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11. Juli 2014 Joachim Bischoff / Bernhard Müller

Optimismus verflogen: Arbeitsmarktbarometer erneut gesunken

Der Optimismus in Sachen Abbau der Arbeitslosigkeit ist verflogen, mittlerweile rechnen die Experten nur noch mit einer Stagnation. Hintergrund seien ein schwächeres Wachstum in den Schwellenländern und die Ukraine-Krise. Wegen der Schwächetendenzen in der internationalen Ökonomie ist die deutsche Industrieproduktion in den letzten drei Monaten (März-Mai) zurückgegangen und auch der Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe war im Mai rückläufig.

Im ersten Quartal 2014 war die deutsche Wirtschaft noch um 0,8% gewachsen. Dieser kräftige Schub zu Jahresbeginn 2014 hing auch mit der sehr milden Witterung zusammen. Für das zweite Quartal wird jetzt ein deutlich niedrigerer Zuwachs des BIP erwartet. Und: »Im zweiten Halbjahr 2014 könnte die Dynamik noch etwas mehr nachlassen: Zwar liegen die Konjunkturerwartungen noch auf einem guten Niveau, sie haben sich aber tendenziell bereits seit dem Jahreswechsel verschlechtert, zuletzt sogar stärker. Daraus sprechen u. a. die Verunsicherung angesichts der Krisen in der Ukraine und dem Irak sowie die nachlassenden Exportmöglichkeiten nach Russland.«

Diese leichten Bremsspuren der Konjunktur zeigen Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt. So ist die Zahl der Arbeitslosen im Juni »wegen des schwachen Endes der Frühjahrsbelebung« weniger stark gesunken als in den Vorjahren: 2,833 Millionen Menschen waren auf Jobsuche – das sind 49.000 weniger als im Vormonat. »Zum Ende der Frühjahrsbelebung im Juni ist die Zahl der arbeitslosen Menschen weiter zurückgegangen, als Spätfolge des milden Winters, aber etwas schwächer als üblich«, so der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Weise. Die Arbeitslosenquote sank um 0,1 Punkte auf 6,5 Prozent.

Saisonbereinigt legte die Arbeitslosenzahl in Deutschland im Juni sogar um 9.000 auf 2,916 Mio. zu. Die um jahreszeitliche Einflüsse bereinigte Erwerbslosenzahl nahm im Westen Deutschlands um 7.000 und im Osten um 2.000 zu. Gegenüber dem Vorjahr waren 32.000 Menschen weniger arbeitslos gemeldet.

Gleichwohl findet immer noch ein gesamtwirtschaftlicher Beschäftigungsaufbau statt: So ist die Zahl der Erwerbstätigen nach den jüngsten Daten vom Mai um 179.000 auf 42,18 Mio. gestiegen. Das sind 389.000 mehr als im Mai 2013. Die Zahl der Menschen mit einem regulären, sozialversicherungspflichtigen Job legte von März auf April um 129.000 auf 29,64 Mio. zu.
Die weiteren Aussichten sind allerdings auch nach Einschätzung des Bundesagentur für Arbeit eher trübe: »Der Optimismus unter den Arbeitsagenturen ist vorerst verflogen, mittlerweile ist nur noch mit einer Stagnation bei der Arbeitslosigkeit zu rechnen«, kommentierte Enzo Weber vom IAB die Aussichten für die nächsten drei Monate.

Zum Jahresanfang war die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt noch deutlich besser, auch bedingt durch die milde Witterung. Die außerordentlich kräftige Dynamik könne sich aber nicht behaupten, so Weber: »Das schwächere Wachstum der Schwellenländer und die Krise in der Ukraine kühlen die Konjunktur in Deutschland ab. Dem Arbeitsmarkt geht damit Schubkraft verloren.« Mit der Stagnation bei der Arbeitslosigkeit würden sich dann auch wieder stärker die strukturellen Probleme beim Abbau der Arbeitslosigkeit zeigen.

Zu dieser Stagnation gehört, dass bestimmte Gruppen von Arbeitsuchenden vom immer noch stattfinden Beschäftigungsaufbau kaum profitieren. Das betrifft zum einen MigrantInnen, deren Arbeitslosigkeit im Juni im Vorjahresvergleich um 5,4% gestiegen ist, und Lohnabhängige, die 55 Jahre und älter sind, die im Vergleich zum Juni 2013 eine um 3,5% höhere Arbeitslosenquote verzeichnen mussten. Dies betrifft zum anderen aber auch und vor allem die Langzeitarbeitslosen. So hat sich im Juni die Zahl der Lohnabhängigen, die länger als 12 Monate arbeitslos waren, im Vergleich zum Vorjahr um 15.000 oder 1 Prozent auf 1.059.000 erhöht. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen ist von 36,4 auf 37,4% gestiegen.

Die Langzeiterwerbslosigkeit ist in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden, Dänemark, Schweden oder Großbritannien deutlich höher. »Seit ihrem historischen Höchststand im Jahr 2007 ist sie allerdings stark rückläufig. Trotzdem ist der Anteil der Langzeit-Erwerbslosen an allen Erwerbslosen in Deutschland auch am aktuellen Rand immer noch höher als in den genannten Ländern. So waren im dritten Quartal 2013 in Deutschland fast 45 Prozent aller Erwerbslosen ein Jahr oder länger erwerbslos. In Schweden und Dänemark waren es gut 18 bzw. 24 Prozent, in Großbritannien und den Niederlanden jeweils ein gutes Drittel.« (Erwerbslose und Inaktive in verschiedenen Sozialsystemen, IAB-Kurzbericht 8/2014, S.2)

Dies hat vor allem zwei Gründe. Erstens der Abbau der Vorruhestandsreglungen und die besonders rigide Regelung des Zugangs in die Erwerbsminderungsrente. »In Ländern wie den Niederlanden, Dänemark oder Großbritannien waren und sind Leistungen wegen Erwerbsminderung gerade bei Älteren auch ein arbeitsmarktpolitisches Ventil. Im internationalen Vergleich gilt Deutschland dagegen als ein Land, in dem Erwerbsminderungsrenten relativ selten bewilligt werden, weil medizinische Kriterien einen hohen Stellenwert haben und Erwerbsminderungsleistungen im Vergleich zu den skandinavischen Staaten weniger großzügig ausgestaltet sind.« (ebd., S. 5)



Der zweite Faktor, der für das hohe Niveau der Langzeitarbeitslosigkeit mit verantwortlich ist, sind die noch von der schwarz-gelben Bundesregierung auf den Weg gebrachten Kürzungen bei der Arbeitsmarktpolitik. So haben im Juni 2014 nach vorläufigen Daten 848.000 Personen an einer von Bund oder der Bundesagentur für Arbeit geförderten arbeitsmarktpolitischen Maßnahme teilgenommen. Das waren erneut 5% weniger als vor einem Jahr. Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (425.000) wurden aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung gefördert, 422.000 haben an Maßnahmen teilgenommen, die aus Mitteln der Grundsicherung für Arbeitsuchende getragen wurden. Es bleibt der trostlose Tatbestand, dass die reiche Bundesrepublik in Sachen Förderung der Arbeitslosen äußerst knauserig ist.

Wie rigoros hier in der Arbeitsmarktpolitik gekürzt wurde, kann am Bestand an TeilnehmerInnen an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen abgelesen werden. Haben im Jahr 2009 noch 1,63 Mio. Menschen an solchen Maßnahmen teilgenommen, waren das 2013 nur mehr die Hälfte, nämlich 858 Tsd.

Bestand an Teilnehmern in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen

                                 ggb. Vorj.     ggb. 2009
2009    1.631.295     0%              0%
2010    1.493.517     -8%            -8%
2011    1.186.333    -21%           -27%
2012    957.867       -19%           -41%
2013    858.169       -10%           -47%

Mit der drastischen Beschränkung der Mittel für Arbeitsmarktpolitik sinken selbstverständlich auch die Chancen der Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Sie bräuchten eigentlich eine besonders intensive individuelle Betreuung, um eine reelle Chance für den Wiedereinstieg in einen regulären Job zu haben. Diese ist auch die Grundidee des »sozialen Arbeitsmarkts«, den es in anderen Ländern (zumindest in Ansätzen noch) gibt. In den Niederlanden, die ökonomisch unter Druck stehen, wird am Instrument der »geschützten Beschäftigung« festgehalten und in Dänemark gibt es die sogenannten FlexJobs. »So sind in den Niederlanden rund 1 Prozent aller Erwerbspersonen und in Dänemark sogar mehr als 2 Prozent in ›geschützter Beschäftigung‹. Übertragen auf Deutschland würde dies die Schaffung von 440.000 bis 900.000 geschützter Arbeitsplätze bedeuten.« (IAB a.a.O., S.8)

 

Grundproblem Prekarisierung

Der immer noch stattfindende Zuwachs an neuen Jobs basiert vor allem auf dem weiteren Ausbau prekärer Beschäftigung. Dies zeigt sich auch bei der Betrachtung der Entwicklung des gesamtgesellschaftlichen Arbeitsvolumens. Nach Angaben des IAB haben die Erwerbstätigen im ersten Quartal 2014 insgesamt 15 Mrd. Stunden gearbeitet. Das entspricht einem Plus von 2,8% im Vergleich zum Vorjahresquartal. Gegenüber dem vierten Quartal 2013 stieg das Arbeitsvolumen saison- und kalenderbereinigt um 1,4%. Ein höheres Arbeitsvolumen verzeichnete das IAB zuletzt im dritten Quartal 1992 mit 15,3 Mrd. Stunden.

Vergleicht man nun gerade das erste Quartal 2014 mit dem dritten Quartal 1992 bekommt man gutes Bild vom Wandel der Struktur der Lohnarbeit in den vergangenen 22 Jahren. So wurde das Arbeitsvolumen von knapp 15 Mrd. Stunden im 1. Quartal 2014 von 47,7 Mio. Personen erbracht, das waren 3,5 Mio. mehr als noch 1992. D.H. das ungefähr gleiche Arbeitsvolumen verteilt sich auf deutlich mehr Arbeitende. Betrachtet man nur die Lohnabhängigen, waren in 2014 2,7 Mio. mehr Menschen lohnabhängig beschäftigt als noch 1992. Da gleichzeitig die Teilzeitquote von 17,8 auf 34,6% gestiegen ist, wurde das um 400 Mio. Std. gesunkene Arbeitsvolumen (absolut 12,5 Mrd. Stunden) von knapp vier Mio. weniger Vollzeitbeschäftigten und 6,7 Mio. mehr Teilzeitbeschäftigten erbracht.

Dabei ist in diesen Berechnungen des IAB das Ausmaß an Prekarisierung noch unterzeichnet. Denn nach einer statistischen Revision der Bundesagentur für Arbeit gab es im Dezember 2013 nur 21,9 Mio. sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte und 7,6 Mio. Teilzeitbeschäftigte. Addiert man dazu noch die Mini-Jobber liegt die tatsächliche Teilzeitquote bei 40%.

Die Folgen dieser Entwicklung sind bekannt: sinkende Lohnquote, enorme Spreizung der Lohneinkommen, Niedriglohnsektor. Unterm Strich können sich die Unternehmer einen immer größeren Teil des gesellschaftlichen Arbeitsvolumens aneignen. Für Teile der Lohnabhängigen reicht das erzielte Lohneinkommen nicht für die Reproduktion ihrer Ware Arbeitskraft.

Durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns wird diese Entwicklung allenfalls gemildert. D.h. es wäre viel erreicht, wenn die Tendenz der Auflösung der regulären oder geordneten Arbeitsverhältnisse gestoppt würde. Die Bundesrepublik hat in wenigen Jahren einen großen Sektor an niedrig bezahlten und unzureichend sozial abgesicherten Arbeitsverhältnissen aufgebaut. Zur wirklichen Eindämmung der Prekarisierung der Lohnarbeit wäre darüber hinaus ein ganzer Set an Maßnahmen erforderlich (z.B. Abschaffung der Minijobs und Wiedereinstieg in eine aktive Arbeitsmarktpolitik). Von der schwarz-roten Bundesregierung sind solche Maßnahmen nicht zu erwarten. Eine weitere Abschwächung der Konjunktur wird deshalb am Arbeitsmarkt weitere Verwerfungen produzieren.

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