Hajo Funke
AfD-Masterpläne
Die rechtsextreme Partei und die Zerstörung der Demokratie | Eine Flugschrift
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ISBN 978-3-96488-210-3

Michael Brie
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Strategische Fragen linker Politik in Zeiten von Krieg und Krise
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126 Seiten | EUR 12.00
ISBN 978-3-96488-215-8

Antje Vollmer/Alexander Rahr/Daniela Dahn/Dieter Klein/Gabi Zimmer/Hans-Eckardt Wenzel/Ingo Schulze/Johann Vollmer/Marco Bülow/Michael Brie/Peter Brandt
Den Krieg verlernen
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Frank Deppe
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Peter Wahl
Der Krieg und die Linken
Bellizistische Narrative, Kriegsschuld-Debatten und Kompromiss-Frieden
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Heiner Dribbusch
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Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000 – Daten, Ereignisse, Analysen
376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

23. Januar 2014 Redaktion Sozialismus: Hessen hat eine neue Regierung

Schwarz-Grün als Zukunftsoption?

Vier Monate nach der Landtagswahl und einen Monat nach dem Abschluss des Koalitionsvertrages für die künftige schwarz-grüne Regierung in Hessen ist der bisherige Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) wiedergewählt worden. Er erhielt mit 62 Stimmen eine Stimme mehr, als die Koalitionspartner CDU und Grüne im Landesparlament Mandate haben.

Bouffier führt die erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächenland. Er führte seit 2010 eine schwarz-gelbe Koalition. In der neuen Koalition stellt die CDU acht Minister. Die Grünen haben zwei Ressorts erhalten. Neben dem erweiterten Wirtschaftsressort übernehmen sie das Umweltministerium.

Die SPD hatte bei der Landtagswahl im September 30,7% der Stimmen erreicht und ist mit 37 Sitzen nach der Union die zweitgrößte Gruppe im Wiesbadener Landtag. Für die Wunsch-Koalition mit den Grünen (11,1%) langte es nicht. DIE LINKE konnte mit 5,2% ihr Ergebnis bei der vorigen Landtagswahl halten, die FDP schaffte mit 5,0% knapp den Wiedereinzug in den Landtag, musste aber mächtig Federn lassen (-11,2%).

Der Koalitionsvertrag trägt die Überschrift »Verlässlichkeit gestalten, Perspektiven eröffnen«. Überraschend deutlich fiel die Zustimmung der jeweiligen Parteibasis zum Kompromiss aus. Nicht nur die Funktionäre, sondern die breite Mitgliedschaft bei Union und Grünen betonen die Chancen der neuen Konstellation für Hessen.

Angestrebt wird eine Balance aus wirtschaftlichem Wohlstand und ökologischer Vernunft, gepaart mit individueller Freiheit und Verantwortung für die nachfolgenden Generationen. Die Umsetzung liegt insbesondere bei dem neuen grünen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, dessen Politik mit über die Zukunft der kleinen und großen Unternehmen, der Arbeitsplätze und damit auch der Einnahmen des Staates bestimmen wird.

Im Koalitionsvertrag finden sich durchaus programmatische Positionen der Grünen. Die künftigen Regierungsparteien sprechen sich dafür aus, die »Schöpfung zu bewahren« und die Natur zu schützen. Sie bekennen sich zur »sozialen und ökologischen Marktwirtschaft«. Den BürgerInnen im Lande Hessen soll mehr Wahlfreiheit in einer Reihe von Lebensbereichen eingeräumt werden.

Auf dieser Grundlage fiel es den neuen Partnern auch leicht, den leidigen Schulstreit beizulegen, der über Jahrzehnte hinweg die Landespolitik überlagerte. Eltern und SchülerInnen können fortan wählen, ob sie das Abitur nach acht oder erst nach neun Jahren ablegen.

Die Grünen pochen auf einen »neuen Ausgleich« zwischen den Interessen von Wirtschaft auf der einen und Menschen und Umwelt auf der anderen Seite. »Gerade die Kombination CDU und Grüne« könne hier neue Wege schaffen. Grüne Positionen kämen nicht zu kurz: »Ob bei Energie, Umwelt oder Natur – Der Koalitionsvertrag macht Hessen grüner.« Die Koalition setze sich bei der Energiewende etwa zum Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien in dieser Legislaturperiode zu verdoppeln.

Trotz aller Einsparmaßnahmen gebe es künftig eine Bildungs- und Betreuungsgarantie auch in der Grundschule. Das sei einmalig in Deutschland und werde »langfristig den Eltern, Schülern und auch speziell den Frauen neue Perspektiven bringen«. Die »Entscheidungsfreiheit« zwischen Gymnasium oder anderen Schulformen sowie den Abiturformen G8 und G9 bleibe erhalten.

Die Grünen setzten auch eine Ausweitung der Kita-Betreuung durch, mit der sie unter anderem die heftig umstrittenen Sozialkürzungen der CDU-Regierung aus dem Jahr 2004 rückgängig machen wollen. Wie hoch das Sozialbudget ausfallen wird, muss noch geklärt werden. Es werde aber »ein besonders geschützter Bereich im Haushalt« sein. Ziel sei es, den Zustand zu beenden, in dem sich die sozialen Träger von Jahr zu Jahr hangeln müssten.

CDU und Grüne haben sich darauf verständigt, die Nachtruhe am Frankfurter Flughafen um eine Stunde auszuweiten. Es gilt ein Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr morgens. Die Flughafenausbau-Gegner sowie die hessischen Grünen und DIE LINKE forderten ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr. Die Flughafengesellschaft Fraport akzeptiert dieses Nachtflugverbot. Allerdings würden die »Randzeiten« zwischen 22 und 23 sowie von 5 bis 6 Uhr morgens benötigt, um den interkontinentalen Flugverkehr abzuwickeln.

Ingesamt will die künftige schwarz-grüne Landesregierung bis 2019 eine Milliarde Euro durch Steuererhöhungen, Personalabbau, weniger Investitionen und eine Begrenzung der Gehaltserhöhungen für die rund 160.000 Beamten und Angestellten in der hessischen Landesverwaltung erzielen. Die Koalition will also auch Einschnitte, Kürzungen, Beschränkungen durchsetzen und nicht den sozialen Ausgleich stärken. Kritik gibt es schon jetzt an den Plänen, die Beamtenbesoldung im Jahr 2015 gar nicht und ab 2016 nur noch um ein Prozent anzuheben.

Von den Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer sollen die Kommunen nichts haben. Die zusätzlichen Einnahmen, die durch die Anhebung des Steuersatzes von fünf auf sechs Prozent entstehen, kommen ausschließlich dem Land zugute. Klar ist: Diese Steuererhöhung wird den Wohnungsbau in Frankfurt verteuern, aber den Wohnungsmangel in den Ballungszonen nicht wirklich verändern. Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ist zwar als Ziel im Koalitionsvertrag ausdrücklich genannt; ob es dafür mehr Geld gibt, bleibt aber offen. Die Mietpreisbremse soll nur in bestimmten Stadtteilen von Großstädten gelten.

Künftig soll von Mietern einer Sozialwohnung, die bestimmte Einkommensgrenzen überschreiten, wieder eine Fehlbelegungsabgabe erhoben werden. Dadurch erhöht sich der finanzielle Spielraum für den dringend nötigen Neubau von Sozialwohnungen.

Unklar ist, wie der kommunale Finanzausgleich ausgestaltet wird. Es fällt allerdings auf, dass im Koalitionsvertrag das Thema gemeinsam mit den Herausforderungen des demografischen Wandels behandelt wird. Es könnte deshalb gut sein, dass Städte, die wie Frankfurt weiter wachsen, künftig Regionen mit schrumpfender Bevölkerung stärker unterstützen müssen.

Die SPD kritisiert zu Recht: »Der dringend notwendige Politikwechsel ist im Koalitionsvertrag der künftigen schwarz-grünen Landesregierung leider nicht erkennbar. Obwohl die schwarz-gelbe Mehrheit bei der Landtagswahl abgewählt wurde, wird sich in zentralen landespolitischen Fragen voraussichtlich nur wenig ändern. Der Koalition fehlt eine politische Perspektive", sagt Oppositionschef Thorsten Schäfer-Gümbel.

»Die schwarz-gelbe Stillstandskoalition wird durch eine schwarz-grüne Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners abgelöst.« Besonders deutlich sei dies in der Bildungspolitik, für die im Grunde nur der Ist-Zustand festgeschrieben worden sei. »Alles Weitere wurde auf einen Bildungsgipfel vertagt, der nur dann sinnvoll sein kann, wenn insbesondere die CDU zu substantiellen Veränderungen bereit ist. Davon scheint sie noch weit entfernt zu sein.«

Die Verlierer der neuen Koalition sind ausgemacht: Die Kommunen müssen sich auf schwere Zeiten einstellen und ebenso die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. Mit dem unveränderten Fortbestand des Kinderförderungsgesetzes werden die Rahmenbedingungen für die Kitas verschlechtert. Die Energiewende droht weiter zu erlahmen. Und beim Lärmschutz und dem Frankfurter Flughafen sind die vollmundigen Ankündigungen der Bürgernähe ebenfalls auf der Strecke geblieben.

Ob diese Koalition und ihre Ziele wirklich eine neue Etappe im politischen System einleiten, darf angesichts der fragwürdigen Kompromisse bezweifelt werden.

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