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Den Krieg verlernen
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Frank Deppe
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Peter Wahl
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Bellizistische Narrative, Kriegsschuld-Debatten und Kompromiss-Frieden
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100 Seiten | Euro 10.00
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Heiner Dribbusch
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Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000 – Daten, Ereignisse, Analysen
376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

12. September 2016 Otto König / Richard Detje: Einsatz der Bundeswehr im Inneren

Verschiebung der Sicherheitsarchitektur

Die Anschläge von Würzburg, Ansbach und München haben Ängste und Verunsicherung in der Bevölkerung verstärkt. Die Folgen des »Krieges« gegen den Terror werden spürbar. Für die sicherheitspolitischen Hardliner der Republik ein Grund, aufzurüsten. Die Unions-Innenminister der Länder nutzen die Gunst der Stunde für die geistige Mobilmachung.

In ihrer »Berliner Erklärung« fordern sie mehr Polizeipräsenz und verstärkte Videoüberwachung, die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft und schnellere Abschiebungen. Die CSU proklamiert »Sicherheit durch Stärke« und will die Bundeswehr künftig auch im Inneren bei der Grenzsicherung oder »besonderen Gefährdungslagen« einsetzen.

Und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen versuchte während des Münchner Amoklaufs[1] Fakten zu schaffen. Ihre im Textentwurf für das neue »Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Bundeswehr«[2] angestrebte Grundgesetzänderung, sollte gleichsam durch die Hintertür realisiert werden. Generalinspekteur Volker Wieker versetzte auf Geheiß der Oberbefehlshaberin der Bundeswehr eine Feldjägereinheit, Sanitätstrupps und Hubschrauberregimenter in Bereitschaft – obwohl rund 2.300 Beamte der Polizei sowie Antiterroreinheiten die Lage im Griff hatten.

Vorstöße mit einer »Strategie der Militarisierung« gibt es immer wieder. Schon 1993 forderte der damalige Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) im Zusammenhang mit kurdischen Protesten gegen türkische Einrichtungen in Deutschland, den Inlandseinsatz der Bundeswehr auszuweiten. In späteren Jahren wurde der Einsatz der Streitkräfte im Kontext mit dem möglichen Abschuss von entführten Passagierflugzeugen debattiert.

Aktuell versuchen CDU/CSU im Eiltempo eine intensivierte Zusammenarbeit von Polizei und Militär zu erreichen. Bundeswehrsoldaten sollen mit ihren in Auslandseinsätzen erlernten Fähigkeiten der Polizei zur Terrorabwehr in deutschen Großstädten zur Seite stehen. Karl-Heinz Kamp, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik hält Terror-Bedrohungssituationen für denkbar, »in denen die Polizeikräfte überfordert sein könnten«.

Kritiker dieses Vorstoßes verweisen darauf, dass Polizei und Bundesgrenzschutz mit ihren Sonder- und Spezialeinheiten über ausreichende Kapazitäten verfügen, um auch mit komplexeren Gefahrsituationen klar zu kommen. »Wir befinden uns nicht im Krieg, auch wenn Terroristen und immer mehr Politiker das behaupten. Wir haben auch keinen Staatsnotstand«, notiert Oliver Malchow, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), auf dem DGB-Debattenportal Gegenblende (8.8.2016).

Während Unionspolitiker mehrfach eine Verfassungsänderung einforderten, waren die Sozialdemokraten bisher stets dagegen. Die Große Koalition in Berlin verständigte sich jedoch im Zusammenhang mit dem neuen »Weißbuch« darauf, dass Inlandseinsätze der Bundeswehr mit hoheitlichen Aufgaben auch ohne Grundgesetzänderung »bei terroristischen Großlagen in Betracht« kommen. Deshalb sollen Polizei und Streitkräfte im Februar 2017 erstmals gemeinsame Einsätze für den Fall eines größeren Terrorangriffs im Inland üben.

»Im Rahmen einer verantwortungsvollen Sicherheitsvorsorge in unserem Land muss die Zusammenarbeit in terroristischen Großlagen reibungslos funktionieren, und deswegen stimmen wir gegenwärtig die Rahmenbedingungen für eine gemeinsame Übung auch mit der Bundeswehr unter Leitung der Polizei und im Rahmen des geltenden Verfassungsrechts ab«, so Bundesinnenminister Thomas de Maiziere.

Die Versuche von der Leyens und de Maizières, die Grenzen für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren auszudehnen, sind vergleichbar mit dem schäbigen Schauspiel, das nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten aufgeführt wird, um »Out-of-Area-Einsätze« der Bundeswehr wider dem Wortlaut des Grundgesetzes zu ermöglichen. Jetzt wird im Windschatten der medialen Terrorhysterie die schrittweise Verschiebung der deutschen Sicherheitsarchitektur vorangetrieben. Terror und islamische Bedrohung dienen als Vorwand für die Hochrüstung staatlicher Gewalt. Es geht darum, sich als Garant von »Law and order« zu präsentieren.

Damit greifen Unions-Politiker den rechtsstaatlichen Grundsatz an, der nach den historischen Erfahrungen mit der Nazi-Diktatur bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland gemeinsamer Konsens der demokratischen Parteien war: Die Aufgaben von Militär und Polizei in Deutschland wurden strikt getrennt. Das Grundgesetz (GG) war auch eine Absage an den deutschen Militarismus, der Ursache für das millionenfache Sterben in zwei Weltkriegen war.

Die Bundesrepublik Deutschland ist 1949 als Staat ohne Armee entstanden. Doch schon die Einfügung der Wehrverfassung in das Grundgesetz im Jahr 1956 deutete »eine Wende in der Entwicklung der BRD« an, auch wenn in der Verfassung durch Art. 143 GG klargestellt wurde, dass im Zuge der »Wiederbewaffnung« eine Befugnis zum Einsatz der Streitkräfte im Inneren selbst in Fällen des Notstandes nicht gegeben sei.

Diese rechtliche Hürde wurde 1968 mit der Verabschiedung der heißumkämpften Notstandsgesetze in das Grundgesetz abgeräumt. Gegen den Widerstand einer breiten außerparlamentarischen Opposition, die u.a. die Niederschlagung sozialer Protestbewegungen befürchtete, wurden zwei eng begrenzte Möglichkeiten für den Einsatz der Bundeswehr im Innern ins Grundgesetz aufgenommen: Die »Katastrophenhilfe« (Artikel 35 Absatz 2 und 3 GG) und der sogenannte »Innere Notstand« (Artikel 87a Absatz 4 GG).

Gerade weil nach der Notstandsgesetzgebung der Einsatz des Militärs im Inneren nicht mehr generell unzulässig ist, erfordert die Verteidigung der Demokratie hier äußerst strenge Restriktionen. Abgesehen vom extremen Ausnahmefall des Staatsnotstandes, in dem nur zur Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer als letztes Mittel auch Kampfeinsätze der Streitkräfte im Inland zulässig sind (Art. 87a Abs. 4 GG), ist die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit Aufgabe allein der Polizei.

Die Ausweitung des Bundeswehrauftrags über die Landesverteidigung hinaus berge die Gefahr, dass »die militärische Logik sich verselbstständigt und gegenüber Prävention und polizeilichem Handeln ein Übergewicht gewinnt, zum Schaden der Demokratie und damit der Bürger«, formulierte Verfassungsrichter Reinhard Gaier schon in seiner abweichenden Meinung zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juli 2012 zum »Luftsicherheitsgesetz«.

Terroristen sind keine Soldaten einer feindlichen Armee – und wenn sie sich hundertfach so nennen. Terroristen sind Straftäter, sind Mörder. Es ist allein Aufgabe der Polizei und der Justiz, sie zu verfolgen, dingfest zu machen und vor Gericht zu stellen. »Die Trennung zwischen Polizei und Militär hat sich in Krisenzeiten bewährt, und es gibt auch heute keinen einzigen Grund, diese Trennung aufzuheben«, erklärte der GdP-Gewerkschafter Oliver Malchow.

[1] Bei dem Amokläufer handelte es sich nicht um einen Islamisten, sondern um einen überzeugten Rassisten und Verehrer Adolf Hitlers, der den Tag seiner Tat bewusst auf den fünften Jahrestag der Breivik-Anschläge in Norwegen legte.
[2] Vgl. Otto König/Richard Detje: Das Bundeswehr Weißbuch 2016. Die Aktualität des Antikriegstages, SozialismusAktuell, 30. August 2016.

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