Hajo Funke
AfD-Masterpläne
Die rechtsextreme Partei und die Zerstörung der Demokratie | Eine Flugschrift
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ISBN 978-3-96488-210-3

Michael Brie
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Strategische Fragen linker Politik in Zeiten von Krieg und Krise
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ISBN 978-3-96488-215-8

Antje Vollmer/Alexander Rahr/Daniela Dahn/Dieter Klein/Gabi Zimmer/Hans-Eckardt Wenzel/Ingo Schulze/Johann Vollmer/Marco Bülow/Michael Brie/Peter Brandt
Den Krieg verlernen
Zum Vermächtnis einer Pazifistin | Eine Flugschrift
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ISBN 978-3-96488-211-0

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Frank Deppe
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176 Seiten | EUR 14.80
ISBN 978-3-96488-197-7

Peter Wahl
Der Krieg und die Linken
Bellizistische Narrative, Kriegsschuld-Debatten und Kompromiss-Frieden
Eine Flugschrift
100 Seiten | Euro 10.00
ISBN 978-3-96488-203-5

Heiner Dribbusch
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Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000 – Daten, Ereignisse, Analysen
376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

24. Juni 2015 Jan Helbak / Klaus Krogsbæk

Der dänische Rechtspopulismus und die Verantwortung der Linken

Bei der Wahl zum Folketing am 18. Juni wurde die rechtspopulistische Dansk Folkeparti zweitstärkste politische Kraft, nur noch überholt von den Sozialdemokraten. Sie steigerte ihren Stimmenanteil von 8,8 auf 21,1%. Statt mit 15 zieht sie nun mit 37 Abgeordneten ins Parlament (mit insgesamt 179 Sitzen) ein.

Die Stärkung der Dänischen Volkspartei erfolgt in einer Situation, in der weder die Sozialdemokratie noch die führende bürgerlich-liberale Partei Venstre – die politischen Repräsentanten der gesellschaftlichen Hauptklassen – in der Lage sind, Perspektiven bzw. Visionen hinsichtlich der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung aufzuzeigen. Stattdessen sind sie eingeklemmt zwischen kleineren Satellitenparteien. Wie schon bei den vorangegangenen Wahlen – und es wird bei den nächsten nicht anders sein – haben sie nichts anderes anzubieten als die Verwaltung des Status quo.

Hiervon profitiert die Dänische Volkspartei. Es ist das Kennzeichen der populistischen und bonapartistischen Parteien und Bewegungen, dass ihr Aufschwung beginnt, wenn die politischen Kräfte der Hauptklassen an Kraft verlieren. Unter einem vage ausformulierten, aber populären gemeinsamen Dach gelingt es den Rechtspopulisten, sich breit aufzustellen und offenkundige politische Konflikte auf verschiedenen Feldern zwischen diversen sozialen Gruppierungen zu neutralisieren.

Mit dem radikalen nationalistischen Slogan des »Dänentums« pflegt die Dänische Volkspartei einen »Eklektizismus«, der es ihr erlaubt, Vorruheständler, Hilfeempfänger, Bauern, kleine Selbständige, geringverdienende Angestellte und Arbeiter – also Leute ohne viel Geld, auf die andere herabsehen und denen sie wenig Respekt zollen – zusammenzubringen. Die Mehrheit dieser Leute ist weder rassistisch noch fremdenfeindlich. Sie verteidigen den Nationalstaat und sind es müde, von einem politischen und intellektuellen System unterdrückt zu werden, dem bis zu einem gewissen Grad auch die Gewerkschaften zugerechnet werden.

Damit kommen wir zu einem wichtigen Punkt, der hinter dem Wachstum des Rechtspopulismus steht: die Mitverantwortung der politischen Linken in Dänemark – der Sozialdemokratie, der Sozialistischen Volkspartei und der Einheitsliste. Nicht in erster Linie wegen der beschämenden Beteiligung der Sozialdemokratie an der Verschärfung der Ausländergesetzgebung, sondern vor allem wegen des Fehlens politischer Perspektiven.

Dadurch, dass sie nur von Umverteilung redet, ohne die Strukturen des Kapitalismus anzugreifen, womit ihr auch sozialistische Perspektiven verloren gehen, hat die Linke erst den politischen Raum geschaffen, den der Populismus hervorragend auszubeuten in der Lage ist: den engen nationalistischen Horizont des Dänentums. (Sozialdemokratie wie Venstre haben versucht, in diesen Raum vorzustoßen, aber beide Parteien haben europäische Verpflichtungen, die sie davon abhalten, das in gleicher Weise zu tun wie die Dänische Volkspartei.)

Mit der Beerdigung des Konzepts der Klasse tragen die Parteien der Linken dazu bei, Populismus zu legitimieren. Ihr politisch-programmatischer Kontext ist Reich gegen Arm mit der Mittelklasse dazwischen, also Verteilungspolitik entlang sozialer Schichtung. Mit dem Konzept der Klasse sind auch die Bedingungen und Formen der Reichtumsproduktion aus den politischen Auseinandersetzungen verschwunden.

Allerdings könne, so wird gesagt, die Reichtumsverteilung nicht groß verändert werden, wenn das Wachstum des Kapitals nicht geschwächt werden soll. Es sei kein Geld vorhanden, heißt es. Jeder Ansatz, die Klassenperspektive in die politische Debatte einzubringen, wird als unkalkulierbarer Sprengsatz angesehen. Folgerichtig werden die diversen sozialen Probleme als »Spezialprobleme« isoliert voneinander thematisiert (z.B. »die Alten« oder »die Kranken«). Der Eklektizismus wird zur Norm. Perspektiven werden in metaphysische Konstruktionen oder abstrakte Phänomene wie »Ungleichheit« oder »Ungerechtigkeit« transformiert, offen für alle möglichen Interpretationen, ohne jeglichen realen Wert.

Als Aufgabe der politischen Parteien wird erachtet, das Beste für die verschiedenen Gruppen herauszuholen. Darin ist die Dänische Volkspartei gut. Sie bringt die Unzufriedenheit und den Zorn der verschiedenen sozialen Gruppierungen im Lande zur Sprache, die sich nicht länger mit einer Klasse, einem politischen Programm oder einer politischen Ideologie identifizieren, in der sie eine Rolle spielen würden. Sie identifizieren sich umso mehr mit einer Partei, die sich für sie einsetzt, mit einem eklektizistischen Programm, aus dem jede/r das heraussuchen kann, was zu seinem/ihrem Weltbild passt – unter dem gemeinsamen Dach der Nation, vereint gegen innere und äußere Feinde.

Im Ergebnis der Wahl ist das Parlament in hohem Maße fragmentiert. Dabei ist die Dänische Volkspartei nun zu einer Größe angewachsen, bei der es nicht mehr ausreicht, nur der Repräsentant von Unzufriedenheit zu sein. Die Partei muss Verantwortung übernehmen. Damit riskiert sie nun allerdings, beispiellosen Widerstand und Widerspruch von den Wählern, der Öffentlichkeit und dem Rest des politischen Establishments auf sich zu ziehen.

Wie sollte die Linke damit umgehen? Wir denken, die Antwort müsste die Schaffung einer breiten Bewegung mit einer sozialistischen Perspektive sein, zu der sich die Linke ja selbst immer wieder verpflichtet. Also eine Alternative dazu, dass nur perspektivlose Umverteilung möglich sei.

Es reicht nicht, einfach nur zu den Leuten zu gehen und mit ihnen zu reden. Die Unterhaltung muss eine politische Perspektive jenseits des Bestehenden zum Thema haben, anzustrebende politische Ziele, und sie muss so geführt werden, dass daraus organisierte Aktionen von unten erwachsen. In anderen Worten: Populismus darf nicht kopiert, sondern muss zersetzt werden; nur so ist es möglich, systematisch und konsistent mit Eklektizismus und Klassenkonfusion aufzuräumen.

DIE ZEIT schrieb einen Tag nach der Wahl: »Die Dänen finden ihr Land richtig gut. Nun sind die Rechtspopulisten zweitstärkste Kraft geworden. Höchste Zeit, einmal zu sagen: Ihr seid wirklich nichts Besonderes.« (). Dies ist die vielleicht wichtigste Erkenntnis.

Jan Helbak und Klaus Krogsbæk sind Redakteure von www.kritiskdebat.dk. Übersetzung aus dem Englischen: Richard Detje.

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