1. Juli 2008 Armando Fernández Steinko

Spanien und seine Linke am Ende eines Zyklus

2008 markiert das Ende eines fast fünfzehnjährigen wirtschaftlichen Wachstums- und Prosperitätszyklus in Spanien. Der Ausgang der Parlamentswahlen im März 2008 für die beiden großen Volksparteien, PSOE und PP, scheint allerdings eher auf Kontinuität hinzudeuten: Die PSOE hat auf Kosten der nationalistischen Parteien und von Izquierda Unida ihre relative Mehrheit behauptet, die konservative Partido Popular hat zwar mehrere hunderttausend Stimmen hinzu gewonnen, bleibt aber nur die zweitstärkste Fraktion im Parlament und sieht langsam ein, dass sie mit ihrem "zivilen Putschismus" nicht mehrheitsfähig ist.

Bei der Linken hat sich einiges geändert, was aber nicht auf wirtschaftliche, sondern eher auf interne und politische Faktoren zurückzuführen ist. Zwar war der Wahlausgang für sie nicht so katastrophal wie in Italien, aber Izquierda Unida hat die schlechtesten Ergebnisse seit ihrer Gründung eingefahren und ist beinahe aus dem Parlament verschwunden, was zum sofortigen Rücktritt ihres Generalsekretärs, Gaspar Llamazares, geführt hat. Die nationalistischen Optionen, sowohl die "bürgerlichen" als auch die "linken", haben ebenfalls dramatische Stimmeinbußen erlitten.

Die sozialistische Regierung hat Glück gehabt. Das Platzen der spanischen Immobilienblase setzte erst wenige Wochen nach den Wahlen richtig ein und die Niederlage hat im Partido Popular ernste Richtungskämpfe ausgelöst. Gleichwohl deutet alles darauf hin, dass wir in Spanien am Ende eines politischen und wirtschaftlichen Zyklus angelangt sind. Das spanische Wachstumsmodell steht paradigmatisch für einen Kapitalismustyp, der auf dem Rücken der Finanzialisierung der Weltökonomie geritten ist, und sein Zusammenbruch erfolgt so schnell und dramatisch wie sein Aufstieg. Eher früher als später wird die Wirtschaftskrise neue politische Konstellationen hervorbringen, aber der Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Politik – auch linker Politik – ist komplexer und überraschender als angenommen.

Der gegenwärtige politische und auch ökonomische Zyklus begann Mitte der 1990er Jahre mit der politischen und symbolischen Erosion der politischen Vorherrschaft der PSOE und dem freien Fall des Wechselkurses der Pesete 1992/93. Dieser Fall, der der Überbewertung der nationalen Währung und dem "finanzkapitalistischen Wohlfahrtsstaat"[1] der 1980er Jahre ein Ende bereitete, bewirkte einen großen politischen Umschwung im Lande. Ähnlich wie das linke französische Experiment Anfang der 1980er Jahre war jener eigentümliche spanische Wohlfahrtsstaat in einer deregulierten internationalen Ordnung nicht so ohne weiteres zu halten.

Die materielle Basis des hegemonialen Projektes der Partido Popular war die Radikalisierung der schon von der PSOE eingeleiteten Finanzialisierung der spanischen Wirtschaft durch die konsequente Umsetzung neoliberaler Maßnahmen: Privatisierung öffentlicher Güter, Deregulierung von Telekommunikation und Finanzen, um die "neue Ökonomie" zu stimulieren. Den ideologischen Kern des Projekts der Aznar-Regierungen bildete eine Mischung aus Einflüssen aus den amerikanischen Neocons und spanischen technokratisch-ultrakatholischen Kreisen, die, teilweise in der internationalen Sekte Opus Dei organisiert, seit Francos Zeiten einen Teil der spanischen Eliten ausmachen und sich immer recht gut mit den US-Republikanern verstanden haben. Diese Konstellation konnte aber nicht, wie das "Wall Street-Modell" (Bluestone/Harrison), einfach auf dem Anstieg der Konsumausgaben durch steigende Aktienkurse beruhen.[2] Da nur die oberen Haushalte im Besitz einer nennenswerten Anzahl von Aktien sind und die Investmentfonds in Spanien eine viel kleinere Rolle spielen als in den USA oder Großbritannien, konnte die Finanzialisierung der spanischen Wirtschaft nicht nur von der Börse getragen werden.

Für Spanien viel entscheidender war der sozial sehr breit gestreute (fast 90% der Haushalte) Besitz von – zum großen Teil schon vollständig bezahlten – Immobilien einschließlich der Zweitwohnungen an der Küste, die durch eine anhaltende Nachfrage von Touristen und RentnerInnen aus der EU immer neue Wertsteigerungen erfahren haben. Der Anstieg der Immobilienpreise, der zumindest in den Anfangsjahren zum größten Teil durch internationale private und institutionelle Investoren verursacht wurde, wirkte in diesem Kontext wie eine wundersame, von der Arbeit vorgeblich unabhängige und auf Verschuldung beruhende Kapitalisierung auch vieler Haushalte mit niedrigem Einkommen: Statt mit einem "Börsenkeynesianismus" (wenn man das ungerechterweise so nennen kann, denn Keynes ist viel mehr als nur ein Nachfragetheoretiker), haben wir es in Spanien mit einem "Immobilienkeynesianismus" zu tun gehabt, der zwar zu massiven Umweltschäden geführt, vom billigen Erdöl gezehrt hat und vom Gebrauch des privaten Autos abhängig war, aber auf tatsächlich existierendem, breit gestreutem Eigentum und nicht auf fiktivem Kapital beruhte.

Die Investitionen der spanischen Familien in Immobilien haben eine längere Vorgeschichte. Francos Technokraten hatten schon früh erkannt, dass eine eigene Wohnung Eigentümermentalitäten produziert, Familien konservativer macht, die sozialen Ausgaben reduziert und für die Banken profitabel ist. In den 1980er Jahren, als Spanien mit der höchsten Arbeitslosigkeit in der OECD und dem höchsten Prozentsatz von befristeten Arbeitsverhältnissen in Europa fertig werden musste, hatte der Immobilienbesitz für die spanischen Haushalte die Funktion, sich vor den immer weiter deregulierten Arbeits-, Waren- und Immobilienmärkten zu schützen.

Die Familien konnten sich verschulden und konsumieren. Spanien wurde das Land mit dem größten Handelsdefizit und der niedrigsten Geburtenrate auf der ganzen Welt. Audis und BMWs überfluteten die Landschaft des spanischen Immobilienkapitalismus, vor allem die ehemals ländlichen Regionen mit großen landschaftlichen Ressourcen. Sogar die demografisch schnell schrumpfende Jugend (dazu zählt in Spanien die Generation zwischen 18 und 34 Jahren) konnte Immobiliensparbücher eröffnen, weil sie noch bei den Eltern wohnte und so einen Teil ihrer spärlichen Einkommen als steuerfreie langfristige Immobilieninvestition anlegen konnte. Ein großer Teil der – nicht nur – städtischen Jugendlichen immatrikulierte sich in einer neu gegründeten öffentlichen Universität, wo sie sich ziemlich langweilten, weil ihre Berufsperspektiven ihren akademischen Bemühungen nicht entsprachen. In Madrid und Barcelona boomte das private Universitätswesen dank junger Kunden aus den Mittelschichten, aber teilweise auch aus den Reihen eines neuen, kleinen Unternehmertums, das sich, aus dem Proletariat kommend, auf der Woge der Immobilienblase emporgearbeitet und eine bescheidene Akkumulation durch den teuren Verkauf von Familienbesitz zuwege gebracht hatte.

Dennoch entwickelten sich die Familien nicht zu braven und konservativen Nestern, wie von den Politikern der Partido Popular erwartet, aber auch nicht zu Horten des Widerstands, wie von der Linken erhofft. Es entstand eher ein horizontaler, toleranter und hedonistischer Familien"kommunismus", der sich unerwartet gegen Aznar, vor allem gegen seine Kriegspläne im Irak, stellte und schließlich Zapatero in den Regierungspalast katapultierte. Es war und ist keine allzu politisierte Generation. Ihr sozialer Hintergrund ist der Immobilienkapitalismus und ihre spontane Distanz zu den alten sozialen Fragen ist nicht zufällig (in den US-Vorwahlen artikuliert sich eine ähnliche Distanz zur traditionellen sozialen Frage unter den jungen UnterstützerInnen von Obama). Aber die starke, symbolische Ausstrahlungskraft, die sie in den Großstädten entfaltete, setzte der Ära Aznar ein Ende.

Nach Zapateros erstem Wahlsieg 2004 änderten sich dann die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Der starke Euro hatte die schwache Pesete ersetzt, die jährlichen Steigerungsraten der Immobilienpreise schwächten sich zwar seit 2004 ein wenig ab, lagen aber immer noch bei über 10%. Spanien verbrauchte mit seinen 40 Mio. EinwohnerInnen jährlich mehr Zement (140 Mio. Tonnen) als Frankreich und Deutschland zusammen. Boomende Automärkte und ein rasanter Schnellstraßenbau ließen die Kyoto-Kompromisse schnell in Vergessenheit geraten.

Dank der niedrigen Zinsen drehte sich das Rad immer weiter. Eine perverse Allianz aus spanischen Konsumenten und europäischen Exporteuren, die die Löhne in ihren Ländern drückten, um billiger exportieren zu können, schien die ökonomischen und politischen Zyklen nördlich und südlich der Pyrenäen zu entsynchronisieren: Während nördlich der Pyrenäen die Löhne sanken, boomte in Spanien der schuldenfinanzierte Konsum ausländischer Produkte und Spanien verwandelte sich in das Land mit dem höchsten Handelsbilanzdefizit, wovon vor allem Deutschland profitierte. Es mussten nur die Inflation und die Zinssätze in der Eurozone stimmen. Spanische Mitte-Rechts- wie Mitte-Links-Politiker erhielten wichtige Posten in der internationalen Wirtschaft (Rodrigo Rato aus der PP z.B. wurde Managing Director des Internationalen Währungsfonds und Joaquín Almunia aus der PSOE EU-Wirtschafts- und Währungskommissar). Dies war kein Zufall, galt Spanien doch als Musterbeispiel für eine Finanzialisierung der Wirtschaft, die den Haushaltsausgleich nicht gefährdet und zugleich breite Bevölkerungsteile einbindet.

Die explosionsartige Nachfrage des Bausektors nach billiger Arbeitskraft, aber auch die der mittleren Haushalte nach Hausbediensteten, um die Integration der qualifizierten Frauen in den Arbeitsmarkt möglich zu machen, der einherging mit dem sozialen Abstieg qualifizierter Arbeitskräfte aus Lateinamerika, führten in kürzester Zeit zu einem Anstieg der Zahl der MigrantInnen auf vier Millionen. Zapateros Legalisierung einer halben Million illegaler EinwandererInnen, die von der europäischen Rechten ziemlich scharf angegriffen wurde, führte zu einem sprunghaften Anstieg der staatlichen Einnahmen und schaffte den Schein eines "humanen" Kapitalismus. Teile der europäischen Linken sahen in Zapatero eine moralische Referenzfigur, so z.B. die italienische Regisseurin Sabina Guzzanti in ihrem Film "Viva Zapatero!"!

Die spanische Zentralbank wies zwar schon seit längerer Zeit auf die Gefahren für die spanische Wirtschaft hin, aber bis vor kurzem weigerte sich die Regierung vor dem Hintergrund von jährlichen Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts von fast 4% und einer sogar sinkenden Arbeitslosigkeit, diese Warnungen ernst zu nehmen. Dies hat sich nun schlagartig geändert.

Spanien in Not

Dass Spanien unter einer Krise am Bau- und Immobilienmarkt leidet, lässt sich schon seit längerem nicht mehr übersehen. Die große Frage ist, ob Spanien auf diesem Markt eine weiche Landung oder einen harten Abschwung erlebt. Die jüngsten Zahlen sprechen gegen die hoffnungsvolle Version: Im ersten Quartal 2008 nahm der Baubeginn von Wohnungen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 60% ab, das Volumen der neu ausgereichten Immobilienkredite sank um 40%.

Gleichzeitig schränken die SpanierInnen auch ihren privaten Konsum immer mehr ein. Im ersten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorquartal nur um 0,3%. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) erwartet inzwischen, dass die spanische Wirtschaft 2008 um 1,6% und im kommenden Jahr sogar nur noch um 1,1% wächst.

Für Spanien könnte dies eine Zeitenwende bedeuten: Immerhin lag das Wirtschaftswachstum in den vergangenen zwölf Jahren durchschnittlich bei 3,8%, während die EU im Durchschnitt auf 2,2% kam. Verschärft werden die spanischen Schwierigkeiten durch die Inflation. Sie liegt seit jeher um etwa ein Prozentpunkt höher als der EU-Durchschnitt. Kommt es zu weiteren Zinserhöhungen, droht der Konjunktur ein zusätzlicher Dämpfer, weil die spanischen Haushalte durch Kredite mit überwiegend flexiblen Zinsen für Immobilien und den Konsum äußerst stark verschuldet sind.

Dass sich die Lage verschärft, zeigen auch die zunehmenden Verteilungskämpfe wie zuletzt der Streik der Transporteure, deren Straßensperren nicht nur das öffentliche Leben beeinträchtigten, sondern auch zahlreiche Fabriken wegen des Mangels an Güternachschub vorübergehend stilllegten. Die entscheidende Frage für Spanien und die gesamte EU bleibt jetzt, ob es sich nur um eine vorübergehende Schwäche handelt. Die spanische Regierung wiederholt gebetsmühlenartig, dass der nächste Aufschwung spätestens 2009 komme.

Die spanische Immobilienkrise ist nicht vom Finanzsektor ausgegangen, sondern ist das Produkt eines Überangebotes an Immobilien und der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank. Im Endeffekt ist sie ein Opfer der internationalen Energiekrise und der darauf fußenden Inflation. Sie hat die Arbeitslosigkeit im Bausektor schnell in die Höhe getrieben, was überproportional die MigrantInnen getroffen hat. Viele private Investitionen in Immobilien sind durch den schnellen Preisverfall gefährdet, aber bis jetzt hat der Familien"kommunismus" funktioniert: Viele Haushalte müssen ihre Immobilien (noch) nicht verkaufen, die Familiennetzwerke strecken die Schulden, die Preise der Immobilien nehmen ab, aber (noch) relativ langsam und die Regierung unternimmt alles Mögliche, um den Banken dabei zu helfen, die Dauer der Hypotheken zu verlängern. Die eher kleinen Vermögen ausländischer Arbeiter, die eine Wohnung kaufen wollten, aber nicht über die gleichen Netzwerke verfügen, sind in viel größerer Gefahr.

Dennoch: Das Gefühl der wirtschaftlichen Talfahrt ist allgemein verbreitet, und die Regierung ist selber über das Ausmaß der Krise überrascht, teilweise sogar blockiert. Das Platzen der Blase hat aber zunächst nicht zu einer Erosion der Regierung geführt. Ganz im Gegenteil. Die harten Richtungskämpfe in der Partido Popular zwischen neoliberalen Hardlinern und Zentristen, die sich antiautoritär geben wollen, weniger nationalistische Positionen einnehmen und nicht so orthodox neoliberal sind, haben etliche zentristische WählerInnen abgeschreckt, die heute Zapatero vorziehen. Die harten neoliberal-ultrakonservativen Kreise in der Partido Popular sind zwar immer noch relativ stark, aber ihre Hegemoniefähigkeit beruhte auf eine Wachstumskonstellation, die jetzt zu Ende geht und ihre ultraliberalen Formeln kommen in Krisenzeiten sogar bei Unternehmern schlecht an.

Was macht die Linke?

Der Fall von Izquierda Unida hat objektiv-strukturelle, aber vor allem selbstverursachte Gründe. Die jetzt ausgelaufene Wachstumskonstellation hat die politische Artikulation der sozialen Frage erschwert und viele Stimmen aus den traditionellen Arbeitermilieus sind nach rechts abgewandert. Viele Lohnabhängige sind als Selbständige auf der Woge des Immobilienbooms geritten und haben ihr kulturelles Selbstverständnis verändert. Viele bringen ihre Kinder jetzt in Privatschulen, haben sich ein Einfamilienhaus in einem anderen Viertel gekauft und so die Erwartungen der Strategen des Partido Popular durchaus erfüllt. Immerhin bezeichnet sich die Partido Popular mit 700.000 Mitgliedern, die sich zum Teil aus dem alten Proletariat rekrutieren, heute als die größte Partei Europas.

Izquierda Unida hat sich demgegenüber in den letzten Jahren immer mehr zu einer Partei von städtischen Professionellen entwickelt. Dies ging einher mit dem Versuch, politisch-programmatisch die soziale Frage durch Fragen der Umwelt und der nationalen Identität zu ersetzten, sodass einige ihrer Europaparlamentarier sich in die Gruppe der europäischen Grünen und nicht in die der "Vereinigten Linken" integriert haben. Die IU-Führung um Llamazares startete einen Feldzug gegen die kommunistische Partei (PCE), die recht defensiv und ideenarm reagierte, was zu einer allgemeinen Desillusionierung führte.

Vor vier Jahren war die Situation bereits mehr als reif, um einen geordneten Neugründungsprozess zu starten, denn schon damals verfügte Llamazares über keine Mehrheit im Consejo Político Federal. In einem Land mit einer so hohen chronischen Arbeitslosigkeit wollen (und können) politische Kader allerdings nicht so einfach ihre Arbeit verlieren, und Llamazares schaffte es immer wieder, ad hoc Koalitionen mit verschiedenen lokalen Baronen der Organisation zu bilden, um seine wackelige Mehrheit zu behaupten und die strategischen Hauptaufgaben nicht anpacken zu müssen.

Hinzu kommt ein ganz wesentlicher Aspekt: Die Unfähigkeit der staatlichen Linken, die Antikriegsproteste zu bündeln und organisatorisch zu stabilisieren, hat zu einer Stärkung der linksnationalistischen Optionen geführt, die, vor allem in Katalonien, die Stimmen der Jugend aus den Mittelklassen angezogen haben. Anstatt auf einen solidarischen, staatlichen Diskurs zu setzen, hat Izquierda Unida hier peripher-nationalistischere Positionen eingenommen, mit dem Kalkül, dadurch eine Schwächung des zentralen Nationalismus zu bewirken und eine lose, bunte und konföderale Linke aufzubauen.

Das war eine Fehlkalkulation: Der zentrale Nationalismus hat nicht weniger, sondern mehr Stimmen bekommen, und der Sieg von Zapatero in März 2008 ist vor allem auf seine Fähigkeit zurückzuführen, sich über die nationalistischen Pendelbewegungen zu stellen, was alle peripheren nationalistischen Optionen, sowohl die "bürgerlichen" als auch die "linken", sehr geschwächt hat.

Inzwischen gibt es eine klare Mehrheit für eine Neugründung von Izquierda Unida. Die Bedingungen sind jetzt schwieriger als vor vier Jahren, aber der politische Wille zu einem Neuanfang ist da. Die große strategische Frage ist: Soll Izquierda Unida so etwas wie eine Föderation von linken Parteien, Gruppierungen und Individuen sein oder soll sie eine kompakte Organisation bilden? Soll sie eher eine Partei sein oder eher viele Parteien und auch soziale Bewegungen bündeln? Diese Frage wird nicht immer klar gestellt, aber sie ist entscheidend, weil sie über die Funktion der PCE innerhalb der Spanischen Linken entscheidet. Wenn Izquierda Unida (unter diesem oder einem anderen Namen) keine Föderation von verschiedenen linken Gruppen ist, sondern eine neue Partei, dann hat sie eigentlich keinen Platz. Da die meisten Mitglieder von Izquierda Unida auch in der PCE sind, hieße dies nämlich praktisch, die PCE zu stärken und Izquierda Unida in eine Art Wahlpattform der kommunistischen Partei zu verwandeln. Das ist das, was heute viele (vor allem) alte Kader der PCE wollen.

Die andere Option würde sich eher der real existierenden Pluralität der spanischen Linken anpassen, die, ähnlich wie in Frankreich, nicht bereit ist, die exklusive Führungsrolle der PCE zu akzeptieren. Diese Option würde der PCE nicht unbedingt schaden, ihr aber ein anderes Selbstverständnis geben. Sie müsste sich ideologisch deutlicher definieren und, zum Beispiel, klarere sozialistische Positionen einnehmen, die sie dann in die Föderation linker Gruppierungen als "sozialistischer Pol" einbringen könnte. Das würde das Zusammenkommen verschiedener linker, radikaldemokratischer Gruppen und "wirklicher" Sozialdemokraten sowie Unorganisierter erleichtern und sie in Dialog miteinander bringen. Izquierda Unida hätte damit einen pluraleren Rahmen und würde auch offener und durchsichtiger handeln, wäre also nicht länger dem Verdacht ausgesetzt, verlängerter Arm einer PCE zu sein, die sich immer noch als die wahre und einzige Repräsentantin der spanischen Linken verstehen würde.

Die plural-föderative Formel für die Izquierda Unida steht ihrer Gründungsidee viel näher und kann auch auf die besten Wahlergebnisse zu Julio Anguitas Zeiten verweisen. Anguita hat auch nach seinem Rücktritt aus Gesundheitsgründen vor acht Jahren immer noch eine große charismatische Ausstrahlung. Er vertritt und verteidigt die plural-föderative Option und seine Auftritte wecken Enthusiasmus und Hoffnungen. Dennoch hängt die Weichenstellung in Richtung einer pluralistischen Konföderation nicht von seinem Charisma ab, sondern von der Fähigkeit der spanischen Linken, den neuen wirtschaftlichen und politischen Zyklus innovativ zu gestalten.

Armando Fernández Steinko lehrt Soziologie mit dem Schwerpunkt "industrielle Beziehungen" an der Universidad Complutense de Madrid (Spanien).

[1] Siehe Fernández Steinko, A., Kapitalismus und Neoliberalismus in Spanien, in: Bischoff et al.: Klassen und soziale Bewegungen, Hamburg 2003
[2] Siehe Bluestone, B./Harrison, B., Geteilter Wohlstand, Frankfurt/New York 2002

Zurück