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8. November 2013 Ulrich Bochum: Die »Energiewende«

Wohin mit dem ganzen Strom?

Der weitere Umgang mit der durch das Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien (EEG) und dem abrupten Ausstieg aus der Kernenergie eingeleiteten Energiewende ist ein zentrales Feld in den aktuellen Koalitionsverhandlungen zwischen den Christdemokraten und der SPD. Dabei zeichnet sich ab, dass beide Parteien eine Reform des EEG anvisieren.

Diese Reform soll die garantierte Einspeisevergütung für Produzenten erneuerbarer Energien auf das an der Strom-Börse erzielbare Preisniveau reduzieren. Konkret bedeutet das für Solaranlagen-Besitzer, dass gegenüber den aktuell zu zahlenden 14,07 Cent pro Kilowattstunde nur noch ca. 4,0 Cent erzielbar wären. Damit wollen die Möchtegern-Koalitionäre die ausufernden Subventionen für Ökostrom von zuletzt knapp 20 Mrd. Euro im Jahr eindämmen und die Kosten für die Stromverbraucher, die die Einspeisevergütungen über eine Umlage bezahlen, begrenzen.

Zur Disposition stehen weiterhin die umfangreichen Privilegien, die im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen und Industriezweige bei der Zahlung der EEG-Umlage begünstigen. Diese Privilegien stoßen in Brüssel auf Ablehnung, weil sie einer nicht genehmigten Subvention gleichkommen. Es droht daher ein EU- Wettbewerbsverfahren, das für die betroffenen Unternehmen im Extremfall zu mehrjährigen Rückzahlungsforderungen führen könnte.

Insbesondere die Ministerpräsidentin von NRW sieht sich hier in der Pflicht, die in diesem Bundesland besonders stark vertretenen energieintensiven Unternehmen zu schützen. Aber selbst wenn die 2.300 Unternehmen, die diese Privilegien genießen, um die Hälfte verringert würden, würde dies auf die Höhe der EEG-Umlage nur einen Effekt von 0,2 Cent haben.

Für das laufende Jahr zeichnet sich vor dem Hintergrund der letztjährigen Förderkürzungen und vereinbarten Zubaugrenzen bereits ein deutlicher Rückgang der neu installierten Solar-Kapazitäten ab. Der Zubau soll sich in einem Korridor von 2.500 bis 3.500 Megawatt bewegen, in den ersten neun Monaten des Jahres 2013 wurden 2.700 Megawatt auf die Dächer und Felder gesetzt. Mit anderen Worten: Die Attraktivität in erneuerbare Energien zu investieren, ist deutlich gesunken. Das Ziel, den Ausbau zu verlangsamen, ist erreicht worden. In Zukunft sollen Investitionen noch unattraktiver werden.

Dabei ist die Energiewende immer noch »work-in-progress«. Nach wie vor steht die Stromerzeugung überwiegend auf fossiler Basis.

Die Koalitionsverhandlungen im Bereich Energiewende wurden öffentlichkeitswirksam durch verschiedene, alarmierende Nachrichten über die geplante Abschaltung von bis zu 28 Kraftwerken begleitet. Der Chef des Essener Energiekonzerns RWE verkündete in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, er rechne wegen mangelnder Rentabilität mit der Abschaltung jedes fünften Kraftwerks.

Nachdem seit 2011 bereits acht von 17 Atomkraftwerken vom Netz genommen wurden, trifft es jetzt auch die mit Braunkohle und Gas befeuerten Kraftwerke. Grund dafür ist das zunehmende Angebot an Ökostrom aus erneuerbaren Energien. Das wachsende Angebot aus diesem Segment lässt den Börsenpreis von Strom so stark fallen, dass sich der Betrieb konventioneller Kraftwerke kaum mehr lohnt. An manchen Tagen wird in der Tat bis zu 70% des Stroms aus Photovoltaik-Anlagen und Windrädern gewonnen. Vor diesem Hintergrund stellt RWE ein Fünftel seiner Kapazitäten auf den Prüfstand und will knapp 3.100 Megawatt vom Netz nehmen.

Es besteht kein Zweifel darüber, dass die erneuerbaren Energien einer Ergänzung durch fossile Energieträger bedürfen. Dazu eignen sich am ehesten moderne Gaskraftwerke, die sich flexibler hoch- und herunterfahren lassen als Kohlekraftwerke und weniger CO2 ausstoßen. Dennoch ist der Anteil der Braunkohlekraftwerke an der Stromerzeugung mehr als doppelt so hoch wie der der Gaskraftwerke.

So ging das Gaskraftwerk des Stadtwerkeverbundes Trianel in Hamm/Westfalen 2007 ans Netz und erzeugte seitdem Strom für 1,8 Mio. Haushalte. »Dieses Kraftwerk rechnet sich nicht mehr. Obwohl wir eines der modernsten Kraftwerke in Deutschland haben mit 58% Wirkungsgrad, werden wir 2014 nicht mehr Zins und Tilgung mit diesem Kraftwerk verdienen... Wir werden 2014 hier in zweistelliger Millionenhöhe Verluste mit diesem Kraftwerk einfahren«, so ein Sprecher von Trianel (Handelsblatt vom 27.9.2013).

Der Betrieb eines solchen modernen Gaskraftwerkes lohnt sich aber auch deshalb nicht, weil aufgrund des gefallenen Preises für CO2-Emissions-Zertifikate in der EU, Kohlekraftwerke günstiger produzieren können. Es gibt derzeit zu viele Zertifikate auf dem Markt, so dass deren Preis ebenfalls stark gesunken ist. Um einen attraktiven Preisabstand zwischen Gas und Kohle herstellen zu können, müsste der CO2- Preis zwischen 40 und 60 Euro je Tonne liegen – aktuell beträgt er für ein Zertifikat weniger als vier Euro je Tonne. Es müssten daher Emissions-Zertifikate vom Markt genommen werden, um den Preis wieder zu erhöhen und um einen stärkeren Klimaschutzanreiz zu schaffen. Gegen eine Erhöhung der Zertifikatspreise wehrt sich jedoch die Kohleindustrie, die ihre Felle langfristig davon schwimmen sieht.

Die konventionellen Energieerzeuger befinden sich in einem Dilemma: Einerseits nimmt die Stromerzeugung aus regenerativer Energie ständig zu und lässt die Preise verfallen, andererseits können sie in diesem Szenario nur noch mit den klimaschädlichsten Anlagen Geld verdienen. Die Braunkohle-Kraftwerke sind die Cash-Cow der fossilen Energiewirtschaft. Aber diese Anlagen haben im Zusammenspiel mit den Erneuerbaren keine Zukunft, a) weil sie zu unflexibel auf Nachfrageänderungen reagieren (Grundlast), und b) weil sie den CO2-Ausstoß weiter steigern.

In dieser Zwickmühle befinden sich alle großen deutschen Energiekonzerne und verlangen deshalb eine Honorierung für das Vorhalten von Kraftwerkskapazitäten. »Vereinfacht gesagt soll künftig Geld dafür fließen, dass die Betreiber ihre Kraftwerke für den Reservefall im Stand-by-Betrieb halten, ein Reservefall, der wegen des steigenden Ökostromangebots immer häufiger eintreten wird.« (Theo Geers im Deutschlandfunk am 6.11.2013) Dies wäre jedoch nur eine weitere Subvention, die die EU-Kommission kritisch sähe. Sie hat bereits darauf hingewiesen, dass die europäische Situation berücksichtigt werden müsse, bevor man daran gehe, Reservekraftwerke auf nationaler Ebene zu bezuschussen. Es muss also erst ermittelt werden, ob ein Engpass nicht auch aus dem Ausland gedeckt werden kann – so EU-Kommissar Günther Oettinger.

Allerdings sind von dieser Entwicklung auch Kommunen und Stadtwerke betroffen, die in den letzten Jahren in moderne Gaskraftwerke investiert und die daraus erzielbaren Einkünfte in ihre Haushalte eingeplant haben. Wenn die modernen Gaskraftwerke stillstehen, kommen Verluste auf die Betreiber zu. Der Energieversorger Enervie, ein Zusammenschluss von zwölf kommunalen Gesellschaften und RWE im Raum Hagen und im südlich des Ruhrgebiets gelegenen Märkischen Kreis, rechnet für dieses Jahr mit einem Verlust von 30 Mio. Euro in der Erzeugung, weil das hochmoderne Gaskraftwerk gerade vier Monate stillgestanden hat.

Um diese Konstellation besser verstehen zu können, ist ein Blick auf die Preisbildung an der Strombörse hilfreich. An der Strombörse soll sich durch die Prozesse von Angebot und Nachfrage ein einheitlicher Großhandelspreis herausbilden.

Die Nachfrage entfällt zu 70% auf wirtschaftliche Aktivitäten, unterliegt jedoch starken Schwankungen. Spitzen treten an Werktagen um die Mittagszeit und am Abend auf. An Wochenenden ist das Nachfrageprofil flacher und bewegt sich insgesamt auf einem niedrigeren Niveau. Diese Schwankungen sind schwierig zu meistern, da Strom nicht gespeichert werden kann, die angebotene Menge muss daher weitgehend der Nachfrage entsprechen.

Die Angebotsseite ist durch vier große, regional gegeneinander abgeschottete Erzeuger (EON, RWE, EnBW, Vattenfall) geprägt, die ihre Erzeugungskapazitäten aufsteigend nach ihren Grenzkosten anbieten, das ist die so genannte Merit-Order. Sie gibt an, in welcher Reihenfolge die Kraftwerke zur Deckung der tageszeitlich und jahreszeitlich schwankenden Nachfrage herangezogen werden. Diese »Ordnung« ergibt sich erst beim Handel mit Strom, sie ist nicht von Vornherein festgelegt. Dabei werden Kraftwerke mit geringen Kosten eher zur Deckung der Nachfrage ausgewählt.

Die Erneuerbaren bringen diese Konstruktion gründlich durcheinander, denn sie werden erstens bevorzugt in das Netz eingespeist, und können zweitens die Stromnachfrage genau dann decken, wenn die Nachfrage tagsüber am höchsten ist. Der herkömmliche Kraftwerkspark muss dann nur noch ausgleichen, was durch die Erneuerbaren nicht gedeckt werden kann (Residuallast – vgl. hierzu das Jahresgutachten des Sachverständigenrats 2011/2012, S. 229-233).

Es ist daher nicht verwunderlich, wenn die Energiekonzerne in dieser Situation nervös werden, denn die Lizenz zum Geld drucken, die sie Jahre lang besaßen, läuft aus. Bei RWE Generation, der Gesellschaft, bei der die konventionelle Stromerzeugung gebündelt ist, bezeichnet man die Lage als dramatisch und hat den Abbau von 3.500 Arbeitsplätzen angekündigt.

RWE rechnet damit, dass der Großhandelspreis für die Megawattstunde weiter abrutscht und letztlich das Ergebnis mit 200 Mio. Euro negativ belasten wird. Da RWE besonders stark im Braunkohletagebau engagiert ist, wird ein Ausstiegsszenario aus der Braunkohle wahrscheinlich. Ein erstes Signal in dieser Richtung ist die Meldung, dass der Aufschluss eines weiteren Tagebau-Gebiets im Braunkohledreieck zwischen Mönchengladbach-Köln-Aachen (Garzweiler II) aufgeschoben werden soll.

Dies könnte in der Tat eine Kompromisslinie darstellen: Vom Aufschluss neuer Tagebaugebiete wird abgesehen, es werden nur noch die vorhandenen Abbaugebiete genutzt, um die bestehenden Kraftwerke zu versorgen. Umgekehrt verzichtet die Politik auf drastische klimapolitische Maßnahmen, die den sofortigen Ausstieg aus der Braunkohle zur Folge haben müssten.

Ein derartiger Kompromiss eröffnete zumindest einen geordneten Ausstieg aus der landschaftsfressenden Braunkohleförderung und klimaschädlichen Verstromung. Gleichzeitig wäre für die Beschäftigten in den Revieren und in den konventionellen Kraftwerken eine Übergangsperiode geschaffen, in der alternative Arbeitsplätze angeboten oder der Übergang in den Ruhestand organisiert werden könnte.

Quelle: Bundesverband Braunkohle (DEBRIV)










Primärenergieverbrauch 1. Hj. 2013, Veränderungen gegenüber Vorjahr


 

Die aufgelaufenen Strukturprobleme und der enge Finanzrahmen machen im Rahmen der Verhandlungen über eine große Koalition die notwendige Verständigung über den Fortgang der Energiewende außerordentlich schwierig.

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