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Peter Wahl
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Heiner Dribbusch
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Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000 – Daten, Ereignisse, Analysen
376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

9. Dezember 2015 Joachim Bischoff: Neue Analysen der BIZ

Entladung von Spannungen auf den Finanzmärkten?

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) – eine Art Zentralbank der Zentralbanken – macht sich seit längerem Sorgen über die Spannungen auf den internationalen Finanzmärkten, und vor allem die Stabilität der Schwellenländer. Die ökonomische Instabilität dieser Länder sei in den letzten Monaten kontinuierlich gewachsen.

Die Kredite und die Marktliquidität verschlechterten sich für die aufstrebenden Volkswirtschaften rapide, während in den fortgeschrittenen Ökonomien der steile Aufwärtstrend anhielt. An den Finanzmärkten sei zwar vordergründig Ruhe eingekehrt, doch das sei eine »angespannte Ruhe«, schreibt die BIZ im letzten Quartalsbericht. Der Ruhe vorangegangen sei eine wechselhafte Zeit für die weltweiten Bankkredite und Kapitalströme. Anspannung ortet die BIZ nun in Schwellenländern, am Anleihenmarkt, im Bankensektor und im Auseinanderdriften der Geldpolitik in den großen Währungen.

Der Chefvolkswirt der BIZ, Claudio Borio, warnt davor, die Geldpolitik an überzogenen Inflationserwartungen auszurichten. »Viele machen sich Sorgen wegen der niedrigen Inflation, aber diese Sorge ist übertrieben.« Borio bezeichnete die niedrige Teuerung als »eine große Errungenschaft«.

Borio zufolge ist die Geld- und Wirtschaftspolitik derzeit zu sehr auf die kurzfristige Inflations- und Konjunkturdynamik fixiert. Stattdessen sollte sie stärker auf Finanzzyklen achten und Kreditbooms verhindern. Während das Auf und Ab der Wirtschaftsaktivität relativ kurzatmig ist, dauerten Finanzzyklen oft viele Jahren. Gemeint ist damit das An- und Abschwellen kreditfinanzierter Finanzbooms.

Nach Einschätzung der BIZ hatte der 2006 in die Finanzkrise mündende Zyklus schon 1995 begonnen. Der 2006 beginnende Abschwung endete 2013. Seither zeigt der Trend wieder nach oben. Folgt die aktuelle Episode dem Muster der vorigen, dann wird der aktuelle Boom noch kräftiger als der vorherige, und der anschließende Absturz ebenfalls.

»Finanzkrisen können großen und anhaltenden Schaden anrichten«, sagte Claudio Borio. Erfreulicherweise hätten sich in etlichen Ländern die Wachstumsraten auf das Vorkrisenniveau erholt, aber das Bruttoinlandsprodukt habe noch nicht wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Ultralockere Geldpolitik helfe gegen einen tiefen Absturz in der Krise, aber eine durchgreifende Bereinigung und einen tendenziellen Abbau des Kreditbooms könne man auf diese Weise nicht erreichen. Die Belege für die Kreditpolitik in Europa sind deutlich. Das Schuldenwachstum sei ungebrochen.

Im August und September dieses Jahres hatte es an den Aktienmärkten noch deutliche Verluste gegeben. Der Grund waren die Probleme der Schwellenländer, insbesondere Chinas. Im Oktober beruhigten sich dann die Märkte, in erster Linie aufgrund der lockeren Geldpolitik der Zentralbanken.

Die Schwellenländer sind abhängig von der US-Geldpolitik. Denn viele dieser Märkte haben ihr Wachstum mit ausländischen Kapitalzuflüssen finanziert – und diese könnten sich drehen, wenn die Renditen in den USA attraktiver werden. Das ist im Markt spätestens seit 2013 bekannt, als Aussagen des damaligen Fed-Vorsitzenden Ben Bernanke zu Verwerfungen führten.

In den Schwellenländern seien die finanziellen Schwachstellen nicht verschwunden. Das gelte etwa für die in US-Dollar denominierten Schulden. Ihr Bestand sei seit Anfang 2009 auf über drei Bio. US-Dollar gestiegen und habe sich damit ungefähr verdoppelt. Die BIZ folgert: »Der Wert dieser Schulden gemessen in Landeswährung ist parallel zur Aufwertung des Dollars gewachsen, was die Finanzierungsbedingungen verschärft und Bilanzen schwächt.«

Kommt es nun wirklich zu einer Zinserhöhung in den USA – sie wird von den meisten Beobachtern für Mitte Dezember erwartet – so sind erhebliche negative Rückkopplungen auf die Schwellenländer nicht auszuschließen. Laut Borio gibt es einen erheblichen Widerspruch zwischen der Hektik an den Finanzmärkten und der stetigen Verschlechterung der grundlegenden wirtschaftlichen Daten.

In Brasilien und China gibt es gemäss BIZ-Indikator neben einer übermässigen Kreditvergabe ein Warnsignal bei der Schuldenbedienung. Sollten die Zinsen um 2,5 Prozentpunkte steigen, könnte sich die Zinslast dort als zu hoch erweisen.

Die BIZ warnt also: Die wichtigsten aufstrebenden Volkswirtschaften seien wegen ihrer übermässigen Verschuldung wieder sehr krisenanfällig. Dabei werden historisch relevante Frühindikatoren verwendet, die in der Vergangenheit Bankenkrisen vorhergesagt haben. Für die Region Asien leuchten zwei Warnlampen rot auf: Eine übermässige Kreditvergabe (Credit to GDP) und zu hohe Immobilienpreise im Vergleich zum Trend (Property Price Gap) werden attestiert.

Auch habe sich die Bonität der Banken – gemessen am Rating ohne Berücksichtigung staatlicher Unterstützung – in bedeutenden Industrieländern seit 2010 weiter verschlechtert. In vielen Ländern würden die Aktien von Banken immer noch mit einem Abschlag zu ihrem Buchwert gehandelt. Das sei ein klares Zeichen von Misstrauen und Skepsis. Besonders in der Eurozone sei »der Anteil notleidender Kredite viel zu hoch«. Bilanzen sollten konsequent weiter saniert werden.

Bei den Vorschriften für das Eigenkapital der Banken sieht die BIZ noch »beträchtlichen Spielraum«. Das Eigenkapital könne 5% statt der geplanten 3% der Bilanzsumme betragen, ohne negative Konsequenzen – konkret bezog sich die BIZ auf die ungewichtete Eigenkapitalquote (Leverage Ratio).

Die volkswirtschaftlichen Vorteile von höherem Eigenkapital würden die Nachteile deutlich überwiegen. Die BIZ fand kaum Anzeichen dafür, dass eine höhere Eigenkapitalquote die Kreditvergabe massiv belastet. Vor allem aber würden die Banken dadurch viel stabiler, womit das Risiko neuer systemischer Krisen abnehme.

Grund zur Vorsicht sei auch die erwartete Divergenz in der Geldpolitik – die US-Notenbank dürfte den Leitzins erhöhen, während die Europäische Zentralbank ihr Anleihenkaufprogramm verlängert hat und die Bank of Japan ebenfalls expansiv bleibt. Folgen davon seien »möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Wechselkurse und beträchtliche Marktanpassungen«. Zudem warnt die BIZ nach wie vor, eine Zinserhöhung in den USA könnte negative Effekte (Spillovers) auf die Schwellenländer haben.

Vor diesem Hintergrund könne die Ruhe eigentlich nur angespannt sein, resümiert die BIZ. Zwischen dem Verhalten der Märkte und den fundamentalen ökonomischen Gegebenheiten bestehe eindeutig ein Spannungsverhältnis. Irgendwann müsse sich diese Spannung auflösen. »Märkte können viel länger Ruhe bewahren, als wir vermuten. Bis es irgendwann nicht mehr geht.«

Die Anfälligkeit des Finanzsystems ist in den letzten Jahren mitnichten geringer geworden. Vor allem bleiben die Weltfinanzmärkte abhängig von den Signalen der Notenbanken. Welche Rolle das billige Geld hier spielt, sieht man beispielsweise an den Marginloans an der Wallstreet, also der Bedeutung von Wertpapierkrediten für den Kauf von Aktien:

Sehr unterschiedlich läuft die Entwicklung zwischen Industrie- und Schwellenländern im Wertpapierabsatz. Schuldner in fortgeschrittenen Volkswirtschaften begaben im ersten Halbjahr 2015 Wertpapiere in Höhe von insgesamt 247 Mrd. US-Dollar netto, ein Rekordvolumen für die Zeit nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise. Schuldner in aufstrebenden Volkswirtschaften nahmen dagegen im selben Zeitraum netto 137 Mrd. US-Dollar am Schuldtitelmarkt auf. Das ist deutlich weniger als in den drei Vorjahren.

Weiteres Ungemach könnte folgen, falls die US-Zentralbank die Zinsen erhöht. Mitte Dezember wird bekannt, ob das Fed zum ersten Mal seit 2008 die Leitzinsen heraufsetzen wird. Die BIZ-Experten weisen nun nach, dass die amerikanischen Leitzinsen und Anleihenrenditen die entsprechenden Zinsniveaus im Ausland stark beeinflussen.

In den vergangenen Jahren trug die lockere amerikanische Geldpolitik wesentlich dazu bei, dass die Zinsen in vielen Ländern gesunken sind. Aber was geschieht bei einer Zinserhöhung in den USA? Die BIZ ist skeptisch. 2004 bis 2006 seien die weltweiten Kurz- und Langfristzinsen zwar den USA gefolgt. Aber viele Notenbanken könnten sich diesmal dem Trend widersetzen, um etwa ihre Währung vor einer Aufwertung zu bewahren.

Außerdem könnten die Notenbanken der anderen Länder dafür sorgen, dass sich die Zinsen ähnlich wie die in den USA entwickeln. Sind die Zinsen zu hoch im eigenen Land, könnte sich nämlich die Währung unerwünscht aufwerten. Zudem wird spekulatives Kapital durch zu hohe Zinsen angezogen.

Höhere Zinsen in den USA würden auch einen sich weiter aufwertenden US-Dollar zur Folge haben. Das ist der zweite Gefahrenherd für die Schwellenländer. »Jede zusätzliche Aufwertung des Dollars würde die Fähigkeit zum Schuldendienst von Unternehmen in den Schwellenländern auf den Prüfstand stellen«, erklärt die BIZ. Denn viele hätten sich in den vergangenen Jahren stark in US-Dollar verschuldet.

Oft will man die niedrigen Renditen von Dollarkrediten ausnutzen. Doch wenn den Finanzierungskosten in der Fremdwährung keine Einnahmen in derselben Währung gegenüberstehen, wird es gefährlich. Wertet sich die eigene Währung ab, können Unternehmen in Probleme geraten, die Schulden noch zu bedienen.

Wegen der Lehren aus der Asienkrise in den 1990er Jahren ist vielen Schwellenländern bewusst, dass ausländische Bankkredite gefährlich werden können. Doch durch einen Wechsel der Kreditformen wird die Gefahr nicht geringer: Es boomen die Anleihen und die inländische Kreditvergabe in US-Dollar. Sie sind zu den neuen, weniger streng beobachteten Instrumenten geworden, um sich mit US-Dollar einzudecken.

Die Veränderung der Notenbankpolitik in den USA kann eine Spannungsentladung auslösen. Kommt es zu neuen Finanzkrisen wegen dieser Kredite, dürften auch die Wertpapierbörsen in den kapitalistischen Hauptländern erfasst werden.

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