Treffpunkten und Medien gebildet, das von den Strukturen, dem Geld und den rechtlichen Privilegien der Partei – zum Beispiel bei Anmeldungen von Aufmärschen – profitiert. Durch ein Verbot würde für die Nazi-Szene auf absehbare Zeit eine der wichtigsten Finanzquellen wegfallen, die millionenschwere Parteienfinanzierung und die immensen Gelder für Landtagsabgeordnete, Mitarbeiter und politische Arbeit der Fraktionen. Die chronisch klamme Partei, deren finanzieller Kollaps bis heute ebenso regelmäßig prognostiziert wird und doch nie eintritt, wird durch den stetigen Tropf des Staates am Leben erhalten. 2011 stammte der größte Teil der Mittel (41,93%) für die NPD aus Steuergeldern,[19] mehr als 1,3 Millionen Euro überwies der Staat. Spenden (33,23%), Mitgliedsbeiträge (17,54%) oder Mandatsträgerbeiträge (2,56%) bleiben deutlich dahinter zurück. Geringe Beträge erhalten zudem Mandatsträger in den Kommunalparlamenten.

Das Verbot der NPD wäre ein richtiger Schritt im Kampf gegen Rechts – aber mehr nicht. Der unsichere Ausgang des Verfahrens sowie Bedenken aus demokratietheoretischer und radikaldemokratischer Perspektive[20] machen die vorbehaltlose Unterstützung schwer. Darüber hinaus überlagert die mantrahafte Wiederholung der Verbotsforderung oft die Diskussion über politische Forderungen und Praxen, die nicht vorrangig an Gerichte und den Staat appellieren, sondern den politischen Kampf gegen Neonazismus, Rassismus, Nationalismus und die antidemokratischen Geheimdienste selbst in die eigenen Hände nimmt. Administrative Maßnahmen, also das Handeln der Zuständigen, sind notwendig. Sie ersetzen aber nicht den alltäglichen Widerspruch gegen rassistische Parolen am Stammtisch, die Blockaden gegen »legale« Naziaufmärsche oder gegen neonazistische (Sub-)Kulturen, die in einigen Regionen Deutschlands mittlerweile tief verwurzelt sind. Dennoch ist ein Verbot der NPD notwendig. Es dürfte der Neonazi-Szene auf längere Zeit nicht gelingen, eine vergleichbar handlungsfähige, parteiförmige Struktur aufzubauen und zu etablieren.

Paul Wellsow ist Mitarbeiter der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag und schreibt u.a. für das antifaschistische Fachblatt »der rechte rand«.

[1] Bundesrat: NPD-Verbotsantrag in Karlsruhe eingereicht 3.12.2013, www.bundesrat.de/cln_330/nn_6898/DE/service/thema-aktuell/13/20131204-npd-verbot.html.
[2] Phoenix.de: Innenminister bewerten Chancen auf NPD als positiv, www.phoenix.de/innenminister_bewerten_chancen_auf_npd_verbot_optimistisch/782251.htm.
[3] Eine Auswertung einer geleakten Kurzfassung der »Materialsammlung« gibt es in gamma extra, Nr. 194/20013, gamma.noblogs.org/files/2013/03/gamma194-web.pdf.
[4] Bundesverfassungsgericht: Einstellung der NPD-Verbotsverfahren, Pressemitteilung, 18.3.2003.
[5] Bundesrat, a.a.O.
[6] Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages: Aktueller Begriff – Parteiverbote unter dem Grundgesetz und der EMRK, Nr. 02/2013.
[7] Björn Eberling: Scheitert das NPD-Verbot in Straßburg?, in: der rechte rand, Nr. 142/2013.
[8] Reinhard Müller: Reif, überreif, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.12.2013.
[9] Karsten Grabow/Florian Hartleb: Europa – Nein Danke? Studie zum Aufstieg rechts- und nationalpopulistischer Parteien in Europa, Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin/Berlin, 2013.
[10] Fabian Virchow: Verboten. Und erledigt...?, in: Lotta – antifaschistische Zeitung, Nr. 49 / 2012, S. 14ff.
[11] Bisher gibt es kaum belastbare Forschung zu Verboten neonazistischer Vereine- und Parteien, die erste umfassende Untersuchung erscheint demnächst: Fabian Virchow/Gideon Botsch/Christoph Kopke (Hrsg.): Verbote extrem rechter Parteien und Organisationen, Springer VS, Heidelberg, 2014.
[12] Fabian Virchow: Würde ein Verbot der NPD schaden?, in: Ders./Dornbusch, Christian: 88 Fragen und Antworten zur NPD, Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts., 2008.
[13] Thüringer Landtag: Vereinsverbote gegen Thüringer Rechtsextreme, Drucksache 5/5916, 22.3.2013; ders.: Erneut: Vereinsverbote gegen Thüringer Rechtsextreme – Teil 2, Kleine Anfrage 3508, 15.10.2013.
[14] Vgl. z.B. jüngst: FDP: Scheitert NPD-Verbot, werden die Rechten gestärkt, 3.12.2013, www.liberale.de/content/scheitert-npd-verbot-werden-die-rechten-gestaerkt.
[15] Zur bundesweiten Präsenz und Arbeit der NPD in Kommunalparlamenten fehlt – mit Ausnahme guter Lokalstudien – aktuelle und fundierte Forschung. 2009 saßen 609 Mandatsträger extrem rechter (Klein-)Parteien und Wählervereinigungen in Kommunalparlamenten, davon 199 der NPD, vgl. Jan Frederik Paulussen: Der Juni wird heiß..., in: der rechte rand, Nr. 118/2009. 2011 soll die NPD bereits 330 Mandate gehabt haben, vgl.: Drei Viertel der 330 NPD-Kommunalmandate im Osten, publikative.org, 23.2.2011.
[16] Zur kommunalen Verankerung und dem Agieren in Kommunalparlamenten vgl. u.a. Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen/Redaktionskollektiv »Nazis in den Parlamenten Thüringen« (Hrsg.): Nazis in Parlamenten. Eine Bestandsaufnahme und kritische Analyse aus Thüringen, Erfurt 2011.
[17] Deutschlandfunk, 15.12.2012.
[18] Rechtsstaatliches Verfahren muss gewährleistet werden, www.npd.de, 5.12.2013.
[19] Vgl. Deutscher Bundestag: Bekanntmachung von Rechenschaftsberichten politischer Parteien für das Kalenderjahr 2010 (2. Teil – Übrige anspruchsberechtigte Parteien), Drs. 17/12341, 22.2.2013.
[20] Beispielsweise Wolf-Dieter Narr: Weshalb ich als radikaler NPD-Gegner fast ebenso radikal gegen ein Verbot derselben votiere, in: Claus Leggewie/Horst Meier (Hrsg.): Verbot der NPD oder Mit Rechtsradikalen leben?, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2002; Claus Leggewie/Horst Meier: Nach dem Verfassungsschutz. Plädoyer für eine neue Sicherheitsarchitektur der Berliner Republik, Archiv der Jugendkulturen, Berlin 2012.

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