Klaus Lederer:
Mit links die Welt retten

Montag, den 6. Mai | Hamburg | 18:00 Uhr
Barmbek-Basch, Wohldorfer Str. 30. Der ehemalige Kultursenator von Berlin (Die Linke) stellt auf Einladung des Eilbeker Kreis innerhalb der Linken Hamburg sein neues Buch vor, in dem er »Linkssein radikal neu« denkt. Und er wird über die Situation seiner Partei diskutieren.

Hajo Funke
AfD-Masterpläne
Die rechtsextreme Partei und die Zerstörung der Demokratie | Eine Flugschrift
108 Seiten | EUR 10.00
ISBN 978-3-96488-210-3

Michael Brie
Linksliberal oder dezidiert sozialistisch?
Strategische Fragen linker Politik in Zeiten von Krieg und Krise
Eine Flugschrift
126 Seiten | EUR 12.00
ISBN 978-3-96488-215-8

Antje Vollmer/Alexander Rahr/Daniela Dahn/Dieter Klein/Gabi Zimmer/Hans-Eckardt Wenzel/Ingo Schulze/Johann Vollmer/Marco Bülow/Michael Brie/Peter Brandt
Den Krieg verlernen
Zum Vermächtnis einer Pazifistin | Eine Flugschrift
120 Seiten | EUR 12.00
ISBN 978-3-96488-211-0

Margareta Steinrücke/Beate Zimpelmann (Hrsg.)
Weniger Arbeiten, mehr Leben!
Die neue Aktualität von Arbeitszeitverkürzung
160 Seiten | EUR 16.80
ISBN 978-3-96488-196-0

Stephan Krüger
Der deutsche Kapitalismus 1950–2023
Inflation, Beschäftigung, Umverteilung, Profitraten, Finanzkrisen, Weltmarkt
232 Seiten | zahlreiche farbige Abbildungen | EUR 24.80
ISBN 978-3-96488-189-2

Frank Deppe
Zeitenwenden?
Der »neue« und der »alte« Kalte Krieg
176 Seiten | EUR 14.80
ISBN 978-3-96488-197-7

Peter Wahl
Der Krieg und die Linken
Bellizistische Narrative, Kriegsschuld-Debatten und Kompromiss-Frieden
Eine Flugschrift
100 Seiten | Euro 10.00
ISBN 978-3-96488-203-5

Heiner Dribbusch
STREIK
Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000 – Daten, Ereignisse, Analysen
376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

26. September 2013 Ulrich Bochum: Leichtes Wachstum in Großbritannien

Ende der Depression?

Nachdem das britische Statistikamt für das zweite Quartal 2013 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 0,7% festgestellt hatte, war in der Presse bereits von einer bemerkenswerten Erholung der nationalen Wirtschaft die Rede. Endlich zahle sich die harte Sparpolitik im öffentlichen Sektor aus, auf die Schatzkanzler Osborne seit Jahren setzt.

Überall war daher enthusiastisch von »Recovery« zu lesen, obwohl doch ein Ende der Depression der britischen Wirtschaft mehr bedeuten sollte, als eine minimale Wachstumsrate, die gerade einmal das Niveau von vor drei Jahren erreicht hat. Das Wachstum ist zudem ausgesprochen unausgewogen verteilt: Wenn etwas wächst, dann ist es die Metropolen-Region London.

Während der letzten Jahre wurde aktive Wirtschaftspolitik vor allem durch die ultra lockere Geldpolitik der Bank of England betrieben, die das Zinsniveau solange niedrig halten soll »bis Jobs und Einkommen wirklich wieder zunehmen«. Folgt man dieser Definition von Erholung, dann wurden nach optimistischen Annahmen zu Beginn des Jahres 2013 ca. 500.000 Jobs geschaffen und mit der nun registrierten Zunahme des Wachstums von 0,7% die Erholungsschwelle erreicht. Die Arbeitslosigkeit liegt allerdings immer noch zwischen 7% und 8%.

Weitere Indikatoren für eine Erholung beziehen sich auf die Entwicklung der Hauspreise, die nach einem jahrelangen Abwärtstrend seit Mitte 2012 wieder leicht zunehmen. Dabei kommt insbesondere die von der Regierung aufgelegte Subventionierung so genannter Erstkäufer (First Time Buyers) von Eigenheimen zum tragen, die nun wieder stärker in Anspruch genommen wird. Die Bewilligungen von Hypotheken-Krediten haben im letzten Jahr ebenfalls um 10% zugenommen, so dass sich für den Immobilienmarkt insgesamt scheinbar ein rosiges Bild ergibt. Es werden aber bereits wieder Zweifel laut, die von einer erneuten Bubble-Bildung im Immobiliensektor sprechen.

Mehrere Indices, die die Einkaufs- und Vertrauensstimmung in der Wirtschaft erfassen, zeigen ebenfalls nach oben. Auch das Verarbeitende Gewerbe (Manufacturing) verzeichnete in den letzten Monaten eine leichte Zunahme vor allem aufgrund einer Steigerung der Produktion im Maschinenbau und in der Stahlproduktion. Allerdings war diese Zunahme zu schwach, um die vorhergehenden Rückgänge, die durch den lang anhaltenden Krisenzyklus hervorgerufen wurden, zu kompensieren.

Stattdessen geht diese leichte Erholung des Verarbeitenden Gewerbes mit einem zunehmenden Handelsbilanzdefizit einher, das die Rekordhöhe von 3,1 Mrd. Pfund erreicht hat. Das heißt also, je stärker die Produktion im Vereinigten Königreich zunimmt, desto stärker steigen die Importe, die nötig sind, um die Produktionssteigerung zu realisieren. Auch die mit dem Verlauf der Krise einhergehende Abwertung des britischen Pfunds hat die industrielle Produktion nicht besonders beleben können – der industrielle Output liegt immer noch 10% unter dem Niveau von 2008. Die produktiv-industrielle Basis in Großbritannien ist daher nach wie vor äußert schwach und fragil. Es stellt sich die Frage, ob diese Basis nicht grundlegend beschädigt ist und damit alle offiziell propagierten Träume eines exportgetriebenen Wachstums nicht Halluzinationen sind.

Die Erholungs-Story wird noch komplizierter, wenn man in Rechnung stellt, dass die vierteljährlichen Wachstumszahlen des Bruttoinlandsprodukts keine regionalen Unterschiede berücksichtigen. Es stellt sich nämlich heraus, dass fast ausschließlich die Metropolen-Region London für das Wachstum sorgt. Zwischen 1997 und 2006 verantworteten London und der Südosten Englands 37% des Wachstums des  Bruttoinlandsproduktes, während benachteiligte Regionen wie Wales und der Nordosten Englands nicht mehr als 3% zum Wachstum beitrugen. London ist also die Oase in der Wüste oder wie die FAZ schrieb: »Großbritannien darbt, London glänzt.« London sei es gelungen, eine mächtige postindustrielle Exportwirtschaft aufzubauen, exportiert werden nicht Autos oder Maschinen, sondern Finanzdienstleistungen.

Eine »Erholung« von 1-2% Wachstum bedeutet daher für die ärmeren Regionen im Norden gar nichts. Wie Karel Williams im Guardian hervorhob, sind auch die publizierten Rückgänge der Arbeitslosigkeit ohne Bedeutung, denn im Zeitalter der Flexibilität sind 60% der neuen Jobs prekär und im Niedriglohn-Segment angesiedelt, was wiederum zur Folge hat, dass sie durch öffentliche Zuwendungen, wie z.B. Wohngeld (housing benefits) subventioniert werden müssen. Ein Drittel der Jobs sind Teilzeit-Beschäftigungen, die in ihren Vertragsbedingungen so genannte Zero-Hours-Klauseln enthalten, die nicht mehr als drei Stunden Beschäftigung in der Woche versprechen.

Eine Umfrage der Gewerkschaft Unite fand heraus, dass 22% der Beschäftigten im Privatsektor Arbeitsverträge mit diesen Klauseln haben. Urlaubs- und Krankengeld sind bei diesen Verträgen ebenfalls die Ausnahme. Geografisch konzentrieren sich die Beschäftigten mit diesen Verträgen im Nordwesten Englands und branchenspezifisch betrachtet spielen diese Verträge insbesondere in der Landwirtschaft eine herausragende Rolle. Unite fordert daher die Wiederherstellung von tariflich geregelten Arbeitsbedingungen in diesen Sektoren, insbesondere in den Bereichen Soziales, Pflege, Einzelhandel und logistische Dienstleistungen. Es zeigt sich also auch in Großbritannien das bekannte Bild eines Ersatzes gut bezahlter Jobs im öffentlichen Sektor durch qualitativ schlecht bezahlte Jobs in der Privat-Wirtschaft.

Die »Recovery« zeigt primär wie unausgewogen die ökonomischen Strukturen im Vereinigten Königreich verteilt sind. Statt unverdrossen Geld in den ökonomischen Kreislauf zu pumpen, wäre es angebracht, die vernachlässigten Regionen von Grund auf zu erneuern und für diese Erneuerung an den Strukturen anzuknüpfen, die noch vorhanden sind: die regionalen Versorgungsunternehmen, Supermärkte, Schulen, Krankenhäuser, kurz eine regionale Strukturpolitik zu initiieren, die den Namen verdient.

Obwohl daher Zweifel angebracht sind, dass das Vereinigte Königreich die depressive Phase der Krise verlassen hat, spielen auch leicht positive Wachstumssignale der konservativ-liberalen Regierung in die Hände. Auf dem gerade stattfindenden Parteitag der Labour Party hat sich der Parteivorsitzende Ed Milliband alle Mühe gegeben, den Eindruck zu verwischen, Labour habe die Debatte um die richtige Wirtschaftspolitik bereits verloren.

Milliband versuchte in seiner mit großer Anerkennung zur Kenntnis genommenen Rede den Eindruck zu zerstreuen, dass die Konservativen die britische Ökonomie gerettet hätten. Er verwies darauf, dass die angebliche »Recovery« die Tendenz zur Verbreiterung von Ungleichheit und unfairen Verhältnissen habe und setzt darauf, dass die steigenden Lebenshaltungskosten die nationale Rettung durch die Konservativen arrogant und selbstgefällig aussehen lassen werden. Ungleichheit und Ungerechtigkeit sind in seinen Augen bewusster Teil der konservativen ökonomischen Strategie. In der von Cameron und seinen konservativen Strategen verfolgten Politik sieht er ein globales Wettrennen nach unten, in dem Großbritannien in einen neo-viktorianischen Sweatshop verwandelt würde. Dabei gibt es nur ein Problem: Viele sagen, dass diese Umwandlung in weiten Sektoren der britischen Gesellschaft bereits passiert ist.

Nachweise
Rafael Behr: Ed Milliband's speech: A manifesto for Millibandism, http://www.newstatesman.com/politics/2013/09/ed-milibands-speech-manifesto-milibandism
Sarah Butler: Zero-hours contracts: 5,5m Britons are on deals offering little garanteed work, The Guardian 8.9.2013
Phillip Inman/Ian Traynor: UK economy: a miraculous recovery – or a blib in a longer-term decline? The Guardian 8.9.2013
Philip Inman: UK economy expanding at same rate as when coalition came to power, The Guardian, 6.9.2013
Marcus Theurer: Die Oase in der Wüste britischer Depression, FAZ 2.8.2013
Office for National Statistics: Statistical Bulletin Labour Market Statistics, September 2013
Dies.: Economic Review September 2013
Nicholas Watt: Labour will lead Britain on race to the top, Ed Milliband vows, The Guardian 24.09.2013
Karel Williams: National recovery? Don't believe the hype, The Guardian 8.9.2013

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