Hajo Funke
AfD-Masterpläne
Die rechtsextreme Partei und die Zerstörung der Demokratie | Eine Flugschrift
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ISBN 978-3-96488-210-3

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Strategische Fragen linker Politik in Zeiten von Krieg und Krise
Eine Flugschrift
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Antje Vollmer/Alexander Rahr/Daniela Dahn/Dieter Klein/Gabi Zimmer/Hans-Eckardt Wenzel/Ingo Schulze/Johann Vollmer/Marco Bülow/Michael Brie/Peter Brandt
Den Krieg verlernen
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Peter Wahl
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Bellizistische Narrative, Kriegsschuld-Debatten und Kompromiss-Frieden
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Heiner Dribbusch
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Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000 – Daten, Ereignisse, Analysen
376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

5. Oktober 2010 Joachim Bischoff: Europa in der Abwärtsspirale

"Zwielichtige" Rechtspopulisten sind nur ein Teil des Problems

Bundeskanzlerin Merkel hat ihr politisches Befremden über das Zustandekommen des niederländischen Kabinetts unter Einbeziehung von Geert Wilders und seiner rechtspopulistischen Partei ausgedrückt. Auf die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Den Haag werde sich das neue Regierungsprogramm allerdings nicht auswirken.

Und europäische Sanktionen wehrt sie ab, indem sie an die EU-Sanktionen gegen Österreich erinnert, als die FPÖ unter Jörg Haider im Jahr 2000 Teil der Koalition wurde: "Wie man damals mit Österreich umgegangen ist, war nicht im Sinne der europäischen Idee." Allerdings: Mit bloßer Ignoranz werden die europäischen Regierungen dem erneuten Angriff durch die extreme Rechte nicht gerecht werden können.

Im Gegenzug hat der niederländische Islamgegner Geert Wilders die deutsche Kanzlerin aufgefordert, sich aus der Politik in seinem Land herauszuhalten. "Frau Merkel, Sie haben kein Recht". Daraufhin spitzte die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) den Konflikt zu: „Ratschläge von zwielichtigen Figuren aus den Niederlanden laufen unserem Bemühen zuwider, die Integration muslimischer Mitbürgerinnen und Mitbürger zu fördern... Rechtspopulistische Angriffe auf Teile unserer Bevölkerung spalten ... unsere Gesellschaft. Integration kann nur dort auf Dauer gelingen, wo man Denken und Glauben des Anderen nicht nur duldet, sondern respektiert.“ Markige Worte – aber die realpolitische Bedrohung bleibt.

Schaut man sich das Regierungsprogramm der neuen niederländischen Regierung an, wird die Bedrohung der europäischen Gemeinschaft deutlich. Mehrheitlich segnete ein Sonderparteitag den Duldungsvertrag ab, den der Christdemokratische Appell (CDA) und die rechtsliberale VVD mit der Freiheitspartei (PVV) von Wilders ausgehandelt haben. Die Minderheitsregierung will die Niederlande an die „hart arbeitenden Niederländer zurückgegeben“. Im Zentrum steht der Versuch, den Staatshaushalt bis 2015 auszugleichen, unter anderem mit Einsparungen in Höhe von 18 Milliarden Euro. Zugleich – hier ist die Handschrift Wilders deutlich – sollen die Immigration zurückgedrängt und die Justizorgane entsprechend „handlungsfähiger“ gemacht werden.

Bei den Einsparungen ragt der Posten von sechs Milliarden Euro zur Verschlankung des Staatsapparats heraus. Weitere große Einsparungen sollen durch weniger Nettozahlungen an die Europäische Union (eine Milliarde Euro), durch eine „Straffung“ des Verteidigungssektors (600 Millionen Euro), durch eine Erhöhung des Rentenalters von 65 auf 66 Jahre und eine Neuordnung der Kranken- und Pflegeversicherung erzielt werden. So will die neue Regierung die Grundsicherung weiter einschränken. Gekürzt wird auch bei Kinderkrippen, Kultursubventionen und im öffentlichen Rundfunk. Lehrer sollen künftig nicht nach ihrem Dienstalter, sondern nach ihren „Leistungen“ bezahlt werden.

Bei der inneren Sicherheit will das neue niederländische Kabinett Mindeststrafen für Wiederholungstäter bei schweren Verbrechen einführen und die Polizei um 3.000 Beamte verstärken. Die Einwanderung von Menschen aus Ländern, die nicht der EU oder dem EWR angehören, soll eingedämmt werden, gleich ob dies Asylsuchende oder Arbeitsmigranten sind. Illegaler Aufenthalt in den Niederlanden soll strafbar werden, ebenso wie das Tragen von verhüllender Kleidung wie der Burka. "Doppelbürgern", die schwere Verbrechen begehen, soll die niederländische Staatsbürgerschaft aberkannt werden. Die Einbürgerungstests werden verschärft, Einbürgerungen bleiben für die ersten fünf Jahre provisorisch.

Diese Offensive einer rechtskonservativen Regierung, deren Existenz von einer rechtsextremen Partei abhängt, stellt einen massiven Angriff auf die europäische Gemeinschaft dar. Mit dem Programm der neuen niederländischen Regierung wird Europa politisch in Frage gestellt.

Allerdings ist unübersehbar, dass die seit längerem bestehende Herausforderung durch die politische Rechte – anfänglich unter der Führung von Haider – nicht nur in den Niederlanden eine neue Qualität angenommen hat. Auch im bürgerlichen Zentrum Europas werden die Bürgerrechte vom französischen Präsidenten bei der Ausweisung der Roma brutal missachtet

Die politische Bedrohung gewinnt vor dem Hintergrund der katastrophalen ökonomisch-sozialen Entwicklung an der Peripherie der europäischen Gemeinschaft erhebliche Sprengkraft. Es ist nicht mehr nur Griechenland, das infolge einer brutalen Kürzungsoperation einer düsteren Zukunft entgegengeht. Auch in Portugal hat sich die Situation dramatisch verändert. Die sozialistische Minderheitsregierung unter Sócrates schockierte die Bevölkerung mit der Ankündigung eines weiteren Austeritätsprogramms, das u.a. Kürzungen der Einkommen im Staatsdienst und eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer vorsieht. Hintergrund: Portugal ist in den letzten Wochen über die Finanzmärkte erneut unter Druck geraten. Eine wachsende Zahl von Wirtschaftsleuten sieht das Land im griechischen Fahrwasser und rechnet mit einem Engagement des Internationalen Währungsfonds.

In Spanien sehen wir eine vergleichbare Entwicklung. Einen Tag nach dem Generalstreik gegen die Kürzungsmaßnahmen der Regierung Zapatero hat Spaniens Wirtschaftsministerin Salgado ein weiteres Kürzungspaket für 2011 vorgestellt. Die sozialdemokratische Regierung will die Defizitbekämpfung energisch fortzuführen. Ziel ist es, das Defizit von zuletzt 11,1% im Laufe des nächsten Jahres auf 6% zu drosseln. Am härtesten trifft es das Bau-Ministerium, das Kürzungen von 35% hinnehmen muss. Betroffen sind vor allem Infrastrukturvorhaben: Straßenbauprojekte werden um 50%, Eisenbahnprojekte um 20% gekürzt. Des Weiteren sollen die Beamtengehälter, die schon im Sommer um durchschnittlich 5% gekürzt wurden, 2011 eingefroren werden. Eine Nullrunde ist auch für die Pensionen vorgesehen, allerdings mit Ausnahme der Mindestrenten, die um 1% steigen. Zusätzliche Einnahmen für die Staatskasse soll eine Steuererhöhung für die Besserverdienenden bringen. Die fällt jedoch marginal aus: So will die Regierung den Spitzensteuersatz von Jahreseinkommen über 120.000 € von derzeit 43% auf 44% heraufsetzen

Trotz der Verschärfung des Austeritätsprogramms hält die Regierung an der Prognose eines Wirtschaftswachstums von 1,3% für das kommende Jahr fest. Diese Einschätzung ist angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und zahlreicher Strukturprobleme illusionär. Die Spanische Zentralbank weist darauf hin, dass sich die schleppende Konjunktur im dritten Quartal 2010 abgeschwächt habe.

Die negativen Meldungen über die wirtschaftliche Entwicklung und die Verschuldungskrise in Europa haben sich deutlich verstärkt. Dabei hat Irland die Spitze übernommen: Die mutmaßlichen Endkosten seiner Bankenkrise werden auf 50 Mrd. Euro taxiert. Die Neuverschuldung des Staates wird einmalig auf 32% des BIP hochschnellen, und eine weitere Bank wird de facto verstaatlicht.

Es wird über weitere Herabstufungen der Kreditwürdigkeit von Irland und Spanien diskutiert. Die Renditedifferenzen der Staatsanleihen von Irland und Portugal zu deutschen Bundesanleihen steigen kontinuierlich weiter, immerhin sinken gegenläufig dazu jene von Italien und Spanien.

Anstatt sich auf eine gemeinsame Wachstums- und Stabilisierungspolitik zu verständigen, will die Bundesregierung mit einem härteren Vorgehen gegen zu hohe Staatsschulden und besserer Kontrolle der nationalen Wirtschaftspolitik die Eskalation der Schuldenkrise in der EU bekämpfen. Geldstrafen gegen zu hohe Defizite sollen künftig früher greifen und schwerer von den EU-Finanzministern zu verhindern sein. Die Änderungen würden dem Pakt Biss verschaffen und den politischen Spielraum beim Verhängen von Sanktionen begrenzen, erklärt die EU- Kommission.

Die Reform ist unter den EU-Staaten hoch umstritten. Während Deutschland noch härtere Strafen wie einen Stimmrechtsentzug fordert, lehnt Frankreich eine zu große Macht der EU-Kommission ab. Der langjährige Schuldenspitzenreiter Italien hat Bedenken gegen Vorgaben zum Abbau der Gesamtverschuldung. Ende Oktober soll der EU-Gipfel über den Plan entscheiden, der weitere Gesetzesänderungen erfordern wird. Angesichts der real existierenden ökonomisch-politischen Spannungen ist dies ein Spiel mit dem Feuer.

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