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19. Juni 2013 Bernhard Sander: Frankreichs fünfte Renten»reform«

Hollande will Gewerkschaften einbinden

Der französische Staatspräsident François Hollande hat nach der Vorlage eines offiziellen Berichts die Umrisse seines Renten»reform«pakets deutlich gemacht. Einen Systemwechsel hin zu einer kapitalbasierten Privat-Absicherung wird es so schnell nicht geben, dazu sind die geplanten Einschnitte nicht radikal genug.

Dennoch wird die Verlängerung der notwendigen Anwartschaften für eine Vollrente gerade für die jetzt in die Alterssicherungssysteme einrückenden Jahrgänge zu ausgeprägter Altersarmut führen, da sie fast durchweg nur noch prekäre Beschäftigung vorfinden (Praktika, Befristungen, Teilzeit). So soll es zwar bei dem Renteneintrittsalter von 62 Jahren bleiben, doch eine Absenkung der lohnbasierten Rente ist vorprogrammiert, da auch die Zahl der notwendigen Beitragsjahre auf 42 Jahre heraufgesetzt wird. Bis 2050 sollen es gar 44 Beitragsjahre werden. Das Gesamtsystem weist 20 Mrd. Euro Zuschussbedarf aus dem Staatshaushalt aus.

In den Zusatzversorgungssystemen des öffentlichen Dienstes, der Bahn und der Energieversorgung wird es keine Einschnitte geben, kündigte Hollande an, da man hier darauf hofft, durch Absenkung der Beschäftigtenzahlen wieder zu einem Ausgleich zu kommen.

In den letzten 20 Jahren hat es vier große Anläufe zu Systemreformen bei der Rente gegeben. Seit dem Eisenbahnerstreik 1996 gegen Eingriffe in ihre Altersversorgung, der dadurch ausgelösten Absetzung des Ministerpräsidenten Alain Juppé und dem Wahlsieg der Sozialisten 1997 gilt das Feld der Rentenpolitik als vermint. Der damalige erste Streik gegen den Neoliberalismus (Haushaltausgleich unter allen Umständen, Abkopplung der Zentralbanken von der parlamentarischen Willensbildung, Einstieg in kapitalbasierte Vorsorgesysteme etc.) fand in Frankreich eine ganze Reihe von Massenbewegungen als Nachfolger.

Zuletzt war es gleichwohl Nicolas Sarkozy 2010 gelungen, trotz des erbitterten Protests von drei Millionen Menschen auf den Straßen, das um zwei Jahre höhere Renteneinstiegsalter durchzusetzen. Das Rentensystem war in den Grundzügen eine Errungenschaft, auf die man sich nach den Erschütterungen der Niederlage 1940 noch in der gemeinsamen Resistance mit den bürgerlichen Kräften geeinigt hatte. Dieses französische Modell des rheinischen Kapitalismus konnte und kann nur durch vergleichbar schwere Erschütterungen oder durch einen zähen Stellungskrieg der Unternehmer über lange Jahre wieder aus der Welt geschafft werden.

Hollande, der bereits positive Signale der Gewerkschaftsbünde der Führungskräfte (CGC), der Christen (CFTC) und vor allem der CFDT empfangen hat, will den Sozialparteien bis September Zeit für Verhandlungen lassen. Die CGT hat ihrerseits einen Aktionstag insbesondere gegen die verlängerten Beitragszeiten und die Kündigung der automatischen Inflationsanpassung der Renten angekündigt. Bis zur Reform 1993 folgte die Rentenanpassung noch der Lohnentwicklung. Die Vielfältigkeit der bestehenden Systeme könne man in einem »gemeinsamen Haus der Rente« koordinieren. Der Gewerkschaftsbund schlägt die Heranziehung von Finanzeinkünften zum Defizitausgleich vor.

Sowohl CFDT als auch CGT haben neue Führungen und neue junge Vorsitzende, die sich profilieren müssen. Die Resonanz auf die Mobilisierung der CGT gegen den Beschäftigungspakt, dessen Kern zeitlich befristete Lohn- und Arbeitszeitsenkungen bei Beschäftigungsgarantien vorsieht, fiel eher bescheiden aus. Der CFDT-Vorsitzende Laurent Berger findet den Pakt gut, da ein Teil der Einbußen bei wirtschaftlicher Gesundung aus den Gewinnen dann zurückerstattet werde. Seine Organisation tritt sowieso für eine stärkere Verbetrieblichung der Lohnpolitik ein.

Hollande hat angekündigt, dass er nicht nur die künftigen Rentner belasten, sondern auch zum Mittel der Steuer- und Beitragserhöhung greifen will (in Frankreich tragen in der Regel die Arbeitgeber etwa zwei Drittel der Sozialbeiträge). »Wir brauchen Einnahmen, aber die Last wird auf alle verteilt werden«, zitiert die FAZ den Präsidenten, was zeigt, dass es hier nicht um das strikte Regime der Fiskalpakt-Kriterien geht.

In einem TV-Interview hat der Staatspräsident andererseits angekündigt, 2014 einen Steuerrabatt auf Wertzuwächse bei Immobilienverkäufen zu gewähren, aber auch auf den Verkauf von weiteren Staatsanteilen bei den zur Zeit schlecht gehandelten Aktien von Orange (früher France Télecom) und dem teilprivatisierten größten europäischen Versorger Gaz de France-Suez zu verzichten. Die französischen Sozialdemokraten setzen damit ihre Schaukelpolitik zwischen den neoliberal geprägten Modernisierern und den traditionellen Sozialdemokraten in den eigenen Reihen fort.

Der sozialdemokratische Spagat kennzeichnet auch das Europawahlprogramm, das demnächst verabschiedet werden soll. Das Papier wird getragen von der politischen Vorstellung eines »gerechten Austauschs in der Globalisierung« (was auf die Zahlungsbilanzdefizite und Importüberschüsse der europäischen Südzone hinweisen könnte). Hier wird eine »Revision des Fiskalpaktes« gefordert, »um dem Wachstum und der Beschäftigung Priorität zu geben«.

Man wünscht eine »Erhöhung des EU-Haushalts durch eigene Ressourcen, wie der Besteuerung von Finanzströmen«. Der linke Flügel kann mit solchen Formulierungen beweisen, dass »wir keine Blairisten oder Schröderianer sind«. Doch eine wirkliche Frontstellung, wie sie noch in früheren Fassungen mit der Namensnennung der deutschen Bundeskanzlerin vorkam, ist jetzt nur noch indirekt zu erkennen.

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