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10. August 2012 Joachim Bischoff: Italien im Abwärtstrend

Das nächste Land ist in der Krisenkaskade

Seit längerem wird Italien als Schlüsselfaktor in der europäischen Krisenkonstellation betrachtet. Das Land hat zwar eine lange Erfahrung mit Schuldenwirtschaft und die Struktur der öffentlichen Finanzen ist auf die »Kombination aus hohen Schulden und geringem Wachstum« ausgerichtet. Aber jetzt wird der politische Handlungsspielraum eng.

Italien ist eine große Volkswirtschaft mit einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Höhe von über zwei Billionen US-Dollar. Die öffentliche Verschuldung beträgt über 120% des BIP. Die Gesamtverschuldung (Regierung, Haushalte, nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften und Finanzinstitute) beläuft sich auf ca. 314% und ist vergleichbar mit der Schweiz (313%), Frankreich (346%), den Vereinigten Staaten (279 %) und sogar Deutschland (278 %). Die Verschuldung der Privathaushalte ist mit weniger als 50% vergleichweise gering. Hinzu kommt, dass die Sparquote der privaten Haushalte im Bereich von 17%-30% der Einkommen traditionell hoch ist, und das Vermögen von Einzelpersonen und Haushalten höher ist als in den meisten anderen kapitalistischen Hauptländern.


Ein wichtiger Faktor der Zuspitzung
der Krisenkonstellation ist die anhaltende Rezession. Im zweiten Quartal 2012 ging die Wirtschaftsleistung von Italien, der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone um 0,7% zurück und damit das vierte Quartal in Folge. In den ersten drei Monaten des Jahres ist das BIP um 0,8% geschrumpft und damit so stark wie seit drei Jahren nicht mehr. Im Schlussquartal 2011 lag das Minus bei 0,7% und in den drei Monaten zuvor bei 0,2%. Im Jahresvergleich fiel die italienische Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal um 2,5% zurück.

Für das laufende Jahr proklamiert die italienische Regierung realitätsfern einen Rückgang des BIP um 1,2% und ein erneutes Wachstum um 0,5% im kommenden Jahr. Die italienische Statistikbehörde dagegen prognostiziert insgesamt einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von 1,9%. Andere Experten gehen sogar von einem Rückgang von ca. 2,5% aus. Wenn der wirtschaftliche Rückgang letztlich um die 2% betragen sollte, dürfte auch im Jahr 2013 kein Zuwachs in der gesamtwirtschaftlichen Leistung zu erwarten sein. Dieser Abwärtstrend hat ökonomisch-finanzielle, aber auch politische Konsequenzen.

Die seit November 2011 durch das Parlament bestätigte Experten-Regierung unter Premierminister Mario Monti will mit Blick auf die EU-Vorgaben einen Konsolidierungskurs umzusetzen. Ziel ist es, das Haushaltsdefizit 2012 gegenüber 2011 von 3,9% auf 1,7% des BIP zu verringern. Die Austeritätspolitik belastet jedoch die Konjunktur, denn das Schrumpfen der Binnennachfrage drückt die gesellschaftliche Gesamtleistung nach unten.

Die Regierung hatte Sparmaßnahmen in Höhe von neuerdings über 20 Mrd. Euro aufgelegt. Noch in diesem Jahr werden ca. 4,5 Milliarden Euro bei den öffentlichen Ausgaben eingespart. Im nächsten Jahr soll die Summe auf 10,5 Milliarden Euro und 2014 auf 11 Milliarden Euro steigen. Die Mehrwertsteuer, derzeit bereits bei 21%, soll ab 1. Juli 2013 um zwei Prozentpunkte und 2014 um weitere 0,5 Punkte erhöht werden. Neben der Erhöhung des Rentenalters und einer Deregulierung des Arbeitsrechtes betrifft der Großteil der Kürzungen den Gesundheitsbereich sowie den öffentlichen Dienst. 20% der Posten von leitenden Beamten sowie 10% der regulären Stellen sollen gestrichen werden. Auch im Verteidigungsbereich werden 10% der Stellen gekürzt. Stark gespart wird auch bei der Justiz. Monti will die Zahl der Regionen und Provinzen in Italien verringern. Sie sollen dann durch »schlankere, effizientere Großraumgebiete ersetzt werden«.

Italien ächzt unter einer Schuldenlast von mehr als 1,9 Bio. Euro. Die Regierung in Rom nahm deshalb harte Einschnitte vor und setzte sich zum Ziel, 2013 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Hierfür hob sie neben den bereits erwähnten Sparmaßnahmen das Renteneintrittsalter an und erhöhte die neben der Mehrwert- auch die Immobiliensteuer. Steuererhöhungen und die wachsende Arbeitslosigkeit belasten den Konsum. Der Einzelhandelsverband geht davon aus, dass 2012 die Konsumausgaben pro Kopf so stark fallen werden wie noch nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

Neben dem aktuellen Schrumpfungsprozess und der damit verbundenen Gefahr erneut die europäische Defizitgrenze von –3% bei den öffentlichen Finanzen brechen zu müssen, bleibt die Gesamtverschuldungsquote für Italien von 123,5% ein Schlüsselproblem. Der Schuldendienst entwickelt sich aufgrund steigender Zinssätze zur drückenden und politisch untragbaren Last. Hinzu kommt, dass Italien im Jahr 2012 ca. 320 Milliarden Euro seiner Schulden refinanzieren muss, während Investoren, in dem Bestreben ihr finanzielles Engagement in Italien zu verringern, die Rendite auf 10-jährige Staatsanleihen auf die kritische Marke über 6% hinaufdrücken. Die amerikanische Rating-Agentur Moody’s hat die Kreditwürdigkeit Italiens herabgestuft. Das Risiko, dass Italien sich künftig nur für äußerst hohe Zinsen Geld an den Kapitalmärkten beschaffen könne, sei aufgrund des schwindenden Vertrauens der Märkte hoch, hieß es zu Begründung. Ein schwaches Wachstum und eine höhere Arbeitslosigkeit könnten Italien daran hindern, seine Ziele beim Defizitabbau zu erreichen.

In den letzten Wochen wächst der Widerstand gegen diese Austeritätspolitik der Experten-Regierung deutlich an. Die großen Gewerkschaften planen wegen des Sparkurses einen Generalstreik Ende September. Auch innerhalb der politischen Parteien gibt es immer deutlichere Proteste gegen den Regierungskurs.

Das Kernproblem für Italien besteht wie in anderen europäischen Nachbarländern darin, dass die Austeritätspolitik über Jahrzehnte fortgesetzt werden muss. Wird der europäische Fiskalpakt umgesetzt, droht zudem eine weitere Verschärfung, denn Italien muss dann die Schuldenstandsquote kontinuierlich auf 60% des BIP absenken. Die italienische Regierung hat folglich eine Beschleunigung beim Schuldenabbau angekündigt. Innerhalb von acht Jahren soll der immense Schuldenberg von knapp 2000 Milliarden Euro um 10% gekürzt werden. Verkauf von Staatsimmobilien und Privatisierungen in Hülle und Fülle stehen auf der Agenda. Selbst für den Fall, dass die Experten-Regierung mit den Reformen Erfolg hat, ist das Spiel aber noch nicht gewonnen. Im Frühjahr 2013 stehen Wahlen an, und der mühsam gefundene Chef der Experten-Regierung Monti hat nicht die Absicht weiterzumachen.

Auch Italien steckt also in einem Teufelskreis. Weil die Regierung spart, rutscht das Land immer tiefer in eine Rezession. Das erschwert die Einhaltung des Defizitziels und lässt die Schuldenstandsquote weiter ansteigen. Es liegt nicht mehr in der Macht der politischen Klasse – auch wenn sie sich auf eine Experten-Regierung verständigt hat – durch Sparmaßnahmen die Zinsbelastung zu drücken und damit die Verschuldung in den Griff zu bekommen.

Die fortgeschrittene Zerstörung der Demokratie wird selbst zum Krisenfaktor. Auch in Italien könnte die Krise nur durch drastische Eingriffe in die Verteilungsverhältnisse zurückgedrängt werden. Dafür bedarf es aber einer breiten Verständigung und entsprechender politischer Kräfteverhältnisse. Der Versuch der politischen Elite über traditionelle Zinspolitik zu einer Dynamisierung der Realakkumulation vorzustoßen, geht erkennbar ins Leere. Die Notenbanken in den USA, Europa und halten an den Niedrigzinsen fest.

Diese Maßnahmen bewirken freilich immer weniger. Die Konjunktur wird durch die niedrigen Zinsen zwar gestützt, gemessen an den Eingriffen lässt der Erfolg aber zu wünschen übrig. Viele für die Weltwirtschaft entscheidende Frühindikatoren zeigen deutlich nach unten. Geldpolitische Anreize sind nicht der Grund dafür, dass die Realökonomien ein zu geringes Wachstum aufweisen. Die Leitzinsen sind längst so niedrig, dass weitere expansive Maßnahmen fast keine Wirkung mehr auf die Realwirtschaft haben.

Die Realzinsen stehen auf einem historisch tiefen Niveau und wenn die kapitalistischen Länder ihre Schulden abbauen, dann wird das auch längere Zeit so bleiben. Die Kaufkraft zu erhalten ist in solch einem Umfeld schwierig. Selbst institutionelle Anleger wie Versicherungen haben zusehends Probleme, für ihre Kunden die versprochenen Renditen zu erwirtschaften. Der Ausbruch aus dem Teufelskreis erforderte deutliche Schuldenschnitte und Investitionsimpulse für die Realökonomie.

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