25. April 2014 Alexis J. Passadakis

TTIP – Nordatlantische Integration vs. Demokratie

Im Juni 2013 fiel der Startschuss für die Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP), die potenziell größte Freihandelszone der Welt.

Unter der Federführung der EU-Kommission streben die Regierungen der Mitgliedstaaten nach einem großen Liberalisierungs- und Deregulierungssprung zugunsten der Konzerne auf beiden Seiten des Nordatlantiks. Allerdings lassen Proteste nicht auf sich warten, und so ist ein zügiger Abschluss des Abkommens mit den USA alles andere als sicher, auch wenn die Chance, es zu stoppen, weiterhin klein ist.

»Die Vertretung der Amerikanischen Handelskammer bei der Europäischen Union freut sich, Sie zu Ehren der vierten TTIP-Verhandlungsrunde von 18 bis 20 Uhr zu einer Cocktail-Party einladen zu dürfen. Das EU- und das US-Verhandlungsteam werden sich uns an diesem Abend anschließen.« Mit diesen Worten leitete die US-Handelskammer (American Chamber of Commerce – AmCham) ihre exklusive Gästeliste für den frühen Abend des 12. März 2014 ein – exakt in der Mitte der einwöchigen TTIP-Verhandlungsphase in Brüssel. Gleichzeitig liefert sie ein Who-is-who und zudem ein Stimmungsbild der zentralen Lobbyakteure im Umfeld der Gespräche über das nordatlantische Wirtschaftsabkommen: AmCham, BusinessEurope, der Transatlantic Business Council, das European Services Forum, das Transatlantic Policy Network und andere Unternehmensverbände und Denkfabriken sind in Feierlaune, seit die Schaffung einer Freihandelszone mit ca. 800 Mio. EinwohnerInnen auf die diplomatische Tagesordnung gesetzt wurde. Und am besten feiert es sich bei einem »Networking Cocktail« mit den Beamten aus der Abteilung des EU-Handelskommissars Karel De Gucht und des US-Handelsministers Michael Froman – unter Ausschluss der Öffentlichkeit, genauso wie die Verhandlungen selbst.

Zumindest in der Bundesrepublik sind inzwischen trotz Geheimhaltung zumindest einige der Verhandlungsgegenstände für einen großen Teil der Öffentlichkeit kein völliges Rätsel mehr, seit in einem großen Teil der Printmedien und diversen Magazinen und Kabarett- und Satire-Sendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens das nordatlantische Wirtschaftsabkommen zum Thema gemacht wurde. Außerdem formierte sich bereits kurz nach Verhandlungsbeginn ein breites Bündnis namens »UnFairHandelbar« (www.ttip-unfairhandelbar.de). Attac, Umweltverbände, entwicklungspolitische Organisationen und Anti-Fracking-Gruppen tragen ihren Teil dazu bei, dass Gefahren für den Verbraucherschutz und Investitionsschutzregeln, wie das Investor-Staat-Schiedsverfahren, skandalisiert werden. Allein lokale Attac-Gruppen haben in den vergangenen Monaten etwa 80 kritische Veranstaltungen angeboten. Bis auf Österreich ist die öffentliche Debatte über TTIP in den anderen 27 EU-Mitgliedstaaten allerdings nicht mit der in Deutschland vergleichbar. Angesichts dessen und weil die EU-Handelspolitik gegenüber demokratischer Einflussnahme weitgehend abgeschottet ist, sind die Unternehmensverbände und die Verhandelnden zuversichtlich, dass ein umfassendes EU-USA-Wirtschaftsabkommen in greifbarer Nähe ist.


Umfassendes Wirtschafts- statt Handelsabkommen

Auch wenn das TTIP-Projekt dem Namen nach und in der öffentlichen Debatte als Freihandelsabkommen firmiert, soll das Abkommen weit über die Bereiche hinausgehen, die landläufig unter Handelsregeln verstanden werden – nämlich Zölle und Quoten von Gütern. Faktisch sind die Zölle zwischen der EU und den USA bereits sehr niedrig und liegen durchschnittlich im unteren einstelligen Bereich (3,5% für die USA; 5,2% für die EU). Dennoch gibt es bei einigen Gütern Spitzenzölle, wie beispielsweise bei LKW, welche einen erheblichen Lenkungseffekt haben. Ein erklärtes Ziel ist es deshalb, die Zölle bis auf 0% abzusenken.

Die meisten der etwa 20 Verhandlungskapitel beschäftigen sich jedoch mit aller Art von Regulierung, die nicht an, sondern hinter der Grenze anfällt: Investitionsschutz, öffentliches Beschaffungswesen, Beihilfen und Subventionen, Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Zulassungsverfahren bei Chemikalien und Medikamenten, Datenschutz, Patent- und Markenrechte etc. Für einen derart umfassenden Katalog wurde im Übrigen bei den inzwischen fast abgeschlossenen Verhandlungen mit Kanada über einen in vielen Punkten gleichartigen Vertrag eine treffendere Bezeichnung gewählt, nämlich »Umfassendes Wirtschaftsabkommen«: CETA – Comprehensive Economic and Trade Agreement lautet der Name. Dieser Typus von Verträgen entspringt also der Sphäre internationaler Handelsdiplomatie, aber es ist gerade seine Eindringtiefe bis auf die kommunale Ebene z.B. bei Ausschreibungen oder bis in die technischen Details der Zulassung von Chemikalien am Arbeitsplatz oder in Produkten, die seinen Charakter ausmachen.

Die Hauptstoßrichtung der Verhandlungen zielt dementsprechend auf den Abbau so genannter »nichttarifärer Handelshemmnisse«, d.h. jeglicher Art von Regulierung, die Profitinteressen von Unternehmen im Wege stehen könnte. Und das ist aus der Sicht der Konzerne und ihrer Verbände ein lohnendes Unterfangen. Schließlich stehen die EU und USA gemeinsam für 45% der Weltwirtschaftsleistung. Bereits heute sind die beiden Räume hochintegriert. 2011 gingen 17% der EU-Exporte in die USA und 19% der US-Exporte in die EU. Prägend sind insbesondere die Auslandsdirektinvestitionen. US-Konzerne halten Investitionen von 2,3 Billionen US-Dollar in der EU und Unternehmen aus der Europäischen Union halten einen Bestand von 1,8 Billionen Dollar in den USA. In der EU befindet sich die Hälfte aller Auslandsdirektinvestitionen der Vereinigten Staaten, und aus der EU stammen 60% aller Auslandsdirektinvestitionen in den USA. Diese Bestände sind gerade in den letzten Jahren noch einmal stark angewachsen. Zwischen 2004 und 2011 stiegen die Investitionen von EU-Unternehmen in den USA um 95% und von US-Unternehmen in die EU-Staaten um 75%. Groß­britannien, Frankreich, Deutschland und die Niederlande sind dabei die zentralen Ursprungs- und Empfängerländer der nordatlantischen Investitionsverflechtung. Der Transatlantic Business Council und AmCham betonen, dass weniger der Handel als vielmehr die gegenseitigen Direktinvestitionen »das wahre Rückgrat der transatlantischen Ökonomie sind«. Die Bedeutung von TTIP im Gegensatz zu anderen bereits abgeschlossenen »Freihandelsverträgen« wie EU-Singapur oder EU-Süd-Korea erklärt sich nicht ausschließlich, aber doch entscheidend aus diesem bisher nicht erreichten Volumen wirtschaftlicher Interaktion, welches in Zukunft neu verregelt werden soll.


Eine privatisierte Paralleljustiz für Konzerne

Das enorme wechselseitige Investitionsvolumen ist letztlich ein wichtiger Grund dafür, warum das Kapitel zu Investitionsschutz im TTIP derart in der öffentlichen Kritik steht. Denn das Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren (Investor-to-State Dispute Settlement – ISDS) stünde angesichts des enormen Investitionsvolumens vor einem großen Aufschwung. Mit Hilfe dieses Verfahrens, welches bereits in zahlreichen Abkommen verankert ist, werden ausländische Investoren vor einem breiten Spektrum staatlicher Regelungen, die ihre Gewinne schmälern könnten, geschützt. Denn die meisten Investitionsschutzabkommen räumen Unternehmen die Möglichkeit ein, den nationalen Rechtsweg ihrer Gastländer zu umgehen und diese vor internationalen Schiedstribunalen auf Entschädigungen zu verklagen.

Die ausländischen Investoren sind somit gegenüber inländischen Unternehmen, die nur die nationale Gerichtsbarkeit nutzen können, in einer äußerst privilegierten Position – das Investor-Staat-Verfahren eröffnet ihnen den Zugang zu einer Paralleljustiz. Die Konzerne steigen zu völkerrechtlichen Subjekten auf, die auf Augenhöhe oder sogar mit zusätzlichen Rechten ausgestattet ihre »Konzern-Souveränität« verteidigen können. Mehr Rechte als Staaten oder andere öffentliche Körperschaften erlangen sie durch diese Form von Sonderjustiz dadurch, dass sie die einzige Partei sind, die in diesem System eine Klage anstrengen können. Deshalb können Staaten auch niemals ein Schiedsverfahren gewinnen, sie können nur nicht verlieren, wenn ein klagender Konzern keine Entschädigung zugesprochen bekommt. Den Konzernen kommt weiterhin zugute, dass Investitionsschutzverträge vor schwammigen Formeln nur so wimmeln. Die Formel »fair and equitable treatment« – faire und gerechte Behandlung – spielt in vielen Investitionsstreitigkeiten eine wichtige Rolle.

Kein Wunder, dass es so möglich ist, dass ein US-Unternehmen wie Phillip Morris gegen Uruguay und Australien klagt, die abschreckende Warnhinweise auf Zigarettenschachteln verpflichtend machen möchten. Oder dass der schwedische Energiekonzern Vattenfall mittels des Energiecharta-Vertrags von 1998 gegen den deutschen Atomausstieg vorgeht und auf 3,7 Mrd. Entschädigung aus dem Steuersäckel pocht. Kein Wunder, dass Xavier Carim, ein südafrikanischer Handelsdiplomat, zu dem Schluss kommt: »Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren […] sind eine direkte Herausforderung verfassungsmäßiger und demokratischer Gesetzgebung«:[1] Entschädigung kassieren, existierende Gesetze und Regeln verändern oder abschaffen und neue Gesetze und Regeln abschrecken (»hill effect«) – das ist das dreifache Ziel von ISDS. Zudem haben diese Verfahren nicht die geringste Ähnlichkeit mit ordentlichen Gerichten. Faktisch handelt es sich um eine Privatisierung von Justiz: drei Schiedsrichter, hochbezahlte international tätige Fachanwälte transnationaler Anwaltskanzleien, werden bestellt, die anschließend hinter verschlossenen Türen oftmals in irgendwelchen Hotels tagen.[2] Viele der Schiedsrichter wirken oft an mehreren Fällen gleichzeitig mit, dies auch in verschiedenen Rollen: mal als Schiedsrichter, mal als Rechtsvertreter einer Partei – ein Rollenkonflikt, der bei Richtern an ordentlichen Gerichten nicht existiert. Außerdem haben alle Beteiligten ein großes Interesse daran, dass die Konzerne nicht mit leeren Händen aus den Verfahren herausgehen. Denn nur, wenn es viele Klage-freudige Konzerne gibt, klingen die Münzen im Portemonnaie der privaten Anwälte.

Aufgrund der heftigen Kritik an dem Verfahren sah sich die EU-Kommission inzwischen gezwungen, die Gespräche im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament über das ISDS vorerst auszusetzen und eine öffentliche Online-Konsultation bis Ende Juni zu starten. Ein tatsächliches Abrücken von diesem Verfahren lässt sich aber bisher nicht erkennen.


Der Nordatlantische Regulierungsrat

Auch wenn das Streitschlichtungsverfahren einer der größten Skandale der TTIP ist, der eigentliche Kern des Abkommens ist die Regulatorische Kooperation oder der so genannte Regulatorische Kooperationsrat (Regulatory Cooperation Council). Folgerichtig erklärte der EU-Chefunterhändler Ignacio Garcia Becerro vor EU-Parlamentsabgeordneten am 19. Februar 2014: »Der Regulierungscluster ist DER Mehrwert des TTIP.« Das geplante Abkommen wird für viele Sektoren keine konkreten detaillierten Regelungen beinhalten, sondern Verfahren festlegen, wie künftig auf nordatlantischer Ebene mit Regulierung umgegangen wird. Auf Grundlage eines an die Öffentlichkeit gesickerten Positionspapiers der EU-Kommission, welches wiederum auf einer Vorlage von BusinessEurope, dem Verband der europäischen Unternehmensverbände, und AmCham beruht, lassen sich erste Konturen des nordatlantischen Regulierungsrates erkennen. Dieses permanente Gremium soll sich aus Vertretern europäischer und US-amerikanischer Regulierungsbehörden zusammensetzen. Er soll sich mit »jeder geplanten und existierenden regulatorischen Maßnahme« beschäftigen und zwar auch in Bezug auf die US-Bundesstaaten und die EU-Mitgliedstaaten. Als wesentliche Elemente seiner Arbeitsweise sind u.a. angedacht:

  • die Beobachtung »jeglicher regulatorischer und legislativer Initiative mit möglichen Auswirkungen auf Handel schon im Planungsstadium«;
  • die Anwendung des Prinzips der »Harmonisierung und gegenseitigen Anerkennung« als Instrumente des Regulatorischen Kooperationsrates;
  • »Kosten-Nutzen-Analysen« und die Analyse jeglicher Regulierung in Bezug auf ihre »Auswirkung auf Handel«;
  • das Recht von »Interessenvertretern, substantielle Eingaben« zu machen.

Mithilfe dieser Elemente soll der Regulierungsrat seine Aufsicht wahrnehmen über:

  • US-Bundesgesetzgebung, die von Kongress-Mitgliedern vorgeschlagen wird;
  • Gesetzgebung auf Ebene der US-Bundesstaaten, die in den entsprechenden Parlamenten vorgeschlagen wird;
  • Regulierungen, die von Bundesbehörden, unabhängigen US-Behörden und Behörden der Bundesstaaten vorgeschlagen werden;
  • EU-Primärrecht;
  • Durchführungsbestimmungen auf EU-Ebene und
  • Gesetzgebung der Mitgliedstaaten inklusive entsprechender Durchführungsbestimmungen.

Ziel ist es, eine Top-down-Institution zu schaffen, die Unternehmen frühzeitige Interventionsmöglichkeiten in Regulierungsprozesse geben soll, die über Instrumente verfügt, diese Prozesse zu verschleppen, und die das Kriterium ihrer Auswirkung auf Handelsflüsse gegen­über anderen Aspekten priorisiert.


TTIP vs. China

Auch wenn bisher nur die Konturen einer solchen Institution angedacht sind: Ein solches Gremium wäre ein Quantensprung für die nordatlantische Kooperation. Diese hatte sich, was transnationale Staatsapparate angeht, jenseits von allen möglichen Formen der Kooperation bisher vor allem im militärpolitischen Bereich auf die NATO und eine enge Verzahnung der Geheimdienste gestützt. Eine solche Institutionalisierung würde das TTIP auch von allen anderen Handelsabkommen unterscheiden, die die EU (z.B. mit Mercosur, Myanmar, Indien etc.) zurzeit führt. Die Schaffung eines neuen transatlantischen Staatsapparates würde politisch die massiven Investitionsströme in beide Richtungen über den Atlantik und die enorme Unternehmenskonzentration in den vergangenen 20 Jahren nachvollziehen und einbetten.

An diese Form von Integration knüpfen sich auch die Hoffnungen der »Transatlantiker«, die geopolitische Ambitionen mit diesem Abkommen hegen. Der Sozialdemokrat Martin Schulz, der Europaparlaments-Präsident, der so gerne Kommissionspräsident werden will, sagte vor der AmCham am 16. Oktober 2013, es gehe darum, »zu versuchen, mit der wachsenden ökonomischen Dominanz Chinas umzugehen […] mit TTIP geht es darum abzusichern, dass die USA und die EU Regelsetzer und nicht Regelnehmer bleiben.« Etwas unfeiner schrieb Gabor Stein­gart, damals noch als Spiegel-Redakteur und noch nicht als Chefredakteur des Handelsblatts: Es sei an der Zeit mittels eines Freihandelsabkommens eine »neue Waffenbrüderschaft« zwischen der EU und den USA gegenüber China zu schmieden.[3]


EU: Im Auftrag des nordatlantischen Kapitals

Vielmehr noch als geopolitische Gedankenspiele sind die übergeordneten Interessen des nordatlantischen Kapitals die treibende Kraft hinter den Verhandlungen. Denn es sind weniger einzelne Konzerne, die mittels Lobbying versuchen Einfluss auf die Gespräche zu nehmen. Es sind vielmehr die Unternehmensverbände AmCham und BusinessEurope, die Druck machen, Papiere schreiben – und natürlich Cocktailparties veranstalten.

In vielen Fällen schreiben AmCham und BusinessEurope Vorlagen gemeinsam und zwar explizit auf den dringenden Wunsch der EU-Kommission hin. Bereits im Vorfeld der Verhandlungen hat sie auf eine intensive Zusammenarbeit der Verbände beiderseits des Großen Teichs hingewirkt. Sie versteht sich somit in den Verhandlungen zu dem EU-USA-Wirtschaftsabkommen nicht als Repräsentantin der Interessen europäischer Konzerne, sondern des nordatlantischen Kapitals.

Insofern sind die TTIP-Verhandlungsrunden weniger als ein Ringen EU vs. USA zu verstehen, sondern als der – durchaus nicht widerspruchsfreie – Versuch, die gemeinsamen Profitinteressen der Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks gegen etablierte und künftige Regulierungsstrukturen, die in öffentlichem Interesse und demokratischen Einflussmöglichkeiten gründen, durchzusetzen. Entlang dieser Linie ist auch die Geheimhaltung der Verhandlungstexte zu begreifen. Trotz unermüdlicher Beteuerung der EU-Kommission hat sie mit Verhandlungstaktik nichts zu tun, da die US-Regierung und die Konzernvertreter alle entscheidenden Dokumente kennen. Es geht der EU-Kommission und dem Ministerrat darum, die Öffentlichkeit im Dunkeln tappen zu lassen.


Widerstand könnte wirken

Bisher sind die US-Regierung, die EU-Kommission und insbesondere auch die Große Koalition in Deutschland und die britische Regierung wild entschlossen, TTIP zügig zu verhandeln. Angesichts der EU-Verträge und der daraus resultierenden Vergemeinschaftung von Handels- und Investitionspolitik ist die EU-Kommission gegenüber politisch unliebsamem Druck weitgehend abgeschottet. Das Europäische Parlament hat während der laufenden Gespräche keine Stimme, lediglich zur Ratifizierung ist es mit einer Ja-Nein-Abstimmung gefragt.

In den USA ist die Lage günstiger. Hier liegt die Handelspolitik beim US-Kongress. Ohne die Vergabe einer Sondervollmacht (»fast track«) an den US-Präsidenten, hat er die Möglichkeit, über jede Klausel eines Handelsvertrages einzeln abzustimmen. Das macht dem US-Handelsbeauftragten Froman seriöse Verhandlungen nicht einfach. Denn eine Sondervollmacht vom Kongress hat Präsident Obama bisher nie erhalten und Dank des Drucks von Gewerkschaften und der Citizen Trade Campaign (CTC) wird er sie vermutlich auch niemals bekommen. Denn aufgrund der noch sehr lebendigen Erfahrungen mit NAFTA, der Nordamerikanischen Freihandelszone, lautet für viele US-AmerikanerInnen die Gleichung: Mehr Freihandel = mehr Konkurrenz, plus sinkende Löhne, plus Jobabbau und Unternehmensverlagerungen.

Die Aufmerksamkeit der amerikanischen Öffentlichkeit ist zurzeit noch völlig auf die TPP (Trans-Pacific-Partnership) gerichtet, die Freihandelsverhandlungen mit elf Pazifik-Anrainerstaaten. Wenn sich die aktuelle Stagnation der TPP-Verhandlungen verfestigt, ist davon auszugehen, dass bei dem oder der aktuellen bzw. kommenden US-PräsidentIn und AmCham die Feierlaune, was das TTIP angeht, vielleicht nicht mehr so ausgeprägt ist.

Alexis J. Passadakis ist Mitglied im bundesweiten Rat von Attac und koordiniert zurzeit das europäische Handelspolitische »Seattle to Brussels«-Netzwerk (www.s2bnetwork.org).

[1] Vgl. Meena Raman (2012): SUNS – South-North Development Monitor, Thursday 27th September, www.sunsonline.org/contents.php?num=7446.
[2] Pia Eberhardt/Peter Fuchs (2014): Eine transatlantische Verfassung der Konzerne? Der gefährliche Schutz von Investoren und »geistigem Eigentum« im TTIP, Corporate Europe Observatory, PowerShift.
[3] Gabor Steigart (2006): Weltkrieg um Wohlstand. Wie Macht und Reichtum neu verteilt werden, München.

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