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19. September 2013 Joachim Bischoff: FED muss weiter US-Ökonomie stützen

Verschobener Kurswechsel

Die US-Notenbank (FED) bleibt bei der Niedrigzinspolitik und führt auch ihre milliardenschweren Anleihekäufe vorerst unvermindert fort. Vor einer Entscheidung für einen Kurswechsel in der Geldpolitik müsse es mehr Beweise geben, dass die Erholung der Konjunktur und des Arbeitsmarktes tatsächlich stabil sei, teilte die Federal Reserve mit: Der faktische Nullzins sei angemessen, solange die US-Arbeitslosenquote höher sei als 6,5%.

Derzeit liegt sie bei 7,3%. »Der Ausschuss entschied sich, auf mehr Belege zu warten, dass der Fortschritt nachhaltig bleibt – bevor das Tempo seiner Aufkäufe angepasst wird.« Zwar hätten die »Abwärtsrisiken« mit Blick auf die nächsten Monate abgenommen. Doch »die Verengung der finanziellen Konditionen, die in den vergangenen Monaten zu beobachten war, könnte – falls sie anhält – das Tempo der Verbesserung verlangsamen.«

Außerdem wurden als weiterer Grund für die Unsicherheit die Ausgabenkürzungen im Staatshaushalt genannt. »Die Auswirkungen der Einsparungen bleiben unklar und kommende Debatten über die Haushaltspolitik beinhalten zusätzliche Risiken für die Finanzmärkte und die breitere Wirtschaft«, sagte FED-Chef Ben Bernanke.

Seit dem Ausbruch der Großen Krise vor fünf Jahren stützt die US-Zentralbank die Wirtschaft mit Maßnahmen, die vorher undenkbar waren. Sie senkte den Leitzins auf null Prozent, und eröffnete so Banken kurzfristige Kredite zum Nulltarif. Um auch die langfristigen Zinsen zu drücken und den Immobiliensektor zu stabilisieren, legte sie drei Anleihekaufprogramme auf. Zuletzt erwarb sie monatlich Hypothekenpapiere und Staatsanleihen über 85 Mrd. US-Dollar. Insgesamt hat sie sich Papiere über mehr als drei Bio. US-Dollar zugelegt. Die niedrigen Zinsen sollten der Konjunktur helfen, die Kreditvergabe ankurbeln und den Unternehmen und Haushalten Zinsen sparen.

Noch nie hat eine Notenbank die kapitalistische Wirtschaft mit so viel Finanzaufwand stabilisiert, wie die FED dies im Verlauf der anhaltenden Krise tat. Ihre Bilanzsumme wurde von 900 Mrd. US-Dollar im Jahr 2007 auf 3,6 Bio. US-Dollar bis zum September 2013 ausgeweitet.

Ende Mai hatte die FED den langsamen Ausstieg aus den Anleihekäufen angekündigt. Die Begründung: Die US-Ökonomie sei deutlich auf einem Erholungspfad und man könne auf die Anleiheaufkäufe schrittweise verzichten und die Wirtschaft mit Zinssteigerungen fertig werden. Ökonomen hatten daher damit gerechnet, dass die US-amerikanische Notenbank im September die Versorgung mit Notenbankgeld langsam zurückfahren und ihre Anleihekäufe um fünf bis 20 Mrd. US-Dollar monatlich reduzieren würde.

Der Zeitpunkt für einen Kurs- und Politikwechsel in der US-Geldpolitik ist also verschoben. Für den Beginn der Einschränkung der Kreditversorgung brauche man »mehr Belege dafür, dass die wirtschaftliche Erholung nachhaltig ist«. Tatsächlich ist die US-Konjunktur nicht so stark, wie noch kürzlich gedacht. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dabei der Arbeitsmarkt. Oberflächlich betrachtet gibt es Bewegung: Die amerikanische Wirtschaft hat im laufenden Jahr 1,3 Mio. Stellen geschaffen, im August ist die Arbeitslosenquote auf 7,3% gesunken.

Gleichwohl bleibt die US-Konjunktur durchwachsen. Das Erholungstempo ist nach Einschätzung der FED in den vergangenen beiden Monaten abermals »mäßig bis moderat« ausgefallen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im zweiten Quartal um 2,5%. Verantwortlich für diese positive Entwicklung waren steigende Exportzahlen und ein anhaltender Rückgang staatlicher Ausgaben. Daneben war auch der private Konsum erneut eine wichtige Stütze der Konjunkturentwicklung.

Bei der Entwicklung des privaten Konsums gibt es aber auch Schattenseiten: Kredite für Hypothekendarlehen sind deutlich teurer geworden. Die realen Wohnungsbauinvestitionen in den USA sind im Jahr 2012 um etwa 13% gestiegen, nach einer Stagnation im Jahr 2011 und einer Schrumpfung in den fünf Jahren zuvor. Trotz hoher Schwankungen im Monatsvergleich deuten wichtige Indikatoren wie Baugenehmigungen, Baubeginne sowie Verkäufe bestehender und neuer Häuser auf eine fortgesetzte, aber fragile Entwicklung.

Zuletzt aber war der Erholungstrend wieder umgekippt: Die Anträge auf Baugeld sind so schwach wie zuletzt im Oktober 2008, die Neubau-Verkäufe in den USA fielen allein im Juli um 13%. Insgesamt ist die Wohneigentumsquote seit den Spitzenwerten um das Jahr 2005 um mehr als vier Prozentpunkte auf 65% gesunken. Angesichts der jüngsten Erfahrungen am Häusermarkt fällt offensichtlich die Entscheidung »kaufen oder mieten« häufiger zugunsten des Mietwohnungsmarktes aus, so dass sich der Anteil der Wohneigentümer unter den privaten Haushalten in Richtung des Niveaus der 1980er Jahre um 64% entwickelt. Eine Rückführung der Aufkäufe von Hypothekenanleihen der FED würde auf diesen Bereich durchschlagen.

Die US-Konjunktur hängt stark am Verhalten der privaten Haushalte. Bei diesen dominiert immer noch die Tendenz zum Schuldenabbau. Die Verschuldung ist mittlerweile von 130 auf 110% des verfügbaren Einkommens zurückgegangen. Zusammen mit den niedrigeren Zinsen (Stabilisierung der Hauspreise und höhere Aktienkurse) hat sich dadurch die Einkommens- und Vermögenssituation der Verbraucher verbessert. Das erklärt den Anstieg beim privaten Verbrauch trotz der Steuererhöhungen. Freilich bedeutet das auch, dass die Verschuldung der Haushalte nicht nur nicht mehr zurückgeht, sondern wieder ansteigt. Das ist kein gutes Zeichen, denn die Verschuldung der US-Konsumenten ist noch lange nicht zu niedrig.

Der Abbau der Arbeitslosigkeit verläuft äußerst schleppend. Außerdem muss das ausgeweitete Angebot an Jobs genauer betrachtet werden. Zum einen sind drei Viertel der neuen Jobs nur Teilzeitstellen. Zum anderen sinkt die Arbeitslosenquote vor allem deswegen, weil sich immer weniger Amerikaner arbeitslos melden. Die Suche nach einer neuen Stelle haben sie aufgegeben. Das spiegelt sich in der Partizipationsrate, also an dem Anteil der Erwerbstätigen an der arbeitsfähigen Bevölkerung. Diese Rate fiel im August auf 63,2%, dem niedrigsten Wert seit 1978. Ende 2008 lag die Partizipationsrate noch bei 65,8%. »Würde dieser Wert noch aktuell gültig sein, läge die Arbeitslosenquote heute bei fast 11%.«

Neben dem Konsum der privaten Haushalte hat sich der Export als Konjunkturfaktor ausgewiesen. Die US-Unternehmen haben massive Restrukturierungen durchgeführt. Sie sind wieder innovativer und wettbewerbsfähiger, d.h. die Produktivität der amerikanischen Industrie hat sich deutlich erhöht.

Schließlich gibt einen klaren Unterschied zwischen der Erholung des kapitalistischen Wirtschaftssektors und dem restriktiven Verhalten der öffentlichen Institutionen und dem staatlichen Konsum. Auch hier wird die Verschuldung zurückgeführt oder der Zuwachs bei der Neuverschuldung begrenzt. Das dämpft das Wachstum. Die politische Pattsituation in den USA im Hinblick auf den Haushalt des nächsten Jahres und die Schuldenobergrenze kompliziert den Ausblick auf die wirtschaftlichen Perspektiven deutlich.

Allerdings ist in den USA der Schuldenabbau bedeutend weiter fortgeschritten als in Europa. Die USA nehmen Strukturanpassungen vor und erzeugen ein reales (inflationsbereinigtes) BIP-Wachstum (wenn auch weit unter ihrer potenziellen jährlichen Wachstumsrate von 3 bis 3,5%).

Keine Frage: Auch die US-Wirtschaft läuft noch nicht im reibungslosen Akkumulationsrhythmus. Die Gründe: der verbleibende Schuldenabbau bei den Privaten, die haushaltspolitische Konsolidierung und die fiskalischen Bremse sowie die Investitionsdefizite im öffentlichen Sektor. Teilzeitbeschäftigung weitet sich aus und die Tendenz zur Prekarisierung und zum Ausbau des Niedriglohnsektors wird den Erholungsprozess weiter prägen.

Es wird mithin noch einige Zeit dauern bis die US-Wirtschaft in der Lage ist, auch ohne außerplanmäßige politische Unterstützung zu wachsen. Es ist offenkundig, dass die schrittweise Zurücknahme der monatlichen Aufkäufe langfristiger Papiere durch die FED im Laufe dieses Jahres zu einer Neuausrichtung der Vermögenswertpreise auf den Finanzmärkten führen wird. Wie sich das auf die Realwirtschaft auswirkt, bleibt eine Quelle der Unsicherheit. Die FED ist der Entscheidung mit guten Gründen ausgewichen.

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