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Den Krieg verlernen
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11. April 2016 Joachim Bischoff: Wie das Bunkern von Gewinnen in Steueroasen funktioniert

Oh, wie schön ist Panama

Jetzt also Panama. Die »Panama Papers« sind das Resultat einer großen internationalen Recherche, bei der Journalisten aus über 80 Ländern mehr als elf Millionen Dokumente zu in Panama registrierten Briefkastenfirmen analysiert haben. Die Auswertung der Dokumente zeigt, dass viele der Briefkastenfirmen im Auftrag von aktuellen und früheren Staatschefs, weiteren Spitzenpolitikern sowie Prominenten eingerichtet und betreut wurden.

Diese Briefkastenfirmen haben in zahlreichen Fällen dazu gedient, internationale Sanktionen zu umgehen, Steuern zu hinterziehen oder Geld zu waschen. Über einen Zeitraum von fast 40 Jahren soll die in Panama ansässige Anwaltskanzlei Mossack Fonseca (MF) rund 215.000 anonyme Gesellschaften in 21 Rechtsräumen für über 14.000 Kunden aufgesetzt haben. Mehr als die Hälfte dieser Gesellschaften entstanden auf den britischen Jungferninseln, fast 50.000 in Panama. Ganz offensichtlich war das für die Kanzlei ein einträgliches Geschäft und der Rechtsraum Panama hat dabei eine zentrale Rolle gespielt.

Panama zählt zu den weltweit größten Anbietern von Offshore-Gesellschaften. Die britischen Jungferninseln halten gemessen an der Zahl der Offshore-Firmen mit rund 40% den größten Marktanteil, vor Panama und verschiedenen anderen Steueroasen. Nicht berücksichtigt sind dabei allerdings US-Gliedstaaten wie Delaware und Nevada. Laut einem Treuhänder wäre in diesen US-Gliedstaaten ein Datenleck gar nicht möglich, weil diese im Unterschied zu allen anderen Offshore-Zentren über keine Informationen zu Aktionären, wirtschaftlich Berechtigten oder Kontrollinhabern verfügten.

Briefkastengesellschaften, Trusts und andere Offshore-Vehikel sind grundsätzlich legal. Dass ein Investor Vermögenswerte über eine Gesellschaft mit Sitz in Panama hält und verwaltet, bedeutet denn auch noch nicht, dass er die Steuern in seinem Wohnsitzstaat nicht bezahlt. Solche Offshore-Konstrukte sind wegen steuerlicher Vorteile sehr beliebt für Anlagevehikel. Solche Gesellschaften kommen auch zum Einsatz, wenn die Nachfolge bei Erbschaften geregelt werden soll.

Mit einem Offshore-Vehikel kann sich ein Aktionär eine finanzielle Privatsphäre schaffen. Bank und Anwalt wissen, wer hinter einer solchen Struktur steht. Wenn der Kunde eines Finanzintermediärs nicht selber Organ der Gesellschaft sein will, organisiert die Bank oder die lokale Firma einen treuhänderischen Verwaltungsrat, der nach den Instruktionen des oder der Aktionäre handelt.

Offshore-Vermögen ist Kapital, das in einem Land deponiert ist, in dem der Anleger keinen Wohn- oder Steuersitz hat. Befindet sich ein Auslandskonto etwa in einer Steueroase, spricht man gemeinhin von Offshore-Banking. Viele dieser Offshore-Banken sind unter einem International Banking Act (IBA) lizensiert, der sie vom eigentlichen Bankensystem des Landes abtrennt.

Vor allem US-Firmen praktizieren das Bunkern von Gewinnen im Ausland im großen Stil. Es werden aber nicht Gelder ins Ausland verschoben, sondern viele Töchter und Ländergesellschaften von US-Riesen machen hohe Gewinne. Dass diese Gelder nicht zurück in die USA fließen, hat steuerliche Gründe. So erhebt der amerikanische Fiskus – als einer der wenigen Staaten der Welt – Steuern auf den weltweit erwirtschaften Gewinn der Unternehmen. Der Steuersatz liegt bei relativ hohen 35%. Fällig werden die Steuern allerdings erst bei der Rückführung der Gewinne in die USA. Die amerikanischen Firmen ziehen es daher offensichtlich vor, den meist sehr viel niedrigeren ausländischen Steuersatz zu bezahlen und die Gelder im Ausland zu belassen. Oftmals werden damit Akquisitionen finanziert.

Das Faktum selbst ist längst bekannt: Cayman Islands, Jersey, Singapur – in den Offshore-Zentren ist viel Vermögen angelegt. Besonders in Schwellen- und Entwicklungsländern ist die Kapitalflucht ausgeprägt. Den Staaten entgehen dadurch Einkommenssteuern in Milliardenhöhe. Unternehmer nutzen Offshore-Firmen zu internationalen Finanzierungszwecken und zur Steueroptimierung.

Gabriel Zucman gibt das weltweite Finanzvermögen für 2013 mit 73 Bio. Euro an.[1] Er verweist darauf, dass die von ihm verwandte Methode bestimmte Vermögenswerte ausschließt.[2] Darunter gibt es auch Abgrenzungsprobleme zwischen dem Vermögen von Privathaushalten und Unternehmen. Es handelt sich bei dem Globalvermögen wie bei dem Vermögen der privaten Haushalte um Schätzungen, die uns Hinweise auf die Größenordnungen geben. Von der Gesamtsumme von 73 Bio. Euro (Ende 2013) liegen 8%, also 5,8 Bio. Euro auf Konten in Steueroasen.

Ökonom Zucman wertete internationale Kapitalströme aus, um den Steuerhinterziehern auf die Schliche zu kommen. Eigentlich müssten die Kapitalausfuhren aller Länder genauso groß sein wie die weltweiten Kapitaleinfuhren – so wie ein Betrag bei jeder Überweisung auf zwei Konten auftaucht, einmal als Eingang und einmal als Abbuchung. Doch die offiziellen Kapitalstatistiken sind falsch, sie weisen zu wenig Vermögen aus. Geld verschwindet, ohne irgendwo anzukommen. Das sind die Milliarden, die in Steueroasen angelegt werden.

Einige Staaten – allen voran die Schweiz – stehlen anderen Ländern Geld, mithilfe von kriminellen Bankern. Demnach liegen bei Schweizer Banken derzeit 1.000 Mrd. Euro, deren Eigentümer europäische Kunden sind. Der größte Teil, ein Fünftel, gehört Deutschen. Eine ebenso große Summe liegt auf Konten in Singapur, Hongkong, Luxemburg und anderen Steueroasen. Die Frage ist nun: Welche Menge wird an die heimischen Finanzämter gemeldet?

Die Boston Consulting Group (BCG) etwa geht davon aus, dass 2014 in der Karibik und in Panama 1,4 Bio. US-Dollar an Vermögenswerten gebucht waren, wobei mit 1,3 Bio. US-Dollar der Großteil aus Übersee stammte. Der Anteil dieser Region am weltweiten Offshore-Geschäft wird auf 12% (Schweiz: 25%) beziffert, und mehr als ein Drittel davon wird auf Kunden aus Nordamerika zurückgeführt. Es ist also damit zu rechnen, dass die Panama-Papiere auch Geschäftsbeziehungen zwischen MF und nordamerikanischen Kunden offenbaren.

Eine Untersuchung der Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network (TJN, Netzwerk Steuergerechtigkeit) kommt zu anderen Größenordnungen: Es lagern 21 bis 32 Bio. US-Dollar in Steueroasen weltweit. Dabei handelt es sich ausschließlich um Finanzvermögen, erfasst bis zum Jahr 2010. Immobilien oder andere reale Vermögenswerte, die über Offshore-Strukturen gehalten werden, wurden nicht berücksichtigt.

Die Studie »The Price of Offshore Revisited« stützt sich auf Daten der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IMF), der Uno, verschiedener Zentralbanken sowie Studien zum Private-Banking-Markt. UBS, Credit Suisse und Goldman Sachs sind dabei die drei größten Banken im Offshore-Geschäft mit superreichen Kunden.

Nach Schätzungen der OECD werden etwa 6-8% des weltweiten Vermögens in Offshore-Standorten verwaltet. TJN schätzt die durch Offshore-Finanzplätze verlorenen Steuereinnahmen auf weltweit etwa 255 Mrd. US-Dollar pro Jahr. Die Steuereinnahmen, die den USA auf diese Weise verloren gehen, werden auf etwa 70 Mrd. US-Dollar taxiert.

Die längerfristigen Konsequenzen des Datenlecks sind unklar. Während viele der an den Recherchen beteiligten Medien mehr oder weniger deutlich zu einer Säuberungsaktion in der Offshore-Branche aufriefen, erscheint ein solches Szenario keineswegs zwingend. Wichtige Akteure in der Debatte um Offshore-Praktiken wie Großbritannien und die USA hielten sich in ihren Reaktionen auffallend zurück. Sie zeigen nicht den politischen Willen zur Durchsetzung verschärfter Regulierungen. Gleichwohl hat das Leck Ermittler rund um den Globus hellhörig gemacht. In mehreren westlichen Staaten kündigten die Behörden an, die Dokumente auf Steuervergehen hin zu untersuchen.

Beim Verdacht auf Geldwäscherei müssen die Finanzintermediäre den wirtschaftlich Berechtigten identifizieren und bei Geldwäschereiverdacht den Behörden Meldung erstatten. Laut den Experten von Tax Justice Network bleibt allerdings trotz den durch die Financial Action Task Force (FATF) gesetzten internationalen Geldwäschereibestimmungen eine bedeutende Lücke offen.

Wenn es laut diesen Regeln für die Finanzintermediäre aufgrund eines enormen Aufwands nicht zumutbar sei, den wirtschaftlich Berechtigten am Vermögen zu identifizieren, könnten die Intermediäre laut den internationalen Bestimmungen davon absehen. Den wirtschaftlich Berechtigten zu identifizieren, ist vor allem schwierig, wenn verschiedene Offshore-Strukturen kaskadenartig aufgebaut sind.

Der britische Premierminister David Cameron ist selbst mit einem Offshore-Vehikel identifiziert worden. Seine Glaubwürdigkeit ist angeschlagen, da er sich gern als Vorreiter für die Durchsetzung von mehr Transparenz und eines verstärkten Datenaustauschs mit sogenannten Steuerparadiesen präsentierte. Vor drei Jahren hat er versprochen, Geschäftspraktiken einen Riegel zu schieben, die Geldwäsche, Korruption oder Steuerhinterziehung begünstigen. Das Datenleck bei der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca weist aber darauf hin, dass die Bestrebungen nicht weit gediehen sind und Cameron selbst Nutznießer war.

In Juni wird nun aber eine Regelung in Kraft treten, die Unternehmen und Stiftungen vorschreibt, die Eigentümerstruktur offenzulegen. Diese Information wird öffentlich zugänglich sein. Überseegebiete wie die Britischen Jungferninseln und Bermuda haben sich zwar im letzten Jahr mit der britischen Regierung darauf geeinigt, ebenfalls Register aufzubauen. Diese sollen aber mehrheitlich nicht öffentlich sein, was das Bestreben Londons unterläuft.

Wenn die Zahl der eingerichteten Briefkastenfirmen herangezogen wird, rutscht Großbritannien auf Platz drei – hinter Hongkong und der Schweiz. Zusammen mit der Aktivität in der Isle of Man käme das Vereinigte Königreich aber wieder auf den zweiten Rang. Die mit Abstand beliebteste Destination für die Einrichtung von Briefkastenfirmen waren die Britischen Jungferninseln, ein britisches Überseegebiet.

Die Bedeutung Großbritanniens spiegelt sich auch in den verwalteten Vermögen internationaler Kunden: Laut Zahlen der Boston Consulting Group für 2014 lagen in der Schweiz Gelder in der Höhe von 2,7 Bio. US-Dollar, in Großbritannien 1,3 Bio. US-Dollar, auf den Kanalinseln (und in Dublin) 1,4 Bio. US-Dollar, in Panama und der Karibik 1,3 Bio. US-Dollar.

Im britischen Hinterhof haben sich mehrere Karibik- und Kanalinseln als Finanzzentren etabliert, die als Steuerparadiese verschrien sind – eine Etikette, gegen die sich die Inseln wehren. Sowohl die 14 britischen Überseegebiete wie die Bahamas, die Cayman-Inseln oder Gibraltar als auch die Kronbesitzungen Jersey, Guernsey und Isle of Man haben einen speziellen Status. Sie sind nicht Teil des Vereinigten Königreichs, stehen aber unter dessen Kontrolle.

Das Dilemma Londons liegt darin, dass die Gebiete selbstbestimmt und selbstverwaltet sein sollen. Kritiker meinen aber, dass London der politische Wille zu härteren Forderungen fehle. Die Regierungen der meisten Inseln sind aus Konkurrenzgründen gegen die Einführung einer öffentlichen Liste.

[1] Gabriel Zucman, Steueroasen – Wo der Wohlstand der Nationen versteckt wird, Frankfurt 2014.
[2] Ebd., S. 54

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