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28. Januar 2014 Alexander Ulrich / Steffen Stierle

TTIP: Attacke gegen Löhne und Arbeitnehmerrechte

Seit einem halben Jahr verhandelt die EU-Kommission mit den USA über ein neues Wirtschaftsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP). Begleitet werden die Verhandlungen von einer breiten, kritischen Debatte in der Gesellschaft. Diese Debatte ist richtig und wichtig, wenn auch bisweilen thematisch zu eingeschränkt.

So wurde bisher u.a. der Attacke gegen Löhne und ArbeitnehmerInnen, die dem Abkommen innewohnt, wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei ist das Gefahrenpotenzial für Arbeitsstandards und Löhne immens.


Angleichung von Arbeitsstandards nach unten

Um dieses Gefahrenpotenzial einordnen zu können, muss man sich eine zentrale Logik des Abkommens vergegenwärtigen: Der Handel zwischen den beteiligten Regionen soll befördert werden, indem Standards und Regeln harmonisiert werden. Harmonisieren ist in diesem Zusammenhang gleichbedeutend mit Angleichen nach unten. Das war immer so, wenn in den vergangenen Jahrzehnten internationale Wirtschaftsverträge im Namen des Freihandels ausgehandelt wurden. Und es wird auch diesmal so sein. Schließlich sind es vor allem Lobbyisten von Banken und Wirtschaftsverbänden, deren Interessen den Vertragstext prägen. 600 von ihnen haben als »BeraterInnen« exklusiven Zugang zu den Verhandlungen, 120 »Expertenanhörungen« hat die EU-Kommission schon im Vorfeld durchgeführt. Gewerkschaften, Umweltverbände etc. sind weitestgehend außen vor.

Um einen Eindruck zu gewinnen, was es bedeuten kann, wenn EU und USA Arbeitsstandards nach unten angleichen, lohnt ein Blick auf die Arbeitsmärkte beiderseits des Atlantiks.

Da sind zum Beispiel die so genannten right to work-Gesetze, die es mittlerweile in der Hälfte der US-Bundesstaaten gibt. »Recht zu arbeiten« heißt hier, auch dann arbeiten zu dürfen, wenn die Gewerkschaft zum Streik aufruft. So genannte Streikbrecher werden damit legitimiert, Arbeitgeber können Druck auf streikwillige Arbeitnehmer ausüben, die Gewerkschaften werden erheblich geschwächt. Die Löhne sind in diesen Staaten deutlich niedriger, als im Rest der USA, der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist teilweise verschwindend gering.

In der EU sieht es nicht besser aus. In einigen osteuropäischen Mitgliedsstaaten gehören Lohndrückerei und die Missachtung von Arbeitnehmerrechten de facto zur Standortpolitik. In Griechenland, Portugal und Spanien haben die Troika-Programme im Rahmen der EU-Krisenpolitik zu drastischen Lohnkürzungen und einer weitreichenden Abschaffung von Arbeitnehmerrechten geführt. Mindestlöhne, Kündigungsschutz, Urlaubsregelungen Gewerkschaftsfinanzierung, Arbeitslosenversicherung – die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurden auf breiter Front geschwächt und entmachtet!

Und auch die langjährige deutsche Niedriglohnpolitik, die Expansion von Leiharbeit und Minijobs, die Ein-Euro-Jobs etc. sind in diesem Zusammenhang zu nennen.

Ob wir nun nach Michigan oder Griechenland schauen – klar ist, dass eine Angleichung auf niedrigstes Niveau bei den Arbeitsstandards in den USA und der EU sehr weit nach unten führen kann.


Schrittweise Aushöhlung alter und Verhinderung neuer Arbeitsstandards

Dabei ist es unwahrscheinlich, dass im Abkommen selbst sehr viel Konkretes zum Abbau von Arbeitsstandards stehen wird. Vielmehr geht es um die Verankerung von Mechanismen, die dauerhaft neue Standards verhindern und bestehende nach und nach aushöhlen. Zwei Beispiele für solche Mechanismen, die Gegenstand der Verhandlungen sind, sind der Regulierungsrat und das Investitionsschutzkapitel:

  • Den Regulierungsrat hat die EU-Kommission in der dritten Verhandlungsrunde vorgeschlagen. Die Idee: Wenn künftig eine Vertragspartei (USA, EU, EU-Mitgliedsstaat) neue Regeln (Umweltstandards, Finanzmarktregulierung, Kündigungsschutz etc.) einführen will, dann befasst sich bereits in der Planungsphase ein Regulierungsrat aus EU-Kommission und VertreterInnen des US-Kongresses damit – eine extrem Lobbyismus-anfällige Konstellation. Die Vertragsparteien sollen gegen neue Regeln gegenseitige Veto-Rechte bekommen. In diesem Rat könnten künftig Gesetzesinitiativen auch gegen den Willen parlamentarischer und gesellschaftlicher Mehrheiten ausgebremst werden.
  • Das Investitionsschutz-Kapitel soll es Banken und Konzernen ermöglichen, künftig Staaten auf Schadensersatz zu verklagen, wenn Gesetze erlassen werden, die ihre Gewinnerwartungen schmälern. Eine private Gerichtsbarkeit würde geschaffen, die dem öffentlichen Justizwesen übergeordnet ist. Aus der ArbeitnehmerInnen-Perspektive ist das höchst brisant. Geklagt werden könnte eben nicht »nur« gegen das Verbot von Chlorhühnchen oder die Besteuerung von Finanztransaktionen, sondern zum Beispiel auch gegen Mindestlöhne. Denn natürlich schmälert ein Mindestlohn von 8,50 Euro die Gewinnerwartung von Unternehmen, die ihren ArbeitnehmerInnen nur vier Euro zahlen.

Sowohl beim Regulierungsrat als auch beim Investitionsschutz ist unklar, ob es tatsächlich so weit kommt. Beim Ersten agiert die US-Verhandlungsdelegation eher zurückhaltend, bei Zweiten rudert die EU-Kommission gerade in Reaktion auf den Druck aus der Zivilgesellschaft zurück. Dennoch: Vom Tisch ist beides noch lange nicht, und die Verhandlungsdelegationen und ihre »Berater« haben definitiv ein großes gemeinsames Deregulierungs-Interesse. Zudem sind das nur zwei Beispiele, die an die Öffentlichkeit durchgesickert sind. Die Verhandlungen werden intransparent hinter verschlossenen Türen geführt. Welche Vorschläge dieser Art noch im Raum stehen, und welche im weiteren Verhandlungsverlauf noch eingebracht werden, wissen wir nicht.


Arbeitnehmerrechte verteidigen

TTIP ist also eine massive Attacke gegen Arbeitnehmerrechte. Bestehende Standards sollen nach unten geschraubt und neue im Zweifelsfall weggeklagt werden. Die Hoffnung auf ein Abkommen mit hohen Standards, also einer Angleichung nach oben, ist angesichts der Erfahrungen mit anderen derartigen Abkommen und der Konstellation in den Verhandlungsräumen, naiv.

Ein gutes, arbeitnehmerfreundliches Freihandelsabkommen gibt es nicht. ArbeitnehmerInnenrechte verteidigen heißt: TTIP versenken!

Links
TTIP und Lobbyismus: http://corporateeurope.org/trade/2013/09/european-commission-preparing-eu-us-trade-talks-119-meetings-industry-lobbyists.
Aufruf zu TTIP und Arbeitsstandards: http://arbeitsunrecht.de/ttip-stoppen/.
Leak zum Vorschlag »Regulierungsrat«: http://corporateeurope.org/publications/regulation-none-our-business.
ver.di-Informationspapier »Angriff auf Löhne, Soziales und Umwelt«: https://wipo.verdi.de/wirtschaftspolitische_informationen/data/Informationen-zum-TTIP-Angriff-auf-Lhne-Soziales-und-Umwelt.pdf.

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