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ISBN 978-3-96488-121-2

22. August 2013 Joachim Bischoff

Die Not der Städte und Kommunen

Die finanzielle Lage vieler Kommunen in Deutschland ist dramatisch. Fast 60% der Kommunen rechnen 2013 mit einem Haushaltsdefizit. Um ihre Haushalte ins Lot zu bringen, greifen zahlreiche Städte und Gemeinden zu teils drastischen Maßnahmen. 16% haben bereits ihre Ausgaben für die Jugend- oder Seniorenhilfe gekürzt oder planen dies.

14% wollen oder werden die Straßenbeleuchtung reduzieren, 13% Hallen- und Freibäder schließen oder deren Betrieb einschränken. Außerdem wollen sie weiter an der Gebührenschraube drehen: 43% gaben an, die Grundsteuer bereits erhöht zu haben oder dies zu planen. Knapp 40% wollen die Gebühren für Kitas und Ganztagsschulen heraufsetzen, 38% die Friedhofsgebühren. Mehr als die Hälfte der Kämmerer rechnet damit, in den kommenden drei Jahren Budget-Sicherungskonzepte oder -sanierungspläne aufstellen zu müssen. In den letzten drei Jahren waren es bereits 40%.

In den Jahren 2007 bis 2011 ist die Gesamtverschuldung der Städte und Gemeinden von 111 auf 130 Mrd. Euro gestiegen. Das eigentlich Bedrohliche daran: Für diesen Anstieg sind überwiegend höhere Kassenkredite verantwortlich. Diesen Krediten stehen keinerlei Werte oder Investitionen gegenüber. Das geht aus dem Kommunalen Finanzreport 2013 der Bertelsmann Stiftung hervor. Die Spaltung in reiche und arme Kommunen vertieft sich – viele Städte scheinen in einer Abwärtsspirale aus Überschuldung, Abwanderung und sinkender Attraktivität gefangen. Die Bertelsmann Stiftung spricht sich deshalb dafür aus, ähnlich wie für die Landeshaushalte auch für Kommunen eine Schuldenbremse zu erlassen.

Das Bundesfinanzministerium wiederspricht dieser Trendmeldung: »Im Jahr 2012 war für die Kommunen insgesamt erstmals seit 2008 wieder ein Finanzierungsüberschuss von 1,8 Mrd. € zu verzeichnen. Auch für das laufende Jahr und die Folgejahre ist von Überschüssen für die Kommunen insgesamt auszugehen.«

Auch den Anstieg der Kassenkredite ordnen die Berliner Finanzleute anders ein. »Der Bestand an Kassenkrediten – die eigentlich nur zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe verwendet werden dürfen – erhöhte sich weiter und deutlich stärker als die für Investitionen genutzten Kreditmarktmittel. Ende 2012 betrugen sie 47,5 Mrd. €. Gleichwohl fiel der Anstieg im Jahr 2012 im Vergleich mit den Vorjahren mit 5,5 % relativ gering aus; in den Jahren 2009 bis 2011 bewegten sich die Zuwachsraten bei den Kassenkrediten zwischen 9,5 % und 17,8 %. Der trotz positiver Entwicklung der Finanzierungssalden weiter gestiegene Bestand an Kassenkrediten deutet auf eine verfestigte Spreizung der Finanzsituation von finanzstarken und finanzschwachen Kommunen innerhalb und zwischen den Ländern hin.«

Fakt ist: 2007 machten die Kassenkredite mit 29 Mrd. Euro ein Viertel der kommunalen Gesamtschulden aus. Bis Ende 2011 sind die Kassenkredite um über die Hälfte auf 44 Mrd. Euro angestiegen und 2012 wurde die Rekordmarke von 47,5 Mrd. erreicht. Kassenkredite gelten als Kern der kommunalen Finanzkrise, weil sie ausschließlich der Liquiditätssicherung dienen. Sie wurden zum Symbol der zunehmenden Handlungsunfähigkeit der Städte und Gemeinden, da mit steigenden Kassenkrediten auch der Raum für Investitionskredite und damit Bau und Instandhaltung von Straßen, Schulgebäuden und sonstiger städtischer Infrastruktur enger wird.

Der Widerspruch löst sich auf, wenn die Verteilung unter den Kommunen betrachtet wird. Der Bestand an Kassenkrediten nach Ländern ist auf wenige Länder und innerhalb dieser Länder auf bestimmte Kommunen konzentriert. So entfielen Ende 2012 insgesamt 50% aller Kassenkredite auf die Kommunen in Nordrhein-Westfalen, rund 16% auf die Kommunen in Hessen, rund 13% auf die Kommunen in Rheinland-Pfalz und rund 10% auf die Kommunen in Niedersachsen.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf über die bereits getroffenen Maßnahmen hinaus. Drei Argumente werden angeführt.

Erstens: »Die Projektion des BMF für den Stabilitätsrat geht für 2013 und die Folgejahre von Überschüssen der Kommunen insgesamt aus. Diese Annahme wird von der Herbst-Steuerschätzung 2012 gestützt: Danach werden sich die kommunalen Steuereinnahmen in den Jahren 2013 bis 2016 – ausgehend vom hohen Niveau des Jahres 2012 – weiter erhöhen.«

Zweitens: Der Bund hat Entlastungen für die Kommunen bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (ab 2014 übernimmt der Bund 100 % der Nettoausgaben) auf den Weg gebracht. Außerdem hat er Beiträge zur Finanzierung der Infrastruktur der Kinderbetreuung zugesagt. Zunächst stellt er insgesamt vier Mrd. Euro bereit, wovon 2,15 Mrd. Euro in Investitionsmaßnahmen fließen und 1,85 Mrd. Euro für die Betriebskosten vorgesehen sind. Zusätzlich zu diesen vier Mrd. Euro werden einmalig weitere Investitionskosten in Höhe von 580,5 Mio. Euro übernommen und die Beteiligung an den Betriebskosten dauerhaft auf 75 Mio. Euro pro Jahr erhöht. Ab 2014 beteiligt sich der Bund damit jährlich mit 770 Mio. Euro an den zusätzlichen Betriebskosten.

Zudem hat der Bund seinen Finanzanteil an den Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen des Hartz-IV-Systems erhöht. Die zusätzlichen Mittel von jährlich rund 400 Mio. Euro können für die Schulsozialarbeit und die Bereitstellung von außerschulischen Hortmittagessen für hilfebedürftige Schülerinnen und Schüler genutzt werden. Insgesamt beträgt die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung in den Jahren 2011 bis 2013 durchschnittlich 36,4%. Damit trägt der Bund nicht nur einen wesentlichen Teil der Kosten der Unterkunft der Kommunen, sondern ermöglicht ihnen auch die administrative Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe. Allein in den Jahren 2010 bis 2013 stellte er hierfür (Kosten der Unterkunft, Sozialarbeit, Bildung und Teilhabe) 17,63 Mrd. Euro zur Verfügung.

Schließlich sind im Rahmen des »Pakt für Beschäftigung und Stabilität in Deutschland« (Konjunkturpaket II) Finanzhilfen für zusätzliche Investitionen in die öffentliche Infrastruktur von Ländern und Kommunen im Umfang von 10 Mrd. Euro bereitgestellt gestellt worden. 65% der Finanzhilfen waren für Investitionen im Bereich der Bildungsinfrastruktur (insbesondere Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen) und 35% im Bereich der sonstigen Infrastruktur (u. a. Krankenhäuser, Städtebau, ländliche Infrastruktur, Lärmschutzmaßnahmen im kommunalen Straßenbau) vorgesehen. Darüber hinaus hatte das Zukunftsinvestitionsgesetz die Länder verpflichtet, den finanzschwächeren Kommunen die gleiche Chance auf Teilnahme an dem Investitionsprogramm einzuräumen wie den finanzstärkeren Kommunen.

Auch die bestehenden Instrumente wie Gemeinschaftsaufgabe GRW und Städtebauförderung stellen Städte und Gemeinden Finanzmittel zur Verfügung. Einschließlich der Kofinanzierung durch Länder und Kommunen stehen öffentliche Programmmittel in Höhe von rund 1,4 Mrd. Euro für städtebauliche Erneuerungsmaßnahmen bereit. In den Jahren 2010 bis 2012 wurden für die Städtebauförderung insgesamt rund 5,7 Mrd. Euro an öffentlichen Mitteln verausgabt.

Und drittens: Sieben Bundesländer haben Entschuldungsfonds für ihre Kommunen aufgelegt – z.B. Niedersachsen und NRW. Allerdings läuft dies überwiegend auf eine Umverteilung unter den Kommunen hinaus. Die Länder haben nach der Finanzverfassung die Verantwortung für angemessene Kommunalfinanzen. Um die Kommunalfinanzen strukturell und dauerhaft zu verbessern, müssen jedoch Schuldenabbau sowie Maßnahmen auf der Einnahmen- und der Ausgabenseite Hand in Hand gehen.

Mit all den genannten Maßnahmen werden die aufgebrochenen Widersprüche bestenfalls in eine Bewegungsform gebracht. Die Einführung einer kommunalen Schuldenbremse hilft sowenig weiter wie der Versuch der Glättung der Unterschiede unter den Kommunen. In der Konsequenz verschlechtern sich tendenziell die kommunalen Lebensbedingungen und die Defizite in der öffentlichen Infrastruktur werden vergrößert. Der tatsächliche Zustand der kommunalen Haushalte ist zudem noch viel trostloser, weil Teile der Schulden sich nicht mehr in den Haushaltsbüchern niederschlagen.

Nahezu 60% ihrer Schulden haben die Kommunen inzwischen ausgelagert – etwa in Beteiligungen an Unternehmen für Versorgung oder Wohnungswirtschaft. Eine durchgreifende finanzielle Sanierung der Kommunen ist durch Kürzungen nicht möglich – zu hoch ist der Schuldenberg, den die Kommunen vor sich her schieben. In vielen Verwaltungen gibt es kaum noch freiwillige Leistungen, die gekürzt, oder Gebühren, die weiter erhöht werden könnten. Da ist inzwischen das Ende der Fahnenstange erreicht.

Aus der Spirale sinkender Handlungsfähigkeit und wachsender sozialer Probleme führt nur ein gesamtgesellschaftlicher Kraftakt heraus, der u.a. die Kommunen – abgesehen von Übergangsmaßnahmen – mit stabilen Steuereinnahmen ausstattet. Neben höheren Anteilen aus dem gesamtgesellschaftlichen Steueraufkommen müsste die Grund- und Gewerbesteuer grundlegend erneuert werden. Die Gewerbesteuer müsste zu einer Gemeindewirtschaftssteuer weiterentwickelt werden.

Bei der Gemeindewirtschaftssteuer sollten alle unternehmerisch Tätigen einbezogen werden. Die Last der bisherigen Gewerbesteuer könnte so auf mehr »Schultern« verteilt werden. Zudem soll eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, die auch vom Städtetag sowie dem Städte- und Gemeindebund gefordert wird, dazu beitragen, die derzeitige Einnahmesituation der Gemeinden zu verstetigen, d.h. sie konjunkturunabhängiger zu gestalten

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