4. Oktober 2010 Joachim Bischoff / Norbert Weber
Ende der offenen Immobilienfonds?
In Deutschland wird ein offener Immobilienfonds liquidiert. Der KanAm US-Grundinvest Fonds wird aufgelöst, das Vermögen bis Ende März 2012 an die Anleger ausgezahlt. Der Fonds war schon seit Ende Oktober 2008 geschlossen, weil er nicht mehr genügend flüssige Mittel hatte. Von Gesetzes wegen muss er jetzt wieder geöffnet werden, weil die Fonds nur zwei Jahre geschlossen bleiben dürfen.
Im Frühjahr 2010 hatte eine Umfrage unter den Anlegern ergeben, dass die Fondsverwaltung rund 200 Mio. US-Dollar durch Verkäufe in der Kasse haben musste, um Ausstiegswilligen ihre Anteile auszahlen zu können. Mittlerweile hat sich das Volumen der Aussteiger erhöht. Daher bleibt KanAm nur ein Ausweg: den 550 Mio. US-Dollar schweren Fonds zu liquidieren.
Alle Immobilien werden verkauft, die Erlöse an die Anleger ausgezahlt. Zehn der 17 Immobilien in den USA schlug KanAm schon los, die restlichen sollen folgen. Die Anleger müssen sicherlich erhebliche Wertberichtigungen verdauen.
Jahrelang wurden diese Immobilienfonds als sichere Anlageform empfohlen. Banken, Sparkassen und Genossenschaftsinstitute hatten offene Immobilienfonds als risikoarme Alternative zu Anlagen in Aktien und Anleihen empfohlen.
Warum waren diese Fonds so beliebt? Weil die Finanzmittel in Immobilien, also vermeintlich wertbeständige Anlagen, flossen und zudem auch Steuervorteile boten. Daher die Verkaufsargumente für diese Wertpapiergattung: seriös, konservativ, jederzeit verfügbar (fungibel), praktischwertverlustfrei und nachhaltig.
Die Schwächen dieses Geschäftsmodells lagen allerdings auf der Hand: Läuft der Handel mit Immobilien schlecht, kann das Fonds-Management nicht auf andere Branchen ausweichen und muss im schlimmsten Fall teure Gebäude mit Verlust losschlagen, um Forderungen von Anlegern begleichen zu können.
Eine erste Schließungswelle gab es Ende 2006 mit den Vorläufern der Finanzkrise. Nachdem diverse Fonds wieder geöffnet hatten, mussten viele 20008 /2009 ein zweites Mal die Fondsvermögen einfrieren.
Aktuell hat es nun Deutschlands größte Fondsgesellschaft, die Allianz Global Investors, erwischt, die mangels Liquidität ihren Immobiliendachfonds „Premium, Management Immobilien-Anlagen-P-EUR“ dichtmachen musste. In den letzten Wochen und Monaten sind mehr als eine Mrd. Euro von den Anlegern abgezogen worden. Durch die Schließung hat man den „Rest“ dem Zugriff der Anteilseigner entzogen. Das Problem des Allianz-Dachfonds ist, dass er in allen zehn derzeit – wenn auch nur vorübergehend – geschlossenen Immobilienfonds investiert ist. Die Allianz hatte den Dachfonds ehemals von der zur Commerzbank gehörenden Cominvest übernommen.
Schon im Herbst 2008 hatten Investoren im Zuge der Finanzkrise unerwartet hohe Summen aus offenen Immobilienfonds abgezogen und so die Anbieter in Liquiditätsnöte gebracht. Die Lage hat sich seitdem kaum entspannt. Gegen die weltweite Finanzmarktkrise, deren Folgen gerade auf dem US-Immobilienmarkt noch immer deutlich zu spüren sind, hatte KanAm mit seinem US-Portfolio keine Chance. Und auf dem Gewerbeimmobilienmarkt in den USA ging ab 2008 gar nichts mehr. Das Transaktionsvolumen sank auf historische Tiefstände. Käufer, die bereit gewesen wären, angemessene Preise für Immobilien des US-Grundinvest zu zahlen, waren lange Zeit nicht in Sicht.
Für die neue Schließungswelle machen die Fondsgesellschaften den Gesetzgeber mit verantwortlich. Dieser hatte im Mai 2010 Jahres einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den offenen Immobilienfonds die tägliche Verfügbarkeit verbieten will und vorsieht, dass pauschal 10% Abschlag auf die in den Fonds enthaltenen Immobilien vorgenommen werden muss.
Die Lage auf den Immobilienmärkten und die neuen Regeln haben dazu geführt, dass Anleger in großem Umfang aus den Fonds ausgestiegen sind, was den offenen Immobilienfonds massive Liquiditätsprobleme bescherte. Es ist nicht auszuschließen, dass das ganze Segment dieser Anlagemöglichkeit (ca. 90 Mrd. Euro) insgesamt vom Markt verschwindet.
Die Reform der offenen Immobilienfonds bringt vielen Anlegern offenkundig nicht mehr Sicherheit, so dass die Sparte wohl verschwinden wird. Bisher war nicht geregelt, was geschehen soll, wenn ein Fonds auch nach zweijähriger Schließung nicht öffnen kann. Dann steht die Möglichkeit der Abwicklung im Raum, die betroffenen Anlegern hohe Wertverluste bringen dürfte. Eine Abwicklung wird angesichts der absehbaren Entwicklung des Immobilienbereiches zu erheblichen Wertverlusten führen.
Inzwischen ist die neue Dimension erreicht. KanAm hat nicht nur das Fondsvermögen zeitweise eingefroren, sondern als erster offener Immobilienfonds überhaupt vollständig liquidiert. Der Fonds wird aufgelöst. Insider sehen bereits Fonds weiterer Gesellschaften folgen. Vor dem gleichen Problem wie KanAm stehen der P2 Value von Morgan Stanley Real Estate sowie die Aberdeen-Fonds Degi International und Degi Europa, die wohl als erste dem Beispiel KanAm folgen werden.