1. September 2005 Godela Linde

Von Aufbruchstimmung zur Auffanggesellschaft

Wer sich kritisch zur Kompetenz von DGB und Gewerkschaften äußert, hat im Nu ebenso mächtige wie unerwünschte Verbündete. So wusste kürzlich der SPIEGEL: "In einer langen Reihe von Skandalen um Korruption und Vetternwirtschaft, Missmanagement und blanker Ahnungslosigkeit beerdigten die Gewerkschafter Stück für Stück den größten Teil ihrer Gemeinwirtschaft, die einst 60.000 Mitarbeiter beschäftigte." (3/05). Häme ist nicht angesagt.

Ein Ausschnitt gewerkschaftlicher Wirtschaftspraxis ist der Rechtsschutz. Dort geht es um "viel Geld, Macht und Einfluss", nämlich jährlich knapp 60 Mio. Euro und noch etwa 800 engagierte Beschäftigte. Der Rechtsschutz ist "eine der wichtigsten Dienstleistungen, die IG Metall, Verdi & Co der zahlenden Kundschaft anbieten können" (Wirtschaftswoche 14.10.04). Er ist "das bedeutendste Serviceangebot der Gewerkschaften" (Handelsblatt 13.7.04). 515 Mio. Euro wurden für die Gewerkschaftsmitglieder im Jahr 2004 erstritten, mehr als 3.000 Euro sind das pro Mitglied, das für den DGB Rechtsschutz unter 8 Euro im Jahr zahlt. 150.000 neue Verfahren wurden 2004 aufgenommen, die DGB Rechtsschutz GmbH ist damit der größte (und nach selbstbewusster Selbstverpflichtung bester) Anbieter von Rechtsberatung und Prozessvertretung im Arbeits- und Sozialrecht.

Diese starke Bilanz führt dann auch zu starken Einschätzungen: "Ohne den Rechtsschutz ist der DGB tot", sagt Horst-Udo Niedenhoff vom (Arbeitgeber-)Institut der deutschen Wirtschaft. "Mit dem DGB ist der Rechtsschutz tot", sagen Andere. Eine interne Analyse der IG Metall überlege, "ob die Gewerkschaften die Rechtsschutz GmbH ohne DGB betreiben", berichtete die Wirtschaftswoche (14.10.04). "Somit hat also der DGB den Rechtsschutz auch deshalb ausgegliedert, um ihn vor dem DGB selbst zu schützen", hieß es (JUVE Rechtsmarkt 2/04). Dieses Wissen ist verloren gegangen.

Tatsächlich gibt es eine spannende Bilanz der Arbeit des 1998 als DGB Rechtsschutz GmbH neu gebildeten gewerkschaftlichen Rechtsschutzes. Rudi Ratlos hat (Sozialismus 6/01) beschrieben, wie Reibungsverluste innerhalb der DGB-Strukturen sich zu Unzulänglichkeiten aufgetürmt hatten, die durch die Gründung der DGB Rechtsschutz GmbH beseitigt werden sollten. Der DGB wurde nicht als Dienstvorgesetzter dieser GmbH, sondern als Treuhänder der Gewerkschaftsinteressen begriffen. Die GmbH ist zwar eine hundertprozentige Tochter des DGB, doch das Ziel war, "eine eigenständige Organisation und Führungsstruktur mit eigenem Budget zu schaffen." ... "Die Gewerkschaften, die die Reform gefordert hatten, müssten eigentlich mit den Maßnahmen, die die Geschäftsführung eingeleitet und zum größten Teil schon umgesetzt hat, äußerst zufrieden sein." (Rudi Ratlos).

Es gelang nach der Trennung, die Rechtsschutzarbeit zu professionalisieren und eigene Spielregeln zu institutionalisieren. Nicht mehr die von den Sekretären der Einzelgewerkschaften gefühlte Nähe zu Beschäftigten der Rechtsschutz GmbH, sondern die Zusammenarbeitsvereinbarung regelte das Miteinander. Als oberstes Ziel wird die Zufriedenheit des Mitglieds mit der Leistung des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes definiert. Hinsichtlich der – verteilten – Aufgabenstellung zwischen Einzelgewerkschaften und Rechtsschutz muss klar sein, dass Rechtsschutz nur dann tätig wird, wenn betrieblich oder gewerkschaftlich Lösungen nicht erreicht werden konnten. Rechtsschutz ist hilfsweise Gewerkschaftsarbeit, ist Dienstleistung.

Intern wurden Schwerpunkte neu festgelegt. Das blieb bei streitgeübten Beschäftigten nicht schmerzfrei. Es stieg der Anteil der JuristInnen mit zweitem Staatsexamen und der Anspruch, die Kompetenz nicht nur sozial, sondern auch fachlich-juristisch nachzuweisen. Ein Qualitätshandbuch löste Regelungen ab, die beim DGB seit 1965 Bestand gehabt und sich nicht mehr bewährt hatten. Die Arbeit wurde anwaltsgleicher strukturiert. RechtssekretärInnen schmierten bei Streiks nicht mehr Brötchen, sondern sie bereiteten einstweilige Verfügungen vor. Manche der Dienstleistungen ließen sich bei sinkenden Ressourcen eben nicht aufrechterhalten. Die Beschäftigten der Rechtsschutz GmbH bekamen nach der Trennung vom DGB einen eigenen Tarifvertrag, es gab richtig neue Möbel, neue Geräte und Bücher nach eigenem Bedarf.

Eine zielverfehlende Rolle spielt in der aktuellen Diskussion um die DGB Rechtsschutz GmbH der Rückgang der Fälle. Der hängt mit gesunkenen Klagemöglichkeiten bei Kündigungen und Befristungen wegen verschlechterter Rechtslage zusammen. Auch die Verzichtsbereitschaft der Belegschaften ist gestiegen. Es werden aber auch prozentual weniger Fälle bei den Gerichten vertreten. Die Mitgliederzahlen sind absolut und relativ zur Bevölkerung seit Mitte der 1990er Jahre zurück gegangen. Insgesamt korrespondiert der Rückgang der Fallzahlen mit dem Rückgang der Beteiligung bei Ausschüssen, Arbeitskreisen und Neigungsgruppen beim DGB selbst.

Das geringere Fallaufkommen hat nichts zu tun mit unzulänglicher Vertretung. Ein langjährig betreutes Mitglied erwiderte auf die Frage, warum sie durch einen Anwalt klage und nicht mit der Gewerkschaft, sie habe nicht "so brutal" sein wollen. Die Beauftragung von AnwältInnen scheint neutral, die Vertretung durch die DGB Rechtsschutz GmbH bezieht Position, ist Parteinahme für die Gewerkschaften. Wenn freilich Betriebsräte etwa in ihren Beschlussverfahren an AnwältInnen verwiesen werden, dann wird die Bindung gelockert. Dies schwächt das Wir-Gefühl, untergräbt langfristig gewerkschaftliche Kompetenz und Sinnhaftigkeit. Das kostet zunächst Vertrauenskapital und dann reales Geld in Form von Mitgliedsbeiträgen. Das häufigste und gedankenloseste Argument für diese Beauftragung ist, dass ein Verfahren den Arbeitgeber was kosten müsse. Natürlich soll ein Verfahren was einbringen, aber für die Beschäftigten, nicht für die Anwaltskaste. Es wäre die schiere Hilflosigkeit, wenn ein Betriebsrat sich nicht mehr zutraute als die Verursachung von Anwaltskosten.

Hinweise auf den Rückgang von Fallzahlen unterschlagen übrigens auch die verlässliche und professionelle Einführung einer einheitlichen Zählweise und den fortlaufenden Personalabbau. Die Fallbelastung pro Kopf ist nicht gesunken, sondern steigt stetig. JUVE stellte anerkennend fest, die betriebliche Orientierung sei geblieben, aber ansonsten habe "sich in den letzten Jahren mehr geändert als in den gesamten Jahrzehnten davor." Und: "Doch die Gewerkschaften können beruhigt sein. Denn die Gesellschaft (die DGB Rechtsschutz GmbH, d.V.) will ihre Dienste nicht auf dem freien Markt anbieten. Den Regeln des Marktes – Profitabilität und Effizienz – hat sie sich indes gestellt, seit der gewerkschaftliche Rechtsschutz 1998 ausgegliedert wurde." (Rechtsmarkt 2/04) Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer bestätigte diese Einschätzung: "Die Aufgabe, Gewerkschaftsmitglieder in einer gleich bleibenden Qualität von Frankfurt an der Oder bis Saarbrücken und von Schleswig bis Kempten arbeits- und sozialrechtlich zu beraten und zu vertreten, hat die DGB Rechtsschutz GmbH bisher hervorragend bewältigt". (April 2005) Das für Rechtsschutz zuständige Bundesvorstandsmitglied Dietmar Hexel war noch im September 2004 zufrieden: "Wir wissen, ein Anwalt wird niemals soviel Kompetenzen und Erfahrungen haben, wie unser gewerkschaftlicher Rechtsschutz (sieht man vielleicht von einigen, uns nahe stehenden Spezialkanzleien ab)".

Folgerichtig unterstützte der ver.di-Bundesvorstand in übereinstimmender Einschätzung der Bedeutung des Rechtsschutzes für die Gewerkschaftsmitglieder in einem Beschluss am 24.10.04, dass der Anteil der DGB Rechtsschutz GmbH auf 45 statt 40% des DGB Haushaltes aufgestockt werden möge. Das würde reichen.

Die Gewerkschaften finanzieren den Rechtsschutz nicht pro Fall, sondern über die Beitragseinnahmen. Der DGB erhält 12% der Gewerkschaftsbeiträge und gibt seinerseits 40% davon an den Rechtsschutz weiter. Der DGB beteiligt den Rechtsschutz an seinen anderen Einnahmen aus Vermögen und Umlagen aber nicht. Im Gegenteil nimmt er auch von seiner Tochter über die Vermögenstreuhandgesellschaft gewährtes Geld z.B. über Mieten wieder zurück. Auch Einnahmen aus dem Verkauf von Maiabzeichen und Umlagen für Busse, Kultur und was sonst so von unteren Gliederungen erbettelt werden muss, verbleiben beim DGB. Angesichts sinkender Mitgliedszahlen und sinkender Einnahmen wurde das Geld für den Rechtsschutz immer knapper. "Es bleibt bei dem Auftrag, dass der DGB-Rechtsschutz mit den zugewiesenen Mitteln auskommen muss", sagt Hexel standfest und verkündet: "Mehr als 40% darf nicht ausgegeben werden." Hier spricht die Mutter, die 60% (Hexel: lieber 62%) für sich behalten will.

Die tolle Idee: die Anwalts GmbH!

Es kam die Idee auf, dass ein Teil der Beschäftigten der Rechtsschutz GmbH auf den freien Markt geschickt werden sollte. Sie sollten bei Kürzung ihrer Gehälter ihre Arbeitszeit reduzieren und in der gewonnen freien Zeit als Anwälte in einer Anwalts GmbH ("Rechtsanwalt Dr. Mittag GmbH", der Name ist ein gewerkschaftlicher Marketing-Hit) tätig werden.

Schon der Grundgedanke der entgeltfreien Mehrarbeit besticht. Man stelle sich diesen Lösungsversuch einmal für die ArbeitnehmerInnen beim DGB vor: Der DGB schickt die eigenen Beschäftigten auf den freien Markt – all die Mandate und Sitzungen in Parlamenten aller Ebenen, in Aufsichtsräten, Ausschüssen und Beiräten bei AOK, Arbeitsamt und anderswo dürften nur gegen Erstattung der Gehaltsanteile wahrgenommen werden. Man könnte auch daran denken, dass Reden zur Jubilarehrung nur gegen Honorar gehalten werden. Oder bei Sitzungen von Vorständen wird Eintritt genommen und mit den OrganisationssekretärInnen über Werkvertrag abgerechnet.

Mittlerweile gibt es weit mehr als 20 Nuancen des Sparkonzepts. Mal sollten die Rechtsschutzversicherungen der Mitglieder angezapft werden, indem die Visitenkarte umgedreht wurde, sobald sich jemand als rechtsschutzversichert bekannte (dies war der peinlichste Vorschlag), mal sollte es einen sichtbaren Durchgriff des Geschäftsführers der DGB Rechtsschutz GmbH auf die Anwaltsgruppe geben, mal sollten diese Anwälte im Status abhängig Beschäftigter arbeiten, mal sollte sie offen sein für GewerkschaftsjuristInnen, mal sollten alle (auch Teilzeit-) Neueingestellten nur noch 70%-Verträge bekommen, mal sollte mit Ich-AGs und Spargelstechern das große Geld gemacht werden – aber fast immer sollte es um konkurrierende Tätigkeitsfelder gehen, so wie die Erstberatung gegen Pauschalvereinbarung. Und wenn Anhänger für diese tolle Idee mit dem Versprechen auf lukrative Beschlussverfahren von Betriebsräten gelockt werden, die alle fünf Jahre eines durchführen, ansonsten ihre Dinge mit Hilfe der Einzelgewerkschaft selbst regeln, dann muss die Frage nach gewerkschaftlicher Allgemeinbildung erlaubt sein. Im Übrigen ist fraglich, ob die Gerichte akzeptieren werden, dass die Kosten eines Anwalts der Rechtsanwalt Dr. Mittag GmbH notwendig im Sinne von § 40 BetrVG sind, wenn die gleichen Menschen den Prozess in ihrer Eigenschaft als Beschäftigte der DGB Rechtsschutz GmbH auch gebührenlos führen könnten. Zwischenzeitlich ist eingestanden worden (Vorbau), dass es zunächst keinerlei Einspareffekt geben wird.

Erste Berechnungen gingen davon aus, dass alle RechtssekretärInnen in die Anwalts GmbH gehen würden. Die dachten wegen der angebotenen Bedingungen allerdings nicht daran, einige vielleicht auch deswegen nicht, weil sie nach unerfreulicher anwaltlicher Selbständigkeit nun Sicherheit gefunden hatten. Das Berufsbild der RechtssekretärInnen erfordert nicht unternehmerisches Denken, das muss bei einer derartigen Planung bedacht werden. Im Juni 2004 wurde noch geworben, dass sich bitte 100 beteiligen möchten und im Oktober waren es endlich 20 von 450, die mitmachen wollten. Mittlerweile hat der neue Geschäftsführer Reinhard-Ulrich Vorbau unter mancherlei Versprechen elf Mitglieder des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes (andere sollen Schlange stehen) an zufälligen Orten um sich versammelt, die als AnwältInnen oder anwaltsgleich arbeiten wollen. Konkret gearbeitet an diesem Projekt wird von ihm mindestens seit November 2004. Um die Blamage des langen Anlaufs und kurzen Sprungs zu erklären, wird das Ganze als Pilot-Projekt ausgegeben. Die Vertreter der Einzelgewerkschaften im Aufsichtsrat der DGB Rechtsschutz GmbH haben die Anwalts GmbH und auch das Pilot-Projekt beschlossen. Allerdings ist die kühnste Kernidee mittlerweile ad acta gelegt: Aus steuerlichen Gründen darf kein Geld für Gewerkschaften und DGB erwirtschaftet werden.

Die Gründungsprozedur des Projekts verzögert sich. Auch zum 30.6.05 (Zusage Vorbau) wurde die Arbeit nicht aufgenommen und es gibt bis August 2005 noch nicht einmal einen Eintrag im Handelsregister, geschweige denn die Zulassung bei den Anwaltskammern. Die anwaltliche Mini-GmbH (alle werden sich nur zu 30% ihrer Arbeitszeit dem Anwaltsmarkt widmen, sodass diese GmbH auf ein Zeitvolumen von vier AnwältInnen bundesweit zusammenschnurrt – ein groteskes Missverhältnis zum aufgewandten Geld-, Organisations- und Selbstbeschäftigungsaufwand) soll dereinst ihren Hauptsitz in Frankfurt haben, der Stadt mit der bundesweit größten Anwaltsdichte: Auf 99 EinwohnerInnen kommt ein Anwalt. Das Vorhaben ist also wirklich wagemutig, sogar waghalsig. Genauer: Es ist halsbrecherisch.

Die Gründung einer Anwalts GmbH löst kein Problem des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes. Die tatsächlich professionalitätssichernde relative Autonomie des Rechtsschutzes wird zurückgedreht werden. Die Existenz einer – noch so kümmerlichen – Anwalts GmbH wird dafür herhalten, mit der Übergabe von Fällen an diese Anwälte zu drohen. Schließlich beanspruchen schon heute zuweilen Beschäftigte der Einzelgewerkschaften die Fachaufsicht über RechtsschützerInnen und berechnen schon mal die Abfindung, erbringen aber ihrerseits ihren Anteil an Vorbereitungsarbeit nicht. Die Rechtsschutzarbeit wird schließlich durch die Schaffung eines gleichsam hauseigenen Konkurrenten ökonomisiert, denn bei steigender Fallbelastung wird man dem Mitglied sagen müssen, dass es zwar schon 20 Jahre in der Gewerkschaft ist, es aber gleichwohl nicht vernünftig ist, mit einem aufwändigen Prozess die Erhöhung des Grads der Behinderung von 30 auf 40 anzustreben, denn in der gleichen Zeit können locker zwei Leistungsklagen diktiert werden. Diese neoliberale Kultur der Marktökonomie war dem Rechtsschutz bislang fremd.

Wie man eine tolle Idee managt...

Schlüsselsubjekt beim Versuch der Durchsetzung einer tollen Organisation des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes ist Dietmar Hexel. Ihm hilfreich ist Wolfgang Apitzsch. Objekt waren die Beschäftigten der DGB Rechtsschutz GmbH und der damalige Sprecher der Geschäftsführung, Helmuth Thieß, der im zweiten Anlauf ungewarnt gehen musste.

Hexel warnt zuweilen vor Manager-Feudalismus (FR 7.4.05) und fordert öffentlich gerne die Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Dass die ArbeitnehmervertreterInnen der Rechtsschutz GmbH im Aufsichtsrat ungehört für Thieß und gegen Vorbau gestritten haben, rührt ihn nicht. Apitzsch ist befasst mit Beschäftigungsgesellschaften, und so soll erinnert werden, dass Hexel die Anwalts GmbH als Auffanggesellschaft der DGB Rechtsschutz GmbH bezeichnet hat. Diese Kennzeichnung hat Furcht aufkommen lassen, dass die DGB Rechtsschutz GmbH scheitern soll.

Dabei sah es gar nicht so schlecht aus. Sie erfüllte gewissenhaft rigide Sparauflagen und die kontinuierliche anonyme Mandantenbefragung erbrachte eine hohe Zufriedenheit: "Die GmbH unter Führung des ehemaligen Volksfürsorge-Managers Helmuth Thieß leistet offenbar auch gute Arbeit – laut Umfragen sind 86 Prozent der Mandanten zufrieden" (Wirtschaftswoche 14.10.04). Quereinsteiger Thieß wurde abgelöst, nicht weil er zu schwach, sondern weil er zu stark war. Sein Nachfolger hat spät seine Berufstätigkeit beim DGB-Rechtsschutz angefangen, war dann bei der IG BAU in verschiedenen Positionen, zuletzt in einer mittleren Stellung beim Bundesvorstand tätig. Er ist nicht zu stark.

... und in Sand setzt

Der Satz "Der Rechtsschutz muss sich rechnen", erbringt bei Google 42.000 Treffer, und unter diesem Titel hat Hans Georg Schwedhelm (Sozialismus 12/04) die Schwierigkeiten beschrieben, die sich bei der Installierung einer Anwalts GmbH ergeben: Keine Einnahmemöglichkeit, keine Entlastung bei den Fallzahlen, Vertretung auch Unorganisierter durch die gleichen Personen – letzteres macht den Rechtsschutz als Werbeargument zur Mitgliedergewinnung für die Gewerkschaften absurd.

Hinzu kommen standesrechtliche Schwierigkeiten aus der Bundesrechtsanwaltsordnung, die GewerkschaftsvertreterInnen nicht, AnwältInnen aber sehr wohl kennen müssen:

  Zunächst einmal darf eine Anwalts GmbH von niemandem gesteuert werden.

  Sie darf nicht fremdfinanziert sein.

  Anwälte der Anwalts GmbH können keineswegs in Verfahren auftreten, die vorher von irgendwelchen Beschäftigten der DGB Rechtsschutz GmbH betreut wurden.

  Nur "Berufsträger" (AnwältInnen z.B.) sind gesetzlich zur Meinungs- und Entscheidungsbildung zugelassen.

  Und da AnwältInnen vom Arbeitgeber die volle berufliche Freizügigkeit gewährleistet werden muss, kann ein Anwalt jederzeit das Büro verlassen, weil irgendwo eine Zeugenvernehmung angesetzt ist. Gewerkschaftsmitglieder werden begeistert sein. Deswegen wurde in den fetteren Jahren der Anwaltsverdienste die Genehmigung zur nebenberuflichen Zulassung als Anwalt in der Regel verweigert. Nun wird Juristerei zu Dumpingpreisen in Ladenlokalen angeboten (FR 7.7.04) und die Rechtsschutzversicherungen kündigen bei Inanspruchnahme die Policen.

Der Anwalt, der auf 30% seines Gehalts verzichtet und die Beiträge zu Anwaltskammer und Versorgungswerk neben allen eigenen Unkosten selbst erbringen muss, müsste ein Übermensch sein, wenn er lukrative Prozesse an sich vorbei in die DGB Rechtsschutz GmbH lenken würde. Wenn ein Gewerkschaftsmitglied auf einen Anwalt der Anwalts GmbH trifft und die Rechtsschutzversicherung die Deckungszusage ablehnt, dann müsste dieser in seiner 30%-Eigenschaft als Angehöriger der Anwalts GmbH die erbrachte Tätigkeit dem Mitglied in Rechnung stellen und dann den Prozess als Rechtssekretär in seiner Eigenschaft als Beschäftigter der DGB Rechtsschutz GmbH weiterführen. Das schafft Vertrauen zwischen der Arbeiterklasse und ihrer durchgepusteten Rechtsvertretung.

Wenn die Anwalts GmbH scheitert, dürfen die Anwälte in die DGB Rechtsschutz GmbH zu alten Bezügen in die alten Büros zurück, behalten aber ihre Zulassung und damit ihre Freizügigkeiten. Wenn Einzelne scheitern, haben sie Pech gehabt. Wenn Einzelne reüssieren, werden sie unter Mitnahme lohnender Mandate die Rechtsschutz GmbH verlassen, letztere verliert an Ansehen. Wenn alle reüssieren, geht das zuerst propagandistisch, dann auch materiell zu Lasten der DGB Rechtsschutz GmbH. Denn dass es keine Konkurrenz zwischen ihr und der Anwalts GmbH geben wird, ist pure Ideologie. Der Markt ist derselbe – und soll es auch sein.

Alternativen

Zur Sicherung des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes müssen Voraussetzungen gewährleistet sein: Das Mitglied muss gut aufgehoben, die Qualität der Arbeit garantiert sein. Die Mitglieder und ihre Gewerkschaften müssen sich wieder finden. Die Postulationsfähigkeit bei Gericht muss gewährleistet sein. Die Beschäftigten der DGB Rechtsschutz GmbH müssen eine Perspektive haben, inhaltlich und beruflich. Die Kosten müssen im Rahmen bleiben, aber das sollte bitte nicht die erste Bedingung sein. Denn wer Präsenz in der gesamten Fläche und Kompetenz-Zentren und ausreichende Zeit für die Vorbereitung bestellt, der muss auch dafür bezahlen.

Nun sind in Satzungen verankerte Regelungen schwer zu verändern. Aber ein Bundeskongress kann natürlich den Satzungsauftrag Rechtsschutz streichen. Ein legitimes, also anweisungsbegründendes Eigeninteresse des DGB am Rechtsschutz gibt es nicht – bei Mitgliedern und ihren Gewerkschaften aber sehr wohl. Das Interesse des DGB an Rechtspolitik ist dort gut aufgehoben und Kampagnen können verabredet werden, so wie dies auch in der Vergangenheit geschah. Die Gewerkschaften könnten eine eigene Rechtsschutz GmbH gründen. Es wird Zeit, die finanziell riskanten, peinlichen und vor allem gegen bewährte gewerkschaftliche Grundsätze verstoßenden Spielereien um den gewerkschaftlichen Rechtsschutz zu beenden.

Godela Linde, Marburg, ist Teamleiterin der Arbeitseinheit Frankfurt der DGB Rechtsschutz GmbH.

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