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30. Juli 2017 Joachim Bischoff: Italiens Banken in gefährlicher Schieflage

Faule Kredite und ein hohes Risiko für Europa

Die Rettung der italienischen Krisenbank Monte dei Paschi di Siena ist offiziell in Kraft getreten. Die Europäische Kommission gab grünes Licht für die Staatshilfe, nachdem die älteste Bank der Welt einen Umbau des Geschäftsmodells und den Abbau ihres Schuldenbergs zugesagt hatte. Die Rettung bleibt in Italien und der EU umstritten.

Der italienische Staat stützt das in Schieflage geratene Geldhaus aus der Toskana mit insgesamt 5,4 Mrd. Euro. Im Gegenzug übernimmt der Staat 70% an Monte dei Paschi di Siena. Nach dem Scheitern einer fünf Mrd. Euro schweren Kapitalerhöhung hatte das Geldhaus im Dezember 2016 beim italienischen Staat um Hilfe nachgesucht.

Im Zuge des jahrelangen schwachen Wirtschaftswachstums in Italien ächzt nicht nur Monte Paschi unter einem Berg an faulen Krediten. Die Regierung hat zudem beschlossen, bis zu 17 Mrd. Euro für die Institute Veneto Banca und Banca Popolare di Vicenza bereitzustellen, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) als nicht mehr überlebensfähig eingestuft wurden. Die Vorgänge sind umstritten: Kritiker warfen der EU-Kommission und der Regierung in Rom vor, die neuen Regeln zur Abwicklung von Krisen-Banken missachtet zu haben, weil nun doch wieder Steuergeld zur Rettung genutzt werde.

Die geplante Konsolidierung des Bankensystems ist zweifellos ein wichtiger Schritt seitens der Politik in Rom, um zu einer nachhaltigen Verbesserung der Kapitalakkumulation zu kommen. Um die Lösung des Kernproblems weiter voranzutreiben, müsste die italienische Regierung die Belastungen durch die große Zahl notleidender Kredite reduzieren.

Zugleich ist unbestritten, dass diese Sanierung des italienischen Banksystems nur im Rahmen der gemeinsamen europäischen Regularien in der Euro-Zone erfolgen kann. Das Bankensystem vieler EU-Staaten ist durch den hohen Bestand von notleidenden Krediten geprägt.

Eine gemeinsame Anti-Krisenpolitik scheitert bislang an den politischen Differenzen unter den Mitgliedsländern. Die deutsche Bundesregierung sperrt sich massiv gegen jeden Ansatz einer gesamteuropäischen Beteiligung zur Sanierung des Bankensystems. Ein Aktionsplan soll Abhilfe schaffen.

Fast 1.000 Mrd. Euro beträgt der EU-weite Bestand an notleidenden Krediten (non-performing loans, NPL). Gemeint sind Bankkredite, deren Rückzahlung oder Bedienung seit mindestens 90 Tagen überfällig ist, oder die ohne Verwertung von Sicherheiten wahrscheinlich nie bezahlt werden. Per Ende 2016 betrug der EU-weite Bestand solcher NPL laut dem Bericht einer Expertengruppe der EU-Staaten 990,4 Mrd. Euro, was 5,1% der gesamten ausstehenden Kredite entsprach. Nach Berücksichtigung der einschlägigen Rückstellungen belief sich der Nettobestand noch immer auf 548,7 Mrd. Euro.

Immerhin ist diese im Zuge der Finanzkrise entstandene Belastung in den letzten Jahren rückläufig. Im September 2014 hatte der Anteil noch 6,7% betragen. Bis Ende März 2017 ist er laut jüngsten Daten der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) auf 4,8% gesunken. Doch bleiben sowohl der Bestand als auch das geringe Tempo des Abbaus eine Bedrohung für Europas Banken.

Problematisch ist nicht zuletzt die ungleiche Verteilung: Lag der Anteil der NPL an der Kreditsumme in Schweden, Luxemburg und Estland Ende März bei nur rund 1%, wiesen Griechenland und Zypern Werte von über 40% aus, es folgen Portugal mit 18,5% und Italien mit 14,8% (vgl. Abbildung). Ein hoher Bestand an »faulen Krediten« aber bindet Kapital und behindert die Vergabe neuer Darlehen an die Wirtschaft und damit das Wachstum.

Die Europäische Bankenaufsicht hatte zu Beginn des Jahres 2017 dafür plädiert, eine EU-weite »Bad Bank« zur Verwertung von NPL zu etablieren. Dies ist zwar eine sinnvolle Konzeption und würde der europäischen Wirtschaft insgesamt eine neue Dynamik ermöglichen, aber politisch ist ein solcher Ansatz der Vergemeinschaftung nicht durchsetzbar.

Die Finanzminister fordern die EU-Kommission auf, bis Ende des Jahres einen »Bauplan« für nationale Vermögensverwaltungsgesellschaften oder »Bad Banks« zu entwickeln. Diese könnten den Banken »faule Kredite« abnehmen und zu verwerten (einzutreiben oder weiterzuverkaufen) versuchen. Der Bauplan soll gemeinsame Prinzipien etwa für die Bewertung festlegen und klären, welche Rolle der Staat im Rahmen des EU-Rechts und der EU-Staatshilfe-Regeln übernehmen darf.

Zweiter Ansatzpunkt ist die Entwicklung des rudimentären Sekundärmarkts für NPL. »Bad Banks« können »faule Kredite« nur weiterverkaufen, wenn es dafür einen Markt gibt. Hierzu sollen u.a. Hürden für den Erwerb solcher Titel durch Nichtbanken abgebaut werden.

Drittens soll die EBA, aufbauend auf einschlägigen Arbeiten der EZB, bis Sommer 2018 Leitlinien für den Umgang mit NPL für alle Banken in der EU erlassen. Weitere Leitlinien für die Vergabe neuer Kredite sollen u.a. die Transparenz und die Prüfung des Kreditnehmers betreffen, um die Anhäufung neuer NPL-Bestände zu bremsen. Ebenfalls der Transparenz dienen sollen erweiterte Berichtspflichten für die Banken und die Sammlung standardisierter Daten.

Viertens schließlich soll die Kommission prüfen, ob Änderungen der Eigenkapitalregeln für Banken auch ein Weg zur Beschleunigung des Abbaus des NPL-Bestandes sein könnten.

Auf Zeit zu spielen wäre allerdings für Europa gefährlich. Sollte in den nächsten Monaten die weltweite Niedrigzinsphase zu Ende gehen, wird es für die Banksysteme einiger europäischer Mitgliedsländer dramatisch. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, fordert ein 150 Mrd. Euro schweres EU-Programm zur Bankenrettung: »Man wird nicht umhinkommen, ein größeres Programm zur Rekapitalisierung der Banken aufzulegen.«. In Europa drohe den Banken eine langsame, langfristige Abwärtsspirale. Die Institute säßen auf notleidenden Krediten im Volumen von einer Bio. Euro. Die EZB-Strafzinsen belasteten die Finanzindustrie, und die niedrigen Aktienkurse machten es sehr schwer, frisches Eigenkapital am Markt zu besorgen. »Wir erleben Krisen in immer kürzeren Abständen. Und ich kann beim besten Willen nicht erkennen, wo Wachstum herkommen soll.«

Der Problemfall Italien

Zwei Faktoren machen die italienischen Banken zum Schlusslicht in Europa: die extrem niedrige Profitabilität, bei der die Institute im Europa-Vergleich im vergangenen Jahr auf dem letzten Platz landeten, und die hohe Zahl notleidender Kredite in den Bankbilanzen. Diese summieren sich dem IWF zufolge mittlerweile auf etwa 21% des BIP.

Vor allem in Italien ist also der Handlungsdruck akut. Die Regierung unterstützt die Liquidation der beiden Institute wie auch die »vorsorgliche Rekapitalisierung« der Bank Monte Paschi di Siena (MPS) mit Zustimmung der EU-Kommission mit erheblichen öffentlichen Mitteln, obwohl die EU-Regeln für die Abwicklung von Banken zunächst zulasten der Kapitaleigner vorsehen und die SteuerzahlerInnen eigentlich verschonen sollten. Im Prinzip läuft die strikte Handhabung der europäischen Abwicklungsrichtlinie aber auf das Risiko einer hausgemachten Finanzkrise hinaus.

Italien will die leichte Erholung der eigenen Ökonomie nicht gefährden und erhält dafür die Rückendeckung der EU-Kommission. Es gibt zur staatlichen Stützung keine Alternative, aus einem einfachen Grund: Ein Bankrott bringt Probleme mit sich, die über die eigentliche Bank hinausgehen. Das betrifft die Ersparnisse der Menschen, deren Leben, deren Jobs. Und deshalb wäre es unverantwortlich in Italien eine Bank pleitegehen zulassen.

Auch der IWF mahnt zu beschleunigten Reformen: »Ein Jahrzehnt nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise liegen die Pro-Kopf-Einkommen weiterhin unter dem Niveau, das sie noch vor der Einführung des Euro hatten.« Das Niveau war 2015 tiefer als 1999! In den Zeitungen liest man deshalb immer wieder von der Verarmung des italienischen Mittelstandes. Der Einbruch gegenüber 2007 ist äußerst dramatisch.

Auch der Durchschnittsverdienst falle nach wie vor deutlich geringer aus als noch vor zwei Dekaden. Gleichzeitig müssten ausgerechnet die jüngeren Generationen die größten Lasten der Krise tragen. »Nach derzeitigem Stand könnte es fast ein Jahrzehnt dauern, bis der durchschnittliche Nettolohn in Italien wieder auf dem Stand von 2007 angekommen ist – und in dieser Zeit werden die Euro-Partner den Vorsprung in einem Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten eher noch vergrößern«, stellt der IWF fest.

Die Schieflage in Italiens Bankensektor hat das Potenzial, eine europäische Finanzkrise auszulösen. Krachen die italienischen Banken, so könnte das eine Kettenreaktion auslösen. Denn laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) stecken in den italienischen Banken rund 550 Mrd. Euro von anderen Geldhäusern aus aller Welt. Allein französische Banken liehen den Italienern 250 Mrd. Euro und die deutschen Banken immerhin fast 90 Mrd. Euro. Allein bei der Deutschen Bank ginge es bei italienischen Bankenturbulenzen um Kredite in Höhe von mehr als 13 Mrd. Euro.

Die Ausgangslage ist eindeutig: Nur der Staat kann in Europa und/oder Italien eine erfolgreiche Sanierung von Banken und gesellschaftlichem Produktionsapparat auf den Weg bringen. Aber politische Führung und Staat werden von der EU, insbesondere der Eurogruppe unter deutscher Führung, dazu gedrängt, an der Konzeption der neoliberalen Ordnungspolitik festzuhalten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mahnt gelassen zum schrittweisen Abbau der großen Menge fauler Kredite bei europäischen Banken. Das sei von entscheidender Bedeutung, so das Credo des CDU-Politikers. »Wir müssen schauen, ob unsere Instrumente ausreichen und ob sie effektiv wirken. Und wir müssen uns fragen, ob wir mehr tun können.« Schäuble betont zugleich, er halte auch die Situation in Italien für beherrschbar. »Die Italiener haben in den letzten Monaten gezeigt, dass sie das können, dass sie das gut machen«, sagte er. »Deswegen bin ich ganz zuversichtlich.«

Die Sanierung der öffentlichen Finanzen, Wertberichtigungen im Banksystem und die Absenkung der Lohnkosten sind aber Zeitbomben. Italien ist derzeit das größte Risiko für Europa, die Bankenkrise ist Bestandteil einer größeren Krisenkonstellation, die das Land vermutlich nicht allein bewältigen kann. Italien wird wegen der ausgeprägten Wirtschaftsschwäche auf die Hilfe der europäischen Partner angewiesen sein. Der IWF geht davon aus, dass die viertgrößte Ökonomie Europas erst im Jahr 2025 wieder das Vorkrisenniveau von 2007 erreicht haben wird.

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