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25. März 2014 Bernhard Sander: Die Kommunalwahlen in Frankreich

Rechtsruck?

Die französischen Sozialdemokraten mögen sich damit trösten, dass es landesweit mit 37,7% doch noch recht gut aussieht, der Abstand zur Rechten mit 46,5% einholbar erscheint und der Front National »nur« bei 4,7% gelandet sei (2008 = 0,9%). Die Stichwahlen werde man für sich entscheiden können. Doch in vielen Städten gibt es keine linke Mehrheit mehr.

Für die Europawahlen, bei der jede Partei auf eigene Rechnung kämpft, zeichnet sich ein Debakel ab. Die Linke der Linken muss sich fragen, ob die Strategie der wechselnden Bündnisse und die Unterstützung für die Sozialdemokraten sie nicht mit in den Abgrund gerissen hat. Der Vorsitzende des PCF, Pierre Laurent, meinte in dieser für seine Partei zu einer Zerreißprobe werdenden Lage, die Listen mit einem breiten Sammlungsansatz hätten sich gut behauptet. Darin sehe er eine Einladung an die gesamte Linke, die Politik vor Ort zu stärken und sich gegen die angekündigten Projekte der Sparpolitik und der Gebietsreform zu stellen.

Nur in den wenigsten Städten gelang eine absolute Mehrheit für den Bürgermeisterkandidaten im ersten Wahlgang. Darunter ist z.B. Hénin-Beaumont im Norden mit über 50% und Orange mit fast 60% für die Nationale Front von Marine Le Pen. Die Ergebnisse des Front National haben sich gegenüber den letzten Kommunalwahlen 2008 verfünffacht und übertreffen die Erwartungen, da man in einer Reihe von Städten mit 35-45% an erster Stelle in die Stichwahl geht. In Marseille, Perpignan (120.000 Einwohner), Fréjus (53.000 Einwohnen) und Béziers liegen die Sozialdemokraten hinter dem FN an dritter Stelle.

Die Wahlbeteiligung sank erneut um 2% auf nunmehr nur noch knapp 62%, weil vor allem diejenigen, die sich Hoffnungen auf die PS und ihren Staatspräsidenten gemacht hatten, enttäuscht zu Hause blieben. In Städten, in denen der FN vorn liegt, gingen sogar mehr BürgerInnen zur Wahl als im Landesdurchschnitt: Béziers 64%, Fréjus 68%, Hénin-Beaumont 65%.

Die Aussicht auf einen Durchbruch des FN hat die Wahlbeteiligung in diesen Städten ansteigen lassen und die Rechtspopulisten liegen in Avignon, Beziers, Fréjus, Perpignan, Forbach so weit vorn, dass sie Aussicht auf die Rathausmehrheit haben, denn PS und UMP werden sich nicht verständigen, das zu verhindern. In einer Reihe vormals von der PS regierter Großstädte wurden sie von der bürgerlichen UMP (teils im Bündnis mit den Zentristen von MoDem/UDI) abgehängt.

Der Fraktionsführer der PS in der Nationalversammlung mahnt nun wieder zur republikanischen Disziplin, die seine eigene Partei bei den Parlamentswahlen ausgeschlagen hat. Er erinnert dran, was FN-Mehrheiten in den Stadträten (Orange, Toulon usw.) in der Vergangenheit bedeuteten: »Vetternwirtschaft, Stigmatisierung, Schließung von Strukturen, die eine Stadt zum Leben braucht, Streichung der Kulturpolitik«.

Die FN-Chefin selbst verspricht Senkung der lokalen Steuern dort, wo ihre KandidatInnen Bürgermeister/in werden. Sie waren überhaupt nur in einem Viertel der 35.000 Gemeinden und Städte angetreten und stehen nun in 229 im zweiten Wahlgang. Bisheriges Spitzenergebnis waren die Wahlen 1995 mit 116 »Dreiecken«. Aber die Partei hat ein Kaderproblem: Sie konnte nur 497 Listen aufstellen, so dass sie in vielen Städten nicht im Stadtrat präsent sein wird.

Die Verankerung in der Fläche ist das eine, der Triumpf in den Großstädten das andere. In 17 Städten mit mehr als 10.000 Einwohnern könnten sie zur Mehrheit gelangen. Le Pen spricht von einem Politikwechsel und von der Überwindung des starren Rechts-Links-Schematismus, da sie in einer Reihe von großen Städten (Strasbourg, Lyon, Marseille, Mulhouse, Saint-Etienne, Tourcoing, Nîmes, Reims) in Dreieickswahlen stehen. Auch da, wo man nichts Entscheidendes wird bewirken können, beeindruckt der Anstieg, z. B. in Lille (von 5% auf über 17%) oder in ihren bisherigen Diaspora-Städten der Bretagne.

Zieht man die Statistik heran, dann sind die FN-Hochburgen eher die Städte, in denen vor allem das obere 10% ein insgesamt geringeres Pro-Kopf-Einkommen als im Landesdurchschnitt erzielen (z. B. Hénin-Beaumont mit 2.470 gegenüber 3.247 Euro oder Fréjus mit 3.040 Euro). Oft sind es Städte wie Forbach oder Avignon, die zusätzlich mit einem relativ hohen Gini-Koeffizienten der Einkommensungleichheit geschlagen sind ( je 0,43 gegenüber 0,37 landesweit; aber auch dies stimmt nicht durchgängig), während die Hochburgen der Linken eine relativ ausgeglichenere Einkommensverteilung ausweisen (www.comparateurterritoires.fr).

Henry Guiano, einer der früheren Spindoctors von Sarkozy, sieht die Gründe für das schwache Abschneiden des PS vor allem in den Projekten, die die Gesellschaft auf kultureller Ebene gespalten haben: Homoehe, Sterbehilfe, Drogenfreigabe, Umgang mit rückfälligen Straftätern. »Dafür haben die Arbeiter die Linke nicht gewählt«, meint Guiano und schiebt die einfachen Volksschichten damit in eine reaktionäre Ecke.

Sein zweites Argument greift die Post-Demokratie-These auf: »Die Politik hat sich ihrer Instrumente als Politik entledigt und den Euro-Bürokraten, den Ermittlungsrichtern und unabhängigen Institutionen überlassen.« Martin Aubry, die frühere PS-Arbeitsministerin unter Jospin und jetzige Bürgermeisterin der Millionen-Metropole Lille (35%, was einem Minus von 12% entspricht) erklärt sich die Niederlage ihrer Partei damit, dass die Krise seit 2008 fortdauere und man daraus nicht einfach schnell herauskomme: »Viele Franzosen verstehen nicht, warum die aktuelle Politik keine schnelleren Resultate liefert, und ich kann sie verstehen.«

Der Staatspräsident hatte im vergangenen Jahr unablässig versprochen, die Kurve der Arbeitslosigkeit werde bald sinken. Es ist natürlich nicht nur eine zeitliche Dimension, sondern auch die Komplexität und Tiefe der Großen Krise, die es jeder linken Mehrheit erschweren würde, zu Resultaten zu gelangen. Die Nationale Front, so Aubry weiter, verspreche nur schnelle Lösungen auf Basis der von der UMP verbreiteten sozialen Spaltung und des Egoismus.

Die Kommunisten selbst konnten einige Hochburgen verteidigen: Saint-Denis (Wahlbeteiligung 35%), Bagnolet, Ivry (innerer Gürtel um Paris) zusammen mit der Front de Gauche gegen Listen des PS. In Arles, Vennissieux, Dieppe müssen sie im Verbund mit dem PS in die Stichwahl. Auch im Skandal-Bezirk von Dassault, Corbeil-Essonnes, besteht noch Aussicht auf Erfolg für den PCF.

Der Front de Gauche beglückwünscht sich zu einer »besseren Verankerung«, erzielte aber nur in einigen Stadtbezirken von St. Etienne, Lyon und Grenoble Achtungserfolge. Insgesamt konnte die Linke der Linken, dort wo sie kandidierte, das Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen behaupten, aber nicht ausbauen. In Frankreichs acht größten Städten lagen die Resultate zwischen 5% und 7%.

In Amiens, wo um die Schließung der Goodyear-Reifenwerke erbitterte Arbeitskämpfe geführt wurden, erzielte die Linke enttäuschende Ergebnisse (UMP 46%, PS/PCF 24,5%, FN 15%, Front de Gauche 9%). Ähnlich erging es dem PS in Florange, wo um den Stahlstandort gekämpft wurde und die UMP nun die relative Mehrheit eroberte. Die an der Regierung beteiligten Grünen, die überraschend in Grenoble zusammen mit dem Parti de Gauche weit vorne liegen, versprachen landesweit der UMP ihre Stimmen, wenn es gegen den FN gehe.

Lediglich die kleine UDI, eine liberale Abspaltung aus Sarkozys Präsidentenmehrheit, kündigte an, dem FN den Weg zu verlegen. Das wird dann wohl, wie in Aix-en-Provence, ein Votum für die UMP sein, die selbst bei ihrem »Weder-noch« bleibt und dazu aufruft, auch im zweiten Wahlgang nur für die eigenen Leute zu votieren. Da große inhaltliche Übereinstimmungen der UMP-Anhängerschaft mit den Ideen des Front National bestehen, werden Teile von ihnen – vor allem, wenn der FN stärker als die UMP ist, – in der zweiten Runde gegen die Sozialisten und für den FN stimmen; dies könnte z. B. in Avignon der Fall sein (29,85 FN, 29,4% PS, 20,9% UMP). Die FN-Chefin jedenfalls sieht sich als »Dritte Kraft« und die Europawahl wird das bestätigen.

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