Hajo Funke
AfD-Masterpläne
Die rechtsextreme Partei und die Zerstörung der Demokratie | Eine Flugschrift
108 Seiten | EUR 10.00
ISBN 978-3-96488-210-3

Michael Brie
Linksliberal oder dezidiert sozialistisch?
Strategische Fragen linker Politik in Zeiten von Krieg und Krise
Eine Flugschrift
126 Seiten | EUR 12.00
ISBN 978-3-96488-215-8

Antje Vollmer/Alexander Rahr/Daniela Dahn/Dieter Klein/Gabi Zimmer/Hans-Eckardt Wenzel/Ingo Schulze/Johann Vollmer/Marco Bülow/Michael Brie/Peter Brandt
Den Krieg verlernen
Zum Vermächtnis einer Pazifistin | Eine Flugschrift
120 Seiten | EUR 12.00
ISBN 978-3-96488-211-0

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Stephan Krüger
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Frank Deppe
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176 Seiten | EUR 14.80
ISBN 978-3-96488-197-7

Peter Wahl
Der Krieg und die Linken
Bellizistische Narrative, Kriegsschuld-Debatten und Kompromiss-Frieden
Eine Flugschrift
100 Seiten | Euro 10.00
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Heiner Dribbusch
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Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000 – Daten, Ereignisse, Analysen
376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

24. Januar 2013 Bernhard Sander

Wer ist auf dem Rückzug in Mali?

Pressemeldungen zufolge ziehen sich die bewaffneten Verbände zurück, die versucht hatten, Mali zu erobern. Mit massiver Unterstützung Frankreichs konnte sich die zerlumpte Armee des Landes wieder jenseits der Nigerbrücken festsetzen und erobert verloren gegangenes Staatsgebiet zurück.

Die bewaffneten Verbände sind jedoch keineswegs aufgerieben sondern werden, wie das letale Beispiel auf den algerischen Gasfelder zeigt, versuchen sich im Niemandsland der Sahelstaaten Überlebensnischen sichern.

Die ökonomischen Probleme des Landes und die Bedrängnis der Bevölkerung werden durch eine einstweilige militärische Befriedung nicht aufgehoben. Die globalen Klimaveränderungen lassen die Agrarflächen in der Sahelzone schrumpfen. Bei wachsender Bevölkerung drohen also – auch ohne »islamistische Al Quaida-Grupperungen« –Ernährungs- und Wasserprobleme, entstehen Migrationen, an denen wiederum »Schleuserbanden« profitieren.

Die ökonomischen Probleme Malis sind regionaler Natur und damit nicht durch eine entschlossene Militäraktion zu beseitigen. »Der Krieg findet in einer Region statt, die von einer Dürre und Ernteausfällen betroffen ist. Nach Angaben der EU-Kommission könnten in diesem Jahr 10,8 Millionen Menschen in der Sahelzone vom Hunger bedroht sein, davon 4,2 Millionen Malier. Allein in Nordmali, wo die radikalen Islamisten die Herrschaft übernommen haben, seien 510.000 Menschen auf sofortige Nahrungsmittelhilfe angewiesen.« (FAZ 23.1.13)

400.000 Menschen sind bisher durch den aktuellen Militärkonflikt auf der Flucht, fast die Hälfte von ihnen in den Nachbarländern Malis, wo sie ebenfalls, wie auch schon im eigenen Land, zu einer ethnischen Minderheit werden. Es ist keine Lösung für die Gastarbeiter aus Libyen in Sicht, die zu Tausenden in ihre Ursprungsländer zurückdrängen. Sie sind dort ohne Einkommen und wegen ethnischer Differenzen oft auch ohne Zugang zur Gesundheitsversorgung, geschweige denn Bildungsmöglichkeiten. Die ethnisch-religiösen Distinktionen dienen bei knapper werdenden Ressourcen schnell als Verteilungskriterien. Es ist also auch von dieser Seite mit der Zuspitzung von Konflikten zu rechnen.

Die Regierung Malis war in den 1990er Jahren nicht mehr in der Lage, genügend Einnahmen zu generieren, um sich damit gesellschaftlichen Konsens zu organisieren. In den Jahren nach der Unabhängigkeit (1960) konnten die Erträge aus den Bodenschätzen bzw. die Zuwendungen der Sowjetunion, die hier eine politische Stütze hatte, zur Hebung des allgemeinen Lebensstandards eingesetzt werden. Als dann in den 1990er Jahren die Goldvorkommen entdeckt wurden, entstand Streit um die Aneignung der Bodenrente, der in der Niederschlagung eines Touareg-Aufstandes 2008 und in einem Putsch mündete.

Nach dem Touareg-Aufstand wurde Mali einer der schwächsten Staaten der Region und bot sich daher für die umherschweifenden Gruppen an. Ein Teil der Bevölkerung hat mit den bewaffneten Gruppen kooperiert und andere Staaten darum herum sind vergleichsweise stabil bzw. werden durch Kontingente der französischen Fremdenlegion »gesichert«. Doch bereits unter Sarkozy zog sich Frankreich aus den Ex-Kolonien und der selbst angemaßten Rolle als Gendarm der Region militärisch zurück, um mit solchen Sparmaßnahmen den eigenen Haushaltsproblemen Herr zu werden.

Die Hilfstruppen aus dem Tschad und anderen Ländern sind – auch mit deutscher Hilfe – den Französischen Fremdenlegionären mittlerweile nachgerückt und werden (sie sind als Schergen der französischen Außenpolitik gefürchtet) in der malischen Zivilbevölkerung herrschende Konfliktlinien akzentuieren, da ein Teil der Stämme mit den »islamistischen Invasoren« kooperiert hat, was wiederum Strafaktionen, Diskriminierung usw. nach sich ziehen wird. Der Hohe islamische Rat der Hauptstadt Bamako hat die Militärintervention bereits gebilligt.

Das deutsche Engagement wird sich unter den Bedingungen des asymetrischen Krieges nicht auf Ausbildung in der Etappe begrenzen lassen, da die Kriegsschauplätze beständig wechseln werden. Die Instruktoren werden bei der kämpfenden Truppe sein müssen, da Mali schon mit der Sicherung der Grenze (aufgrund ihrer Länge) die wenigen eigenen Truppen vollständig im Territorium verteilen muss.

Neben der Militärdiktatur im Tschad und dem autoritär regierten Algerien stehen auch die »schwachen« oder gescheiterten Staaten im gesamten Gürtel unterhalb der Sahara vor ähnlichen Problemen, wie sie für Mali zu konstatieren sund. Diese potenziellen Rückzugsgebiete der »Islamisten« vom Atlantik bis zum persischen Golf sind allesamt labil. Der Bürgerkrieg in Libyen ist noch im vollen Gange. In Nigeria gibt es seit ein paar Jahren blutigste Auseinandersetzungen zwischen dem sahel-islamisch geprägten Norden und dem Süden, die ebenfalls unter dem Etikett »erstarkender Islamismus« in Europa verkauft werden.

Auch die Befreiungsbewegung für Südmarokko (eine wegen ihrer Bodenschätze annektierte ehemalige spanische Kolonie) hat sich zurückgemeldet. In Somalia versuchte soeben ein Teil der regulären Armee, mit Waffengewalt einen besseren Sold zu erstreiten. Die Teilung des Sudan hat die Konflikte nicht wirklich befrieden können, wer die Öl-Exporterlöse, die die Konzerne dem Land zubilligen, aneignen darf.

Die jeweiligen afrikanischen Regierungen haben bis zum Schluss über den Preis ihrer Hilfstruppen verhandelt, für den sie zur Intervention bereit wären. Dies führte dann zu dem »Zeitdruck«, der Frankreich zur Intervention veranlasste, ohne sich noch mit der EU abstimmen zu können. Die Sprache des französischen Staatspräsidenten Hollande (»aufspüren und vernichten«) war deutlich. Es durfte kein unkontrollierter Raum entstehen, in dem andere Mächte Fuß fassen könnten. Eine Rückeroberung erschien schwieriger, als eine geostrategische Position zu halten.

Frankreich hat sich auf ein unübersehbares militärisches Abenteuer eingelassen. Die Versuche, die Militärexpedition als Sicherung Europas vor dem islamistischen Terror auszugeben, klingen eher leise und verhalten – außer bei den bekannten medialen Großsprechern wie Bernard-Henry Levy. Der Imperialismus-Begriff alter Prägung taugt jedoch nicht zur Erklärung der Intervention. Wie das Beispiel Kongo zeigt, ist eine direkte Intervention aus »westlichen Industriestaaten« zur Versorgung mit billigen Rohstoffen gar nicht nötig. Auch von Privatarmeen, wie sie der französische Öl-Konzern Elf bis in die 1990er Jahre in Afrika unterhielt, ist man abgekommen. Es reicht, wenn wechselnde bewaffnete Banden dort die Bevölkerung terrorisieren, das Zivilisationsniveau und damit die Lohnhöhe niedrig halten. Diese Banden streiten sich um die ortsüblichen Anteile an den Erlösen aus den Bodenschätzen.

Doch selbst dieses Modell ist auf die Dauer vermutlich zu teuer. Bei allem Reichtum an Bodenschätzen geht es Frankreich und dem »Westen« vielmehr um ein Signal, dass sich die Bewohner der zunehmend von wirtschaftlichen Spannungen erschütterten Region still in ihr Schicksal fügen mögen. Dieses Signal soll vermutlich bis zum aufsteigenden Handelspartner der Region, China, und der Achse des Bösen in Teheran wirken.

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