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21. März 2011 Joachim Bischoff / Bernhard Müller: Die Wahl in Sachsen-Anhalt

Politik ohne Bewegung?

Nach den Wahlen in Sachsen-Anhalt zeichnet sich eine Fortsetzung der bisherigen schwarz-roten Koalition aus CDU und SPD ab. Theoretisch wäre auch ein Bündnis von DIE LINKE und SPD denkbar, aber der sozialdemokratische Spitzenkandidat Bullerjahn hatte schon vor der Wahl erklärt, dazu werde es nur kommen, wenn die SPD mehr Stimmen auf sich vereinigen kann als DIE LINKE.

Dazu ist es nicht gekommen. So bleibt es wohl bei Schwarz-Rot und der Fortsetzung einer Politik, die die schwierige Situation des Landes mit wachsenden sozialen Verwerfungen verwaltet.

Dabei haben DIE LINKE und die SPD ein große programmatische Schnittmenge: ein neues Vergabegesetz, faire Löhne, längeres gemeinsames Lernen. Aber einen Aufbruch oder Politikwechsel wird es nicht geben. Die Folge: Die Bevölkerung geht weiterhin massiv zurück und die Abwanderung von vor allem von jungen BürgerInnen hält an. Gerade die Abwanderung ist Ausdruck von Perspektiv- und Hoffungslosigkeit. Angeblich ist das »Weiter so« die Mehrheitsmeinung – so die vorherrschende Deutung der Landtagswahl.

Noch wenige Wochen vor der Landtagswahl hatte die schwarz-rote Koalition eine harte Schuldenbremse mit dem Bund vereinbart. Finanzminister Bullerjahn (SPD) ist stolz darauf, dem Wähler vorgegriffen zu haben. Die große Koalition sicherte dem Bund und den anderen Ländern zu, das Defizit des Bundeslands bis 2020 auf Null zu bringen. Sachsen-Anhalt soll den Schuldenabbau aus eigener Kraft schaffen. Das heißt., dass unter anderem Personal abgebaut, Verwaltungen zusammengelegt sowie gesetzliche Leistungen zurückgeführt werden wird.

Sachsen-Anhalt bekommt aus einem Bundessonderfonds insgesamt 80 Mio. Euro im Jahr. Die Verwaltungsvereinbarung sieht vor, dass das strukturelle Defizit im Landeshaushalt von 690 Mio. Euro in diesem Jahr in zehn gleichen Jahresschritten abgebaut wird. Das Land sitzt bei einem Etat von 10 Mrd. Euro auf einem Schuldenberg von insgesamt 20 Mrd. Euro. Bereits 2012 will es ohne neue Schulden auskommen und ab 2014 Kredite tilgen. Gleichwohl: Die BürgerInnen haben die Schuldengarotte gut geheißen.

Die Wahlbeteiligung ist gegenüber der Landtagswahl 2006 deutlich gestiegen – von einem allerdings trostlos tiefen Niveau von 44,4% auf 51,2%. Bei den Landtagswahlen 2002 lag sie noch bei 56,5%. Zur WählerInnemobilisierung haben verschiedene Faktoren beigetragen – so die Ereignisse in Lybien und Japan, aber auch der drohende Einzug der NPD in den sachsen-anhaltinischen Landtag.

Gleichwohl bleibt festzuhalten: »Sachsen-Anhalt war bisher Vorreiter des langfristigen politischen Trends in Deutschland: des Trends zum Nichtwählen. Man wünschte sich, die erhöhte Wahlbeteiligung würde nun eine Trendwende ankündigen; aber dafür gibt eine Wahlbeteiligung von gut 50% keinen Anlass.« (Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung) Praktisch heißt diese große Distanz der Hälfte der wahlberechtigten BürgerInnen zum politischen System, dass die alt-neue CDU-SPD-Koalition sich gerade einmal auf eine Zustimmung von 26,9% der Wahlberechtigten stützt.

Auch wenn das Wahlergebnis keine erdrutschartigen Verschiebungen mit sich gebracht hat, gibt es sehr wohl VerliererInnen und das sind die bürgerlichen Parteien. Die CDU hat absolut (-4.000 Stimmen) und relativ (-3,7%) verloren, die FDP flog mit 3,6% Stimmenanteil (absolut -22.000 Stimmen) aus dem Landtag raus – Ergebnisse, die auch dem aktuellen Bundestrend entsprechen. Dagegen konnten DIE LINKE und die Sozialdemokratie ihr Ergebnis von der letzten Landtagswahl in etwa halten und absolut sogar Stimmen dazugewinnen (LINKE + 17.600, SPD + 20.800 Stimmen). Der eigentliche Profiteuer der politischen Großwetterlage aber sind die Grünen, die mit einem Stimmenzuwachs von knapp 39.000 Stimmen und einem Stimmenanteil von 7,1% den Wiedereinzug in den Landtag feiern konnten.

 

LTW 2011

 

LTW 2006

2011/2006

 

Absolut

in %
der
Wähler

in % der
Wahl-
berecht.

absolut

%

 

Wahlberecht.

1.988.290

 

 

2.078.659

 

 

WBT

1.017.244

51,2

51,2

923.278

44,4

93.966

CDU

322.987

32,5

16,2

326.721

36,2

-3.734

LINKE

234.917

23,7

11,8

217.295

24,1

17.622

SPD

213.586

21,5

10,7

192.754

21,4

20.832

FDP

38.172

3,8

1,9

60.209

6,7

-22.037

Grüne

70.906

7,1

3,6

32.117

3,6

38.789

NPD

45.697

4,6

2,3

0

0

14.469

DVU

0

0

 

26.905

3,0

 

Rep

0

0

 

4.323

0,5

 

 

Zum guten Ergebnis der LINKEN hat beigetragen, dass die Partei im Wahlkampf deutlich auf die strukturellen Probleme des Landes hingewiesen und konkrete Alternativen angeboten hat. Sachsen-Anhalt leidet am anhaltenden Fortzug vor allem jüngerer Arbeitskräfte. So hat die Bevölkerung des Landes auch noch im Zeitraum von 2003 bis 2009 um 6,6% abgenommen – mit dem Effekt, dass der Anteil etwa der 25-35-Jährigen seit 1994 von 15% auf 10% zurückgegangen, während der der über 60-Jährigen von 21% auf knapp 30% gestiegen ist.

Der Hintergrund sind eine hohe Arbeitslosigkeit und ein massiv expandierender Niedriglohnsektor. Sachsen-Anhalt hat sich zu einem regelrechten Billiglohnland entwickelt. So lag der Anteil prekärer Beschäftigungsverhältnisse an allen Beschäftigungsverhältnissen im Jahr 2009 bei enormen 42,6% (2003: 34,3%). Dabei dominieren Teilzeit- (25,9%) und Mini-Jobs (15,7%). Und: Ein Drittel (31,2%) der erwerbsfähigen Harz IV-BezieherInnen (absolut: 76.000) sind »AufstockerInnen«, also arm trotz Arbeit. Damit liegt das Bundesland in der Deregulierungsrepublik Deutschland deutlich an der Spitze. Zum Vergleich: im Durchschnitt beträgt der Anteil atypischer Beschäftigung »nur« 37,1%. Hinzu kommt: 18% der Menschen in Sachsen-Anhalt sind auf Hartz IV-Leistungen angewiesen, fast 30% der Kinder unter 18 Jahren sind arm.

Zu Recht fordert daher DIE LINKE die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. »Flankierend wollen wir im Land ein Vergabegesetz einführen, das garantiert, dass bei öffentlichen Aufträgen nie und nirgends unter 8,50 Euro gearbeitet wird… Im Verkehrsbereich, für Bus- und Straßenbahnfahrer können wir eine unmittelbare Tarifbindung einführen. Fördermittel für industrielle Ansiedlungen müssen an die Einhaltung von Tariflöhnen gebunden werden. Bisher verfolgt die Landesregierung eine Billiglohnstrategie. Es war diese falsche Förderpolitik, die dazu geführt hat, dass die Stundenlöhne so niedrig sind (bei 75% des Bundesdurchschnitts liegen).« (der LINKE-Spitzenkandidat Wulf Gallert in der Süddeutschen Zeitung).

Die Sozialdemokratie opfert einen mit der LINKEN möglichen Politikwechsel zugunsten der großen Zahl prekär Beschäftigter und sozial Ausgegrenzter auf dem Altar einer Beteiligung als Juniorpartner in einer schwarz-roten Koalition. Der Preis ist der weitere Verlust an politischer Glaubwürdigkeit. Davon könnte die extreme Rechte in Zukunft noch weit stärker profitieren als sie dies bei dieser Wahl schon getan hat.

Die NPD ist zwar mit 4,6% nicht im neuen Landtag vertreten, konnte aber bei der Gruppe der unter 30-jährigen WählerInnen mit 12% fast den dreifachen Wert ihres Wahlergebnisses erreichen. Die eigentlichen Verlierer der Entwicklung Sachsen-Anhalts, die Hartz IV-Bezieherinnen, Arbeitslose und Arbeiter sind mit Stimmenanteilen von 9-11% den Angeboten der extremen Rechten gefolgt und haben damit zum Ausdruck gebracht, dass sie keinerlei Hoffnungen mehr in die politischen Konzepte der anderen Parteien haben. Darüber muss auch DIE LINKE ins Grübeln kommen.

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