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1. Februar 2016 Otto König/Richard Detje: Rüstungsindustrie profitiert vom »Krieg gegen Terror«

Geschäft mit dem Tod

Auf Terroranschläge wie dem vom 11. September 2001 in New York und dem vom 13. November 2015 in Paris folgt der »Krieg gegen Terror« – so war es in Afghanistan, im Irak und in Syrien. Die Bundeswehr ist dabei – und soll mit einem neuen Aufrüstungsprogramm, das bis zum Jahr 2030 reicht, auch tatsächlich global einsatztauglich gemacht werden.

Den Rüstungsunternehmen verspricht das lukrative Geschäfte. Die Spirale »Terror – Krieg – Terror« lässt deren Aktienkurse nach oben schnellen. Die Rüstungsbranche gehört nicht erst, aber insbesondere seit der Jahrtausendwende zu den großen Gewinnern. »Der Krieg ist ein besseres Geschäft als der Friede. Ich habe noch niemand gekannt, der sich zur Stillung seiner Geldgier auf Erhalt und Förderung des Friedens geworfen hätte«, schrieb Carl von Ossietzky 1931 in der Weltbühne.

Das Branchenbarometer »Dow Jones US Defense Index« stieg nach den Attentaten von Paris mit zwei Prozent (Marktdurchschnitt +0,4%). Der Arca-Rüstungswerteindex, der die 14 größten amerikanischen Waffenproduzenten umfasst, legte um rund vier Prozent zu. Die Kurse des französischen Technologiekonzerns Thales, der Anlagen zur militärischen Aufklärung und Raketenabwehrsysteme herstellt, stiegen in der Spitze um fast zehn Prozent. Und die Aktie der deutschen Rüstungsschmiede Rheinmetall machte nach den Anschlägen einen Kurssprung von fast fünf Prozent.[1]

Mehr als 600 Angriffe gegen IS-Stellungen wurden im Oktober geflogen, im November dürfte der alte Höchststand vom Juli – 900 Bombardements – deutlich übertroffen worden sein. Das verschafft nicht nur Lookheed Martin, der »Helfire-Raketen« produziert, florierende Geschäfte, sondern auch  Munitionsherstellern wie Raytheon, General Dynamics oder Orbital ATK. Freude kommt auch bei den Produzenten von Kampf- und Aufklärungsdrohnen auf, die ein zunehmend zentraler Teil des Kriegsgeschehens sind.

Das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) kommt in seinem jüngsten Bericht[2] zu dem Ergebnis, dass die Gesamtumsätze der 100 größten Rüstungskonzerne in Höhe von 401 Mrd. US-$ »um 43% über dem des Jahres 2002« liegen, so Sam Perlo-Freeman, der Direktor des Militärausgaben- und Waffenproduktionsprogramms bei SIPRI. Bei den Rüstungsexporten liegen die USA (2010-2014) mit einem Weltmarktanteil von 31% vor Russland mit 27%. Weit davon abgesetzt folgen China, Deutschland, Frankreich (jeweils 5%) und Großbritannien (4%). Bei den Rüstungsimporten liegt Indien (15%) mit Abstand vor Saudi Arabien und China (jeweils 5%).[3]

Insgesamt behaupten die US-amerikanischen und westeuropäischen Waffenschmieden ihre globale Vorherrschaft. Die Liste der Top 100 Rüstungsunternehmen wird von 38 Firmen aus den USA dominiert – auf sie fallen deutlich mehr als die Hälfte der Top 100-Umsätze, gefolgt von Großbritannien und Russland mit über zehn Prozent (siehe Abb. 1).

Lockheed Martin ist auch 2014 mit 37,5 Mrd. $ Umsatz Spitzenreiter. Es folgt die Boeing Company mit 28,3 Mrd., Platz drei belegt der britische Rüstungs- und Elektronikkonzern BAE Systems mit 25,7 Mrd. Unter den TOP 10 befindet sich außerdem die Raytheon Corporation in Massachusetts (21,3 Mrd. $), die sich erst Ende September 2015 einen 251 Mio. $  Auftrag des Pentagon zur Lieferung weiterer Tomahawk-Lenkraketen sichern konnte (Kosten pro Rakete 1,4 Mio. $). Dazu gehören auch Northrop Grumman, Produzent des Kampfflugzeugs F-14 und der Aufklärungsdrohne RQ-4A Global Hawk (19,6 Mrd. $) sowie General Dynamics (18,6 Mrd. $) in Virginia, die neben Boeing der wichtigste Hersteller und Entwickler von Lenkflugkörpern sind.

Obgleich Russland zweitführender Waffenexporteur ist, befindet sich kein Unternehmen unter den Top 10 (siehe Tab. 1). Unter den Top 100 stammen 19 Firmen aus Russland.[4] Drei deutsche Waffenproduzenten gehören ebenfalls zu den Top 100: Rheinmetall belegt mit 2,97 Mrd. $ Waffenverkäufen Platz 31. ThyssenKrupp kletterte mit 2,31 Mrd. $ (2013: 1,77 Mrd.) im Rüstungsranking von dem 59. auf den 42. Platz und Krauss-Maffei Wegmann auf dem 83. Platz. Den Stockholmern Friedensforschern zu Folge konnten die deutschen Waffenkonzerne ein Plus von 9,4% verzeichnen.

Die Rüstungsausgaben stiegen von 800 Mrd. $ zur Jahrtausendwende auf mehr als das Doppelte im vergangenen Jahr. Nach Paris können die Rüstungskonzerne mit weiteren milliardenschweren Aufträgen rechnen. So verkündete der französische Ministerpräsident Manuel Valls, dass für den »Kampf gegen den Terror« die entsprechenden Budgetausgaben deutlich erhöht werden müssten. Großbritannien plant laut Citygroup in den nächsten zehn Jahren eine siebenprozentige Erhöhung seiner Verteidigungsausgaben.

Werden die aktuellen Beschaffungspläne, die Ursula von der Leyen (CDU) dem Verteidigungsausschuss des Bundestages darstellte, realisiert, steht die Bundeswehr vor der größten Aufrüstung seit dem Ende des Kalten Krieges. Waren bisher bis 2019 jährlich rund fünf Milliarden Euro für militärische Beschaffung eingeplant, soll der Betrag nun auf 8,6 Mrd. ansteigen. Die Verteidigungsministerium veranschlagt den Investitionsbedarf bis 2030 auf insgesamt 130 Mrd. Euro (SZ, 28.1.2016).

Die bombigen »Geschäfte mit dem Tod« machen die internationalen Rüstungskonzerne nicht nur mit den westlichen Industriestaaten, sondern insbesondere durch dem Export von Panzern, Kampfflugzeugen, Radaranlagen, Flugabwehrkörpern oder Munition in den Nahen und Mittleren Osten. Drei Tage nach Paris ratifizierte das US-Außenministerium den Verkauf von computergesteuerten Bomben und anderen Waffen an Saudi-Arabien.

Auch in Deutschlands gehören Rüstungsdeals mit Saudi-Arabien zu den profitabelsten Geschäften. Den jährlichen Rüstungsexportberichten der Bundesregierung zufolge erhielt der Golfstaat auf der arabischen Halbinsel von 2001 bis 2014 Waffen im Gesamtwert von knapp 2,6 Mrd. Euro – darunter Kriegsschiffe, Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, Feuerleiteinrichtungen, Gewehre und andere Kleinwaffen sowie Munition.

Deutschland ist nach den USA wichtigster Waffenlieferant für das Königreich. Allein im vergangenen Jahr wurden Rüstungsexporte in Höhe von 268 Mio. Euro an die Herrscher in Riad genehmigt. Das ist eine Steigerung der Lieferungen um 28% gegenüber 2014 an ein Land mit katastrophaler Menschenrechtslage.[5] Darüber hinaus genehmigte der Bundessicherheitsrat den Export von Kampfpanzern und Panzerhaubitzen an den südlichen Nachbarstaat Saudi Arabiens, das Emirat Katar.

Die Lieferungen in den Nahen Osten werden von der Bundesregierung nicht nur mit wirtschaftlichen Interessen begründet, sondern auch mit der »sicherheitspolitischen Notwendigkeit«, wichtige Bündnispartner zu schützen und damit den Nahen und Mittleren Osten zu »stabilisieren« (Andreas Zumach, taz, 5.1.2016). Tatsächlich tragen diese Staaten, die nachweislich IS-Kämpfer finanziert und ausgerüstet haben, zur humanitären Katastrophe bei – mit Tausenden zivilen Opfern und Millionen Binnenflüchtlingen.

Auch daran lässt sich verdienen: Rüstungsunternehmen mehren ihren Profit nicht nur mit Waffenlieferungen, sondern auch mit dem Geschäftsfeld »Überwachung« wie beispielsweise Grenzschutzsysteme, die Airbus weltweit anbietet. Dabei geht es nicht um Zäune und Stacheldraht, sondern um hochmoderne Technik wie Radaranlagen und Sensoren zur Bodenüberwachung.

Als die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Ende vergangenen Jahres darauf hinwies, dass die Terrormiliz IS auch mit deutschen Waffen mordet, wurden Recherchen des WDR und NDR bekannt , dass sich die IS mit Sturmgewehren vom Typ G3 des schwäbischen Waffenproduzenten H&K und Pistolen P1 des deutschen Herstellers Walther freizügig in den Basaren von Erbil versorgen kann, nachdem sie sich zuvor mit modernen US-amerikanischen Waffen aus den üppig ausgestatteten Arsenalen der irakischen Armee bedient hatte.

Es war Anfang September 2015, als nach einer heftigen politischen Debatte[6] der Bundestag in Berlin mit großer Mehrheit beschloss, die kurdische Peschmerga im Nordirak mit automatischen Sturmgewehren, Maschinengewehren und Panzerabwehrraketen »Milan« auszurüsten, um sie im Kampf gegen den IS zu unterstützen. Zwischenzeitlich wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums 20.000 Sturmgewehre – davon 8.000 moderne G36 und 12.000 G3-Gewehre – sowie 8.000 Pistolen geliefert. Die kurdische Autonomieregierung des westlich orientierten Präsidenten Masud Barzani gab wie üblich in solchen Fällen eine Endverbleibserklärung ab, in der sie zusagte, die Waffen nicht an Dritte weiterzugeben.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) versuchte der zunehmenden Kritik aus den Reihen der LINKEN und der Grünen an den Waffenlieferungen an Riad mit der Ankündigung eines »echten Rüstungskontrollgesetzes« die Spitze zu nehmen. Bislang sind die »Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen« aus dem Jahr 2000 die Richtschnur. »Der Beachtung der Menschenrechte wird bei den Entscheidungen besonderes Gewicht beigemessen«, heißt es darin. Ausfuhren in Spannungsgebiete sind nicht erlaubt.

Zu Recht warnt Bernd Riexinger (LINKE) vor einem »Etikettenschwindel«, denn nicht vergessen ist Gabriels Ankündigung vom Frühsommer 2014, »die Ausfuhr von Kriegsgerät (künftig) restriktiver zu gestalten«. Das Gegenteil trat ein: Laut »Rüstungsexportbericht« der Bundesregierung gingen zwar die Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsexporte in 2014 im Vergleich zum Vorjahr von 8,34 Mrd. auf 6,5 Mrd. Euro zurück, gleichzeitig verdoppelte sich jedoch der umstrittene Export von Kriegswaffen von 757 Mio. auf 1,486 Mrd. Euro.

Um Fluchtursachen zu bekämpfen, reichen modifizierte Richtlinien für Waffenexporte nicht aus. Es gilt, das Rüstungsexportverbot insbesondere auch von Kleinwaffen – die »Massenvernichtungswaffen« des 21. Jahrhunderts (Kofi Annan) – in Krisenregionen durchzusetzen und einzuhalten.

[1] Vgl. Die Welt, 19.12. 2015 und FAZ, 20.12. 2015.
[2] THE SIPRI TOP 100 ARMS-PRODUCING AND MILITARY SERVICES COMPANIES, 2014, Sipri Fact Sheet, December 2015.
[3] SIPRI-YEARBOOK 2015, dt. Zusammenfassung, Dezember, S. 16.
[4] Auf Platz 11 wird dann Almaz-Antey, auf Platz 14 United Aircraft Corp., auf Platz 15 United Shipbuilding Corp. und auf Platz 23 Russian Helicopters gelistet.
[5] Anfang Januar 2016 ließ das Königshaus in Saudi-Arabien 47 Menschen hinrichten, darunter den schiitischen Geistlichen und Regimekritiker Nimr al-Nimr (DW, 15.1.2016).
[6] Otto König/Richard Detje: Zäsur in der deutschen Außenpolitik. Waffenlieferungen in Spannungsgebiete, SozialismusAktuell, 26.8.2014.

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