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30. Januar 2014 Joachim Bischoff: Die aktuellen Währungsturbulenzen

Kurswechsel der US-Notenbank und die Schwellenländer

Im Zentrum der Globalökonomie stehen aktuell die Turbulenzen der Währungen von wichtigen Schwellenländern. Schon in den letzten Monaten hatten Anleger aus den Hauptländern kurzfristige Kapitalanlagen und Währungsdevisen in großem Stil abgestoßen.

Besonders der argentinische Peso, der russische Rubel und die türkische Lira mussten starke Kursverluste hinnehmen. Die Währungen werten deutlich ab, die Kurse von Anleihen und Aktien sinken.

Seit der Finanzkrise haben sich die Gewichte in der Weltwirtschaft verschoben. Europa und die USA schwächelten – Schwellenländer wie die Türkei, China oder Brasilien boomten. Um die wirtschaftliche Stagnation zu überwinden, griffen die Währungshüter der kapitalistischen Hauptländer zu unkonventionellen Maßnahmen: Sie senkten die Zinsen  – und begünstigten die Kreditversorgung der Wirtschaft. Allein die Federal Reserve (FED) spendierte mehr als drei Bio. US-Dollar für den Ankauf von Staatsanleihen und Immobilienpapieren. Ein Teil des Geldes floss direkt in die so genannten Emerging Markets, wo die Zinsen deutlich höher lagen. Nach Schätzungen sind seit 2009 rund vier Bio. US-Dollar in die Schwellenländer geströmt.

Verstärkt wird diese Abwärtstendenz sowohl in den Währungen als auch an den Wertpapierbörsen durch die aktuelle Entscheidung der US-Notenbank, an ihrem Programm der schrittweisen Drosselung ihres Ankaufprogramms festzuhalten. Die Notenbank kauft von Februar an nur noch Staatsanleihen für 35 Mrd. US-Dollar und Hypothekenwertpapiere für 30 Mrd. US-Dollar im Monat. Die FED betonte, dass sie damit immer noch Anleihen zu ihrem in den letzten Jahren stark angewachsenen Portfolio hinzufüge, was die langfristigen Zinssätze senken und die Hypothekenmärkte stützen solle. Die FED legt sich für die weitere Zukunft nicht fest und macht künftige Maßnahmen allein von der Wirtschaftsentwicklung abhängig.

In manchen Ländern versuchen Zentralbanken, durch Erhöhungen der Leitzinsen ihre Währungen zu stabilisieren. In den Hauptländern wächst die Sorge, die Schwellenländer würden zum Epizentrum einer neuen und schweren Finanzkrise. Gerade die deutsche Wirtschaft mit ihrer starken internationalen Ausrichtung wird von einer anhaltenden Abwärtstendenz erheblich tangiert. Stockt der Kapitalfluss in die Schwellenländer, würde auch der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands und des Eurogebiets letztlich davon betroffen.


Betroffen sind die Währungen jener Staaten, die vor allem hohe Leistungsbilanzdefizite oder Preissteigerungsraten aufweisen. Hohe Leistungsbilanzdefizite zwischen knapp 4% und gut 8% des Bruttoinlandprodukts haben die Türkei, Argentinien, Südafrika, Chile, Indien, Indonesien und Brasilien. Dagegen erwirtschaften China und Russland Überschüsse. Die weitere Kursentwicklung hängt davon ab, ob die verschiedenen Zentralbanken und Regierungen dem weiteren Wertverlust ihrer Währungen weiter zuschauen, oder ob sie ihre Ökonomien restrukturieren und die Finanzierung ihrer Defizite umstellen. In einer besonders schwierigen Lage ist die Türkei. Ihr Defizit ist hoch, und es ist zudem auch sehr kurzfristig refinanziert. Noch gefährlicher erscheint der Fall Argentinien.


Absturz des Pesos

Auch in Argentinien ist die Abwertung zunächst selbst verschuldet. Hier liegt der Grund für die Probleme in den hohen Staatsausgaben, die die Inflation angeheizt haben. Die Regierung Kirchner wollte die Wirtschaft des Landes mit den hohen Staatsausgaben beleben. Dazu wurden die Einnahmen aus dem Export von Rohstoffen wie Soja, deren Preise lange Zeit stark stiegen, herangezogen. Über Jahre ging die Strategie auf, Argentiniens Wachstum war überdurchschnittlich.

Die Kehrseite dieser Politik war in der letzten Zeit eine Beschleunigung der Inflation, heute gehört Argentiniens Inflationsrate zu den höchsten der Welt. Um den Schaden zu mildern, griff das Land zu unorthodoxen Maßnahmen wie Preis- und Währungskontrollen. Die Zentralbank kontrolliert den Peso restriktiv. Auch eine schwächere Währung kann die Inflation nach oben treiben, weil die Kaufkraft der Menschen sinkt und Importe teurer werden.

An den vergangenen Handelstagen musste die argentinische Zentralbank gut 100 Mio. US-Dollar täglich ausgeben, um den Peso zu stützen. Dadurch schwinden die Währungsreserven Argentiniens zusehends dahin. Anfang des Jahres besaß die Zentralbank nur noch Reserven im Wert von 29 Mrd. US-Dollar, nachdem es 2011 noch 52 Mrd. US-Dollar gewesen waren.

Auch Indien und Indonesien sind Länder mit hohen Auslandsdefiziten. In beiden Ländern erhöhten die Zentralbanken die Zinsen, um die Volkswirtschaften attraktiver für ausländisches Kapital zu machen. Damit wird das Handelsdefizit leichter finanziert. Es deutet sich eine Tendenzwende an: Die Handelsbilanz in Indonesien bessert sich seit drei Monaten. In Indien wurden die Steuern für Goldimporte erhöht, die Handelsbilanz ist ebenfalls ausgeglichener.


Rolle der US-Geldpolitik

Neben den hausgemachten Problemen entwickeln sich die Währungsprobleme auch mit Änderungen der Dollarpolitik. Die seit langem expansive Geldpolitik in den Vereinigten Staaten hat in den Jahren bis 2008 zu einer erheblichen Verlagerung von Liquidität in die Schwellenländer geführt. Auch nach der Stabilisierung haben vor allem institutionelle Großanleger Anleihen aus den Schwellenländern gekauft, weil ihnen die Renditen für Staats- und Unternehmensanleihen aus kapitalistischen Hauptländern mit guter Bonität zu niedrig wurden. In den Schwellenländern reagierten Banken und Unternehmen auf die wachsende Nachfrage nach Anleihen mit einer regen Emissionstätigkeit.

Seit die US-Notenbank FED allmählich die Zügel der Geldpolitik anzieht und damit das Zinsniveau in den USA ansteigt, ist deutlich Kapital aus den Schwellenländer abgeflossen. Unter Druck gerieten zahlreiche Schwellenländerwährungen vor allem nachdem die FED im Frühjahr 2013 ein Ende ihrer US-Anleihekäufe ankündigte, US-Renditen daraufhin anzogen und US-Anleihen für Investoren somit wieder an Attraktivität gewonnen haben. Nachdem die FED ihr Aufkaufprogramm im Januar tatsächlich von 85 auf 75 Mrd. US-Dollar pro Monat gedrosselt hat, nahm die Abwertung vieler Schwellenländerwährungen nochmals Fahrt auf.

In Erwartung einer weiteren Drosselung der US-Anleihekäufe entschied sich die türkische Notenbank zu einer Erhöhung der Leitzinsen. Zuvor hatte bereits die brasilianische Notenbank den Leitzins auf 10,5% und die Notenbanker in Indien den Schlüsselzins auf 8,0% angehoben. Dies sind zweifellos wichtige Maßnahmen zur kurzfristigen Stabilisierung.

Fraglich ist jedoch, wie lange die Aufwertung beziehungsweise Stabilisierung von Real, Rupie oder auch der türkischen Lira anhalten wird. Schließlich besteht aufgrund der Leitzinserhöhungen die Gefahr, dass die ohnehin schon schwächelnde Wirtschaft in einigen Schwellenstaaten durch diese Zinsschritte zusätzlich an Fahrt verlieren könnte. Kurzum: Anleihen aus beispielsweise Brasilien, Indien oder der Türkei sind auch weiterhin nur für äußerst risikofreudige Investoren geeignet.

Eine schwere internationale Krise ist also nicht unvermeidlich. Viele Schwellenländer können wirtschaftliche Anpassungen vornehmen, die allerdings viel Zeit in Anspruch nehmen. Die Schwellenländer sind keine homogene Gruppe: China mit seinem riesigen Leistungsbilanzüberschuss befindet sich in einer anderen Lage als das mit einem Leistungsbilanzdefizit kämpfende Indien. Mexiko ist erfolgreicher als Argentinien.

In vielen Ländern sind die politischen Rahmenbedingungen schlechter als in den Industrienationen, die Produktivitätsentwicklung bleibt unter den Erwartungen, und die Finanzmärkte sind oft nur gering entwickelt. Russland und Brasilien zeigen, dass der Weg von einer Rohstoffwirtschaft zu einer modernen Industrie- und Dienstleistungsökonomie schwierig und lang sein kann. Viele Länder benötigen weitreichende Reformen, um ihr Wachstumspotenzial zu nutzen.

Leitzinserhöhungen sind kurzfristige Maßnahmen in der Not, die nicht ausreichen werden. Entscheidend für die weitere Entwicklung in den Schwellenländern sind Maßnahmen zur Konjunkturstabilisierung, Rückführung der Leistungsbilanzdefizite und Verzicht auf kurzfristige Kapitalimporte. In den kapitalistischen Hauptländen  müssen Möglichkeiten, die Geldpolitik allmählich wieder zu straffen, verfolgt werden.

Die Dollarliquidität ist dauerhaft keine Lösung für die Probleme der Hauptländer und eben auch ein Gefährdungspotenzial für die Schwellenländer. Im schlimmsten Fall könnten die Zuflüsse in die Schwellenländer innerhalb weniger Monate um 80% einbrechen, schätzt die Weltbank. »Rund ein Viertel der Schwellenländer könnten kurzfristig von den globalen Kapitalströmen abgeschnitten werden.« Für die Weltbank ist dies zwar nicht das wahrscheinlichste Szenario. Sie sieht dies jedoch als Risiko.

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