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7. April 2016 Bernhard Sander

Kein linkes Votum in den Niederlanden

Das Ergebnis des niederländischen Referendums über das Assoziierungsabkommen der EU mit der Regierung der Ukraine offenbart, wie schräg die politische Klasse, die politisch engagierte Zivilgesellschaft und die Bevölkerung gegeneinander verschoben sind.

Von repräsentativer Demokratie, in der die Regierung den Durchschnittswillen des Staatsvolkes darstellt, kann nicht die Rede sein, wenn zwei Drittel der Wahlberechtigten sich am Verfahren der Volksabstimmung gar nicht beteiligen und diejenigen, die sich beteiligt haben, ebenfalls mit fast zwei Dritteln den Gesetzentwurf der eigenen Regierung ablehnen. Allen Ernstes hatten Regierungsvertreter öffentlich die Frage erörtert, ob man durch einen Aufruf zur Enthaltung die Abstimmung torpedieren sollte.

Die Niederländer gehören zu den Gründern der EU und galten lange als sehr proeuropäisches Volk. Als kleines Land mit 17 Millionen Einwohnern und als offene Handelsnation versprachen sie sich von der EU Stabilität, Sicherheit und Prosperität. Doch bereits am 1. Juni 2005 lehnten 61,5% der Niederländer in einer Abstimmung den EU-Verfassungsvertrag ab. Seither ist die EU-Skepsis eine Konstante der Politik. In der ersten Jahreshälfte 2016 haben die Niederlande die rotierende EU-Präsidentschaft übernommen.

Die Weigerung der Kiewer Führung, Ende 2013 ein Vorgänger-Abkommen mit der EU zu unterzeichnen, hatte zur Revolution auf dem Maidan, Regierungssturz und Bürgerkrieg geführt. Der amtierende ukrainische Regierungschef steht in den Panama Papers. Eigentlich war kein anderes EU-Land direkter vom Krieg in der Ostukraine betroffen als unsere Nachbarn im Westen: 193 der 298 Todesopfer der 2014 abgeschossenen Malaysia-Airlines-Maschine waren Niederländer.

Das Nein entspringt einer aktiven Zivilgesellschaft, ist aber kein linkes Nein. Das EU-kritische Forum voor Democratie, dessen konservativer Vorsitzender Thierry Baudet gegen die gleichmacherische EU-Ideologie anredete, die dem Ukraine-Abkommen zugrunde liege, hatte 2013 nach der Ankündigung des britischen EU-Referendums für ähnliche Verfahren in den Niederlande getrommelt und einen alten Gesetzentwurf durchgesetzt.

Die satirische Website Geenstijl (Stil-los) hatte letztes Jahr die Initiative für ein Referendum gegen das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine ergriffen, innerhalb der vorgeschriebenen sechs Wochen online 450.000 Unterschriften (300.000 sind das Quorum) gesammelt und eine konsultative Volksabstimmung erzwungen. Schnell setzte sich die rechtspopulistische Partei für die Freiheit an die Spitze der Kampagne, die derzeit stärkste Partei in den Umfragen mit rd. 35-40 der zu verteilenden 150 Parlamentssitze. Den Straßenwahlkampf prägte allerdings die unermüdliche Sozialistische Partei (derzeit 12-15 Sitze in den Umfragen), die sich gegen den »Expansionsdrang« der EU positionierte.

Auf Seiten der Befürworter standen nicht nur die regierenden Neoliberalen von der VVD und die sozialdemokratische Partei der Arbeit, sondern auch die sozialliberale D66 und Grünlinks. Hier versuchte man mit dem Argument zu überzeugen, durch die Assoziierung sollten in der Ukraine Minderheiten wie Juden und Homosexuelle geschützt, andererseits die »Ränder« Europas stabilisiert werden. Einerseits wurde in jeder Nachrichtensendung seit Monaten über das Scheitern der Abstimmung spekuliert, andererseits mobilisierten beide Seiten prominente ausländische Symbolfiguren wie den EU-kritischen Briten Nigel Farage (UKIP) oder trinkfeste ukrainische Freiheitskämpfer.

Das Misstrauen gegenüber der Classe politique und gegenüber Brüssel wog schwerer für die Mobilisierung. Anders als die Ukrainer bringt die EU die Niederländer nicht mehr zum Träumen. RTL kommentierte: »Der Kern des Ganzen ist, dass die Initiative die ›Notbremse‹ Referendum ausprobiert, um einen ›Demokratiemangel‹ in Europa an den Pranger zu stellen. Und um zu zeigen, dass Politiker der meisten Parteien (abgesehen von der SP, der PVV und der Tierschutzpartei PvdD, die gegen den Assoziationsvertrag gestimmt haben), das Gefühl für die Stimmung im Volk vollkommen verloren haben.«

Die Regierung steht wegen der anstehenden Wahlen unter Druck, und das konsultative Referendum könnte eine faktisch bindende Wirkung entfalten. Die Medien beherrscht deshalb die Frage, wie die EU jetzt doch noch ihre eigenen Regularien mit Umsetzungsprotokollen oder dergleichen umgehen kann, um ihre Einflusszone bis zur Grenze Russlands auszudehnen und zu sichern. Das Assoziierungsabkommen ist per Anfang 2016 vorläufig in Kraft getreten, doch muss es von allen 28 EU-Staaten ratifiziert werden, um permanente Rechtskraft zu erlangen.

Innenpolitisch profitiert der Rechtspopulismus. »Das ist der Anfang vom Ende der EU«, twitterte Geert Wilders, der derzeit wegen Volksverhetzung vor Gericht steht. Seine Mitbürger hätten sich gegen die »europäische Elite« gewandt. Grünen-Vertreter hatten bereits vor dem Referendum eine Volkskonsultation zu den TTIP-Verträgen angekündigt. Die Risse im EU-Gefüge vertiefen sich vor dem britischen Referendum weiter.

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