Hajo Funke
AfD-Masterpläne
Die rechtsextreme Partei und die Zerstörung der Demokratie | Eine Flugschrift
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ISBN 978-3-96488-210-3

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Antje Vollmer/Alexander Rahr/Daniela Dahn/Dieter Klein/Gabi Zimmer/Hans-Eckardt Wenzel/Ingo Schulze/Johann Vollmer/Marco Bülow/Michael Brie/Peter Brandt
Den Krieg verlernen
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ISBN 978-3-96488-211-0

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Frank Deppe
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176 Seiten | EUR 14.80
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Peter Wahl
Der Krieg und die Linken
Bellizistische Narrative, Kriegsschuld-Debatten und Kompromiss-Frieden
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100 Seiten | Euro 10.00
ISBN 978-3-96488-203-5

Heiner Dribbusch
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376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

2. Dezember 2012 Uli Cremer: Bundeswehr bleibt in Afghanistan

Märchen vom Truppenabzug 2014 neu aufgewärmt

Da die Bundesregierung einen neuen »Fortschrittsbericht« veröffentlicht und eine Beschlussvorlage für das neue Mandat der Bundeswehr in Afghanistan vorgelegt hat, gibt es dieser Tage wieder eine mediale Märchenstunde. Obwohl die Bundesregierung klipp und klar sagt, dass auch nach 2014 Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan stationiert sein sollen, fabulieren die meisten Medien etwas vom »Truppenabzug«.

Im Fortschrittsbericht heißt es deutlich und eindeutig: »Auch nach 2014 sollen internationale Soldaten in Afghanistan stationiert bleiben... Die Bundesregierung hat sich bereit erklärt, sich an diesem Einsatz zu beteiligen.« In Wirklichkeit soll also nur die Zahl reduziert werden. Neu sind die vorgelegten Zahlen: Bis Februar 2014 soll die Truppenstärke von 4.400 auf 3.300 reduziert werden, aber man beachte das Kleingedruckte: »soweit die Lage dies erlaubt und ohne dadurch unsere Truppen oder die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses zu gefährden«.

Der GRÜNE MdB Frithjof Schmidt schließt messerscharf: »...wenn im März 2014 noch 3.300 Soldaten in Afghanistan sind, ist ein Abzug der Kampftruppen bis Ende 2014 nicht umsetzbar. Die Truppen werden nicht abgezogen, sie werden einfach ab 2014 in eine neue NATO-Mission überführt. Schwarz-Gelb plant bisher eine unbegrenzte Laufzeitverlängerung des Afghanistaneinsatzes.«[1] Vor einer solchen Laufzeitverlängerung bis 2024 hatten bereits im Vorfeld der letzten Mandatsverlängerung im Januar 2012 insgesamt 224 GRÜNE-Mitglieder in einer taz-Anzeige gewarnt.[2]

Bezüglich der Zahlen nach 2014 schweigt man sich im Kabinett weiter aus. Das werde gerade noch in der NATO diskutiert. In den informierten Medien wird von 35.000 NATO-Soldaten ausgegangen, darunter 1.500 Bundeswehr-Soldaten. Damit wird die Mission auf ein Drittel reduziert – mehr nicht (siehe dazu mehrfach auf www.gruene-friedensinitiative.de).

Dass es um den NATO-Krieg seit Jahren nicht so gut steht, wie regierungsseitig bisher behauptet wird (aber auch von der Mehrheit des Bundestages), belegt die Veröffentlichung von Bundeswehr-Einsatzberichten durch die WAZ. Diese Dokumente sind mit »VS – nur für den Dienstgebrauch« gestempelt[3] und waren bisher nur den Bundestagsabgeordneten des Verteidigungsausschusses bekannt. Nur wenige dieser MdBs haben sich trotz Kenntnis dieser Berichte kritisch zum Afghanistankrieg geäußert, geschweige denn bei den diversen Bundeswehr-Mandatsverlängerungen mit NEIN gestimmt.

Die WAZ resümiert: »Wöchentlich werden hunderte Anschläge und Angriffe protokolliert, in allen Teilen des Landes. Es gibt Berichte über schwere Sprengstoffanschläge auf deutsche Militärfahrzeuge, über verlorene Drohnen der Bundeswehr, über Kämpfe und Verluste. Nicht einmal die wichtigste Straße rund um Afghanistan ist sicher zu nutzen. Damit ist klar: Selbst die später weicher formulierten Kriegziele der militärischen ISAF-Führung werden nicht erreicht. Es ist nicht gelungen, eine effektive Regierung und verlässliche Institutionen in Afghanistan zu schaffen.«[4]

Ein Indiz, dass der Afghanistan-Krieg nicht erfolgreich beendet werden wird, sind auch die Evakuierungspläne für Afghanen, die aktuell für deutsche Hilfsorganisationen oder die Bundeswehr als Übersetzer, Fahrer, Köche etc. arbeiten. Verteidigungsminister de Maizère stellte klar, dass Deutschland hier eine Schutzpflicht habe. Der GRÜNE MdB Omid Nouripour schätzt die Zahl der zu Evakuierenden auf 3.000, mit engeren Familienangehörigen an die 10.000. Er gesteht auch ein, »dass wir viele, viele Ziele, die wir uns gesteckt haben, überhaupt nicht erreicht haben«. Das liegt selbstverständlich nicht daran, dass der Einsatz an sich falsch war, sondern er glaubt, »dass das in erster Linie auch daran liegt, dass wir wahnsinnig viele Fehler gemacht haben.«[5]

Aber warum wird das NATO- bzw. das Bundeswehrkontingent reduziert, obwohl die Kriegsziele bisher nicht erreicht wurden? Die erste Antwort ist, dass inzwischen über einen anderen Waffenmix der Krieg mit weniger Personal zu führen ist. In anderen Worten: Der vermehrte Einsatz von Drohnen macht es möglich. Es ist schließlich nicht so, dass der Krieg wirklich beendet werden soll. Außerdem sollen die afghanischen Hilfstruppen stärker in die Pflicht genommen werden.

Was die Reduktion des Bundeswehrkontingents aber auch zeigt, ist, dass dieser Militäreinsatz von Entscheidungen Anderer abhängt. Weil die USA ihr Engagement herunterfahren, reduziert Deutschland ebenfalls. Ein wichtiges deutsches Motiv ist eben, den eigenen Einfluss im NATO-Bündnis durch Mitmachen zu bewahren bzw. zu stärken. Der Krieg wird nicht um Menschenrechte und Mädchenschulen geführt, sondern ist im Kern ein »Bündniskrieg«. Man ist »gemeinsam rein gegangen« und bleibt jetzt erst mal »gemeinsam drin«. Ob es zu einem »gemeinsam raus« kommt, werden erst die nächsten Jahre zeigen.

Das Kalkül, durch militärische wie finanzielle Beiträge Einfluss auf die Ordnungspolitik in Zentralasien zu nehmen, ist für Deutschland insoweit aufgegangen, als es immer mal wieder Afghanistankonferenzen ausrichten darf und die Afghanistan-Kontaktgruppe leitet – wie der aktuelle Fortschrittsbericht der Regierung betont: »Deutschland« ist »Koordinator der Kontaktgruppe, führt den Vorsitz in ihren Sitzungen und entwirft deren Tagesordnung.« (Fortschrittbericht, S. 6)

Für einen Versöhnungsprozess in Afghanistan gelten laut Bundesregierung folgende Vorbedingungen: »Der Bruch mit dem internationalen Terrorismus, der Verzicht auf Gewalt und die Anerkennung der afghanischen Verfassung einschließlich ihrer Gebote zum umfassenden Schutz der Menschenrechte.« (Fortschrittsbericht, S. 5) Da die gegenwärtige Verfassung nur von einer Bürgerkriegsseite ausgearbeitet wurde, wird hier also der Kompromiss in der Unterwerfung der anderen Bürgerkriegspartei gesehen. Das kann natürlich nicht funktionieren. Der Shorish-Friedensplan, der von mehreren afghanischen Stammesführern getragen wird und auch von den Aufständischen zu 95% unterstützt wird,[6] sieht hingegen den »Entwurf einer neuen Verfassung« vor, »die durch die traditionelle Loya Jirga beraten und beschlossen wird«.[7] Außerdem bedarf es nach diesem Plan einer Übergangsregierung, das heißt also der Absetzung des gegenwärtigen Karsai-Regimes. Der Truppenabzug der NATO soll über direkte Gespräche zwischen ISAF und den Aufständischen geregelt werden.

Aus alledem folgt, dass auch bei der nächsten Abstimmung im Bundestag im Januar 2013 keinen Grund gibt, den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zu verlängern. Denn die NATO ist in Afghanistan Teil des Problems, nicht der Lösung.

Uli Cremer arbeitet in der Grünen Friedensinitiative (www.gruene-friedensinitiative.de), er ist Autor des Buches Neue NATO: die ersten Kriege (Hamburg 2009); zuletzt schrieb er »Der Bürgerkrieg geht weiter. Ein syrischer Nelson Mandela ist noch nicht gefunden« in Heft 10-2012 der Printausgabe von Sozialismus.

[1] frithjof-schmidt.de/detail/nachricht/unbegrenzte-laufzeitverlaengerung-des-afghanistaneinsatzes.html
[2] http://www.gruene-friedensinitiative.de/texte/111220_taz-anzeigenkampagne.html
[3] http://afghanistan.derwesten-recherche.org/
[4] http://www.derwesten.de/thema/afghanistan/das-verfehlte-ziel-der-bundeswehr-in-afghanistan-id7334429.html
[5] http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1935976/
[6] So die Aussage von Stammesführer Shorish.
[7] www.boell-nrw.de/downloads/Shorish-Plan2011_10.pdf

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