Liebe Leserinnen und Leser,

die tiefe soziale Spaltung der USA – akribisch dokumentiert von Thomas Piketty mit Blick auf die Usurpation des gesellschaftlichen Reichtums durch eine hauchdünne Schicht der besitzenden und vermögenden Klassen – war immer auch eine ethnische Spaltung. Nach der Entscheidung eines Geschworenengerichts, den Polizisten nicht vor Gericht zu stellen, der am 9. August in Ferguson den unbewaffneten Michael Brown erschossen hatte, kam es in über 170 Städten zu Protesten gegen herrschaftliche Gewalt, Diskriminierung, Ausgrenzung, wachsende Ungleichheit und Perspektivlosigkeit einer neuen »lost generation«. Dem wird in der Dezember-Ausgabe von Sozialismus näher auf den Grund gegangen.

 

Mit besten Grüßen
Die Redaktion

 

 

Das neue Heft

Die ausführliche Analyse der Kongresswahlen in den USA von Ingar Solty zeigt einen »Ungleichheitskapitalismus«, dessen soziale und ethnische Gräben zu einer erneuten Legitimationskrise des politischen Systems – unter Obama – geführt haben, die wiederum rückwirkend Rechtsentwicklung durch »linke« Nichtwahl befördert. In einer Situation der Gleichzeitigkeit von Fatalismus und Rebellion sieht Solty die Plutokratie wachsen. Die außenpolitischen Strategien der USA analysieren Günter Buhlke gegenüber progressiven Entwicklungen in Lateinamerika und John P. Neelsen im Kontext der TTIP-Verhandlungen, die er in die globale Konkurrenz gegenüber den BRICS-Staaten und insbesondere China einordnet.

So ganz weit mag die US-Politik von den bundesrepublikanischen Verhältnissen nicht entfernt sein. Axel Troost folgt jedenfalls der Einschätzung von Jürgen Trittin, dass der politische Stillstand der GroKo in einer Zeit sozialer Transformation in eine Rechtverschiebung münden kann (AfD). Umso wichtiger ist es, Öffentlichkeit für Alternativen auch über 2017 hinaus zu schaffen.

Womit man es dabei zu tun hat, beleuchten Joachim Bischoff mit Blick auf die europäische Krisenentwicklung und einen nahezu leer geräumten Werkzeugkasten der EZB und Ralf Krämer mit einer Kritik des bedingungslosen Grundeinkommens. Heerke Hummel ist grundsätzlicher dem »allmählichen Hineinwachsen in einen demokratischen Sozialismus« auf der Spur.

Im Forum Gewerkschaften lauten die Themen: Einschränkung von Koalitionsfreiheit und Streikrecht durch die gesetzliche Regelung der Tarifeinheit (Peter Berg), Tarifforderungen der IG Metall 2015 (König/Detje), die Notwendigkeit einer neuen Politik der Arbeitszeitverkürzung (Krull/Melz), die Organisationskulturen und Akteure der IG Metall (Witich Rossmann) sowie Gewerkschafts- und Betriebsräte-Bashing beim Windenergieanlagenbauer Enercon (König/Detje).

Abschließend noch einmal der Blick nach außen. Felix Jaitner arbeitet heraus, wieweit die innere Entwicklung Russlands dessen außenpolitische Strategien – Krim, Ukraine – prägt. Und nach Dänemark, wo sich Jan Helbak mit den wohlfahrtsstaatlichen Wurzeln der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei auseinandersetzt.

Der Film des Monats: »Zwei Tage, eine Nacht«, von Klaus Schneider unbedingt empfohlen.

Kommentare

»Wir wollen sie lebend zurück«

Ein Aufschrei geht durch Mexiko: »Wir wollen sie lebend zurück«. Wut, Verzweiflung und Zorn treiben hunderttausende Menschen auf die Straße, zuletzt am 21. November auf den Zócalo vor dem Nationalpalast in Mexico-City. Die Proteste richten sich gegen lokale Autoritäten und die Partido de la Revolución Democrática (PRD) sowie gegen den Präsidenten Enrique Peña Nieto. Mehr...

Kapitalismus in der Klasse?

Wir lesen gerade eine bizarre Debatte, einmal über das Streikrecht im Allgemeinen und zum zweiten über die Gewerkschaften, insbesondere über den Streik der Gewerkschaft der Lokomotivführer. Bizarr ist diese Debatte aus zwei Gründen. Mehr...

Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich erst einmal im Abklingbecken

»Wir sollten nicht versuchen, Bundesländer oder Regionen gegeneinander auszuspielen«, sagte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in einem Interview, das sie gemeinsam mit dem Evonik-Chef Klaus Engel am 17.11.2014 dem Handelsblatt gab. Sie rechnete zugleich vor, dass ihrem Bundesland nach dem Länderfinanzausgleich 500 Euro weniger pro Kopf übrigblieben als Sachsen. Mehr...

Globalökonomie am Scheideweg

Eine Reihe enttäuschender Konjunkturdaten der letzten Monate stellt die sowieso schon zurückhaltend ausgefallenen Prognosen für das Wirtschaftswachstum infrage. Angesichts geopolitischer Spannungen und unruhiger Finanzmärkte rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einem schwächeren Wachstum der Weltwirtschaft. Für 2015 ging der Währungsfonds von einem Plus von 3,8% aus und noch im Oktober billigte er der Eurozone eine Wachstumsrate von 0,8% für dieses und von 1,3% für nächstes Jahr... Mehr...

Bahnstreik als instrumentalisierter politischer Coup

»Die Revolutionen sind die Lokomotiven der Geschichte«, schrieb Karl Marx. Zeitgeschichtlich wird das auch schon mal umgedreht, zumindest in der Wahrnehmung jener, die beanspruchen, die »herrschenden Gedanken« für das gesellschaftliche Ganze artikulieren zu können. Sie wähnen Umsturz, wenn die Zugmaschinen stehen bleiben wie beim jüngsten Streik der Lokführer. Mehr...

Weitere Kommentare und Kurzanalysen gibt es hier.

Bei anderen entdeckt

Das Kapital im 21. Jahrhundert

Wer die Diskussion mit Thomas Piketty – als Democracy Lecture von den Blättern für deutsche und internationale Politik – verfolgen möchte, findet hier die Gelegenheit.

Unmöglich, zur Ukraine keine Meinung zu haben

Die Krise in der Ukraine als Wende- und Streitpunkt analysiert Tiina Fahrni vom Moskauer Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Termine

Die Reichen und die Mit­tel­schicht

3. Dezember | Wien | 18.30-20.30 Uhr | Aula im Alten AKH, Spitalgasse 2
»Wir sind alle Teil der Mit­tel­schicht, die gro­ßen sozia­len Ver­wer­fun­gen von frü­her sind über­wun­den.« Das ist der Tenor verschiedener Kam­pa­gnen, um die Inter­es­sen des obers­ten Pro­zents zu wah­ren. Über die tat­säch­li­che Ver­tei­lung und Kon­zen­tra­tion von Reich­tum wird wenig gewusst. In dem von BEIGEWUM, Attac Österreich und der Armutskonferenz herausgegebenen Buch Mythen des Reich­tums, das an diesem Abend mit mehreren Vorträgen vorgestellt wird, werden ideologischen Behaup­tun­gen Fak­ten ent­ge­gengestellt. Wie repro­du­ziert sich Reich­tum? (Ste­fan Humer, WU Wien); Wer ist die Mit­tel­schicht, wer sind die ande­ren? (Miriam Rehm, AK Wien); Was bedeu­tet Ver­mö­gens­kon­zen­tra­tion für die Demo­kra­tie? (Mar­tin Schenk, Die Armutskonferenz). Mode­ra­tion: Rosa Lyon (ORF).

Peter Blachstein und die Sozialdemokratie

3. Dezember | Hamburg | 19:30 Uhr | Galerie Morgenland, Sillemstraße 79
Politisches Wirken in der Hamburger SPD. Vortrag von Christel Oldenburg (Geschichtswissenschaftlerin, seit 1993 Leiterin des Archivs und der Bibliothek des Museums für Bergedorf und die Vierlande, seit 2008 Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft in der SPD-Fraktion). Eine Veranstaltung der Galerie Morgenland/Geschichtswerkstatt Eimsbüttel im Rahmen der Reihe PETER BLACHSTEIN – BIOGRAPHIE UND ZEITGESCHICHTE.

Representing Globalization

5. Dezember | Berlin | 18:30 Uhr | Rosa-Luxemburg-Stiftung, Franz-Mehring-Platz 1
Luxemburg Lecture von Frederic Jameson (mit Simultanübersetzung). Wie lässt sich erfassen, was mit dem ebenso vagen wie allgegenwärtigen Begriff der Globalisierung gemeint ist? Jameson geht davon aus, dass es sich nicht in erster Linie um ein ökonomisches oder politisches Konzept handelt, sondern um ein Beispiel für »cog­nitive mapping«, also eine kognitive Karte, die eine mehrdimensionale, höchst komplexe Realität abbildet oder repräsentiert. Wie eine solche Darstellung aussehen kann, erläutert Jameson an zwei illustrativen Beispielen: der britischen Fernsehserie »Traffik«, die sich mit dem internationalen Drogenhandel befasst, und an der Szene und den Praktiken des internationalen Profifußballs. Frederic Jameson ist einer der bekanntesten Literaturtheoretiker und vielseitigsten Marxisten der USA. Seine Themen: Literatur, Kino, Fernsehen, Alltagskultur, aber auch Marx-Lektüre, Adorno, Brecht, Hegel usw. Moderation: Frank Engster.

Attac-Herbstratschlag

7.-9. Dezember | Erfurt | Alte Parteischule am Südpark, Werner-Seelenbinder-Straße 14
Wegen des Bahnstreiks wurde der Ratschlag, der ursprünglich Anfang November stattfinden sollte, verschoben. Neben der aberkannten Gemeinnützigkeit geht es um die Freihandelsagenda (TTIP, CETA, TiSA und Co.), Krisenpolitik und Blockupy, Klimagerechtigkeit, Verteilungsgerechtigkeit und die imperialen Machtspiele an vielen Orten der Welt.

Wann ist viel zu viel?

9. Dezember 2014| Linz | 19:00 Uhr | Wissensturm, Kärntnerstraße 26
Buch­prä­sen­ta­tion der Neuerscheinung Mythen des Reichtums & Vor­trag mit Mar­tin Schürz, Grup­pen­lei­ter für mone­täre Ana­ly­sen, Öster­rei­chi­sche Nationalbank. Armut und Reich­tum sind die bei­den Pole der sozia­len Ver­tei­lung. Wäh­rend über Armut viel bekannt ist, wird über Reich­tum zwar viel gemut­maßt, aber wenig gewusst. Mit der Ver­öf­fent­li­chung von Haus­halts­be­fra­gun­gen der Euro­päi­schen Zen­tral­bank ste­hen erst­mals ver­gleich­bare Ver­mö­gens­da­ten für die Euro­zone zu Ver­fü­gung. Aller­dings: Rei­che Men­schen ver­ste­hen es, ihr Ver­mö­gen neu­gie­ri­gen Bli­cken zu ent­zie­hen. Dabei ist Reich­tum ein Macht­fak­tor, eine hohe Ver­mö­gens­kon­zen­tra­tion schwächt die Demo­kra­tie. Im Vor­trag geht der Ökonom und Reich­tums­for­scher Mar­tin Schürz der Frage nach, wie es um Ver­mö­gen in Öster­reich und in Europa bestellt ist und wie Reich­tum von der Bevöl­ke­rung wahr­ge­nom­men wird: Wann ist viel zu viel? Bei der Ver­an­stal­tung wer­den das neue Buch von BEIGEWUM, Attac und Armuts­kon­fe­renz prä­sen­tiert sowie die Home­page www.reichtumsmythen.at.

Die EU und die Grenzen des Rechts

9. Dezember | Erfurt | 18:00 Uhr | Audimax, Nordhäuser Straße 63
Diskussion und Vortrag mit Andreas Fisahn (Universität Bielefeld). Die Kürzungsmaßnahmen im Rahmen der Troi­ka aus Europäischer Kommission, IWF und EZB greifen tief in das Haushaltsrecht der Mitgliedstaaten ein, beschneiden Arbeits-, Sozial- und Streikrechte, machen direkte Vorgaben zu Lohn- und Rentenniveaus sowie dem Umbau der Sozialsysteme, verordnen Privatisierungen. Mit der Durchsetzung und Überwachung dieser Austeritätsmaßnahmen verstößt die Troika gegen Grund- und Menschenrechte (z.B. das Recht auf Tarifautonomie oder das Recht auf Gesundheitsversorgung) sowie gegen europäisches Recht.

 

Neue Bücher

BEIGEWUM / Attac / Armutskonferenz (Hrsg.)
Mythen des Reichtums

Warum Ungleichheit unsere Gesellschaft gefährdet
Mit einem Nachwort von Elfriede Jelinek
176 Seiten | EUR 12,80
ISBN 978-3-89965-618-3

 

Felix Jaitner
Einführung des Kapitalismus in Russland

Von Gorbatschow zu Putin
176 Seiten | EUR 16.80
ISBN 978-3-89965-622-0

 

Stephan Siemens
mit Martina Frenzel
Das unternehmerische Wir

Formen der indirekten Steuerung in Unternehmen
176 Seiten | EUR 16.80
ISBN 978-3-89965-625-1

 

Im Dezember erscheinen:

 

Heiner Karuscheit / Jörn Wegner / Klaus Wernecke / Jörg Wollenberg
Macht und Krieg

Hegemoniekonstellationen und Erster Weltkrieg
160 Seiten | EUR 14.80
ISBN 978-3-89965-621-3

 

Marcus Hawel & Herausgeber_innenkollektiv (Hrsg.)
WORK IN PROGRESS.
WORK ON PROGRESS.

Beiträge kritischer Wissenschaft
Doktorand_innen-Jahrbuch 2014 der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Herausgeber_innenkollektiv:
Stefano Breda, Paul Fischer-Schröter, Karin Gerster, Mareen Heying, Rosa Lehmann, Felix Lösing, Stefanie Steinbach und Amir Taha
288 Seiten | EUR 19.80
ISBN 978-3-89965-628-2

 

Catharina Schmalstieg
Prekarität und kollektive Handlungsfähigkeit

Gewerkschaftsarbeit im Niedriglohnsektor
Das Beispiel USA
Eine Veröffentlichung der Rosa-Luxemburg-Stiftung
240 Seiten | EUR 16.80
ISBN 978-3-89965-638-1

 

Wolf-Dieter Narr
mit Uta von Winterfeld
Niemands-Herrschaft

Eine Einführung in die Schwierigkeiten, Herrschaft zu begreifen
240 Seiten | EUR 19.80
ISBN 978-3-89965-600-8

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