23. Juli 2012 Joachim Bischoff / Bernhard Müller: Gabriel will Banken bändigen

Banken als Wahlkampfthema?

In einem Thesenpapier wirft SPD-Chef Sigmar Gabriel den Banken vor, Staaten zu erpressen, die Politik zu diktieren, Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu leisten, unanständige Gehälter zu zahlen, riskant mit dem Geld von Sparern zu spekulieren und Kunden abzuzocken. Sie müssten daher schärfer reguliert werden.

»Die Bundestagswahl 2013 muss zu einer Entscheidung über die Bändigung des Banken- und Finanzsektors werden.« Wenn diese Position in der SPD mehrheitsfähig wird, wird die Partei eine scharfe Kontrolle der Finanzbranche und die soziale Gerechtigkeit zum Wahlkampf-Thema 2013 machen.

Wer unter den Menschen Unsicherheit schüre und gleichzeitig die Banken als Verursacher der Krise schone, der werde dies den WählerInnen erklären müssen, kritisiert Gabriel. »Darüber und auch über die Bändigung der Banken werden wir im Wahlkampf streiten.«

Überraschend ist die postwendende Unterstützung von Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, der bislang als fellow traveller der von dem früheren Bundeskanzler Schröder gegen eine beträchtliche Minderheit durchgesetzten Deregulierungspolitik galt: »Wir werden die Menschen ansprechen, die mehr Gemeinwohlorientierung und mehr Fairness in der Gesellschaft wollen.« Konkret müsse der Bankensektor reguliert und die Spaltung des Arbeitsmarktes mit einem Mindestlohn bekämpft werden. Es sieht mindestens in der augenblicklichen Sommerpause so aus, als könnte die SPD mit einer kapitalismuskritischen Strategie in den Bundestagswahlkampf 2013 ziehen.

Logischerweise hält die amtierende Regierungskoalition absolut nichts von diesen Strategieüberlegungen der SPD. Finanzminister Schäuble kritisiert: Gabriel werde »der Komplexität des Themas nicht gerecht, vor allem, wenn man die laxe Bankenregulierung der Vergangenheit unter SPD-Verantwortung bedenkt«. Es könne keine Rede davon sein, dass das Bankenwesen in Deutschland außer Kontrolle geraten sei. Schäuble räumte allerdings ein, dass es »Exzesse und Fehlverhalten« gegeben habe. »Dagegen sind wir vorgegangen.«

Die These von einer erfolgreichen Re-Regulierungspolitik bestreitet der SPD-Chef entschieden: Die Banken »betreiben auch heute riskante Geschäfte als hätte es die Finanzkrise 2008 nicht gegeben. Und wenn es schief geht, ›bestellen‹ sie bei der Politik ›Rettungspakete‹. Diese Rettungspakete werden immer gewaltiger und ihre Verabschiedung hat den Deutschen Bundestag längst in einen permanenten verfassungsrechtlichen Ausnahmezustand gezwungen. Am schlimmsten aber ist: Die Politik erscheint der Bevölkerung immer mehr als ohnmächtiger oder willfähriger Handlanger von Banken und Finanzmärkten. Statt eine wirksame, harte und kompromisslose Regulierung und Bändigung des Finanzsektors zu ihrem Ziel zu machen, beugt sich die deutsche Bundeskanzlerin diesem Druck und fordert ›marktkonforme Demokratien‹«.

Als Schritte zu einer Herrschaft der Demokratie über die Finanzmärkte fordert Gabriel u.a. ein europäisches Recht für Bankeninsolvenzen, das dafür sorge, dass Banken auch pleitegehen könnten, ohne dass ganze Volkswirtschaften in Mitleidenschaft gezogen würden. Zugleich verlangt er die Aufspaltung von Großbanken. Der normale Bankenbetrieb müsse bilanziell oder rechtlich vom Investmentbanking getrennt werden. Notwendig sei auch ein Verbot des Hochfrequenzhandels. Ferner sollten Führungskräfte für Fehler auch haften: »Bankmanager müssen stärker zur Rechenschaft gezogen werden.«

Und wie sieht die Realität aus? Nach der Krise war der internationale Finanz- und Bankensektor mit kurz- und langfristigen Herausforderungen konfrontiert. Auf kurze Sicht mussten die Banken in ihren Bilanzen ihre Kreditvergabepraxis sanieren. Das hieß: Abschreibung notleidender Aktiva (= Verluste für die Anspruchsgruppen) und Rekapitalisierung (was in etlichen Ländern bis heute mit öffentlichen Mitteln erfolgt). Diese Sanierung ist keineswegs abgeschlossen, weil das Platzen der großen Vermögenspreisblase (vor allem im Bereich der Immobilienpreise) anhält und immer weitere notleidende Aktiva produziert.

Ein Ende der Immobilienkrise ist nicht abzusehen, sie hält vor allem in den USA, Irland und Spanien an. Seit dem Höhepunkt des Immobilienbooms vor fünf Jahren, als Portugal einen leichten Wirtschaftsaufschwung erlebte, sind die Preise in der Algarve um bis zu 50% gefallen. Marode Banken, Rezession und sehr teure neue Hypothekenkredite drücken die Preise nach unten. In den Krisenländern steigen die notleidenden Kredite weiter an, in den letzten Monaten u.a. infolge rekordhoher Arbeitslosenzahlen. Solange die Länder in einer massiven wirtschaftlichen Rezession stecken, kann von einer Endphase bei der Sanierung der Banken keine Rede sein.

Aber unterstellt, die Folgen des Platzens der Vermögens- und Kreditblase könnten in den nächsten Jahren aufgefangen werden, bleibt die Aufgabe einer strikteren Regulation der Finanzinstitute. Denn die Banken waren keineswegs nur passive Opfer des vermögensgetriebenen Kapitalismus, sondern haben durch die modernen Verbriefungsformen erheblich zur Verstärkung und Internationalisierung der letztlich nicht mehr beherrschbaren Risiken beigetragen. Sind die Bilanzen saniert, werden die Banken besser imstande sein, ihre Liquiditätspositionen sowohl national als auch international zu stärken, indem sie sich auf traditionelle Finanzierungsquellen stützen.

Auf lange Sicht müssen die Banken über eine ausreichende Finanzkraft verfügen, damit sie ihre wesentliche Aufgabe ohne staatliche Unterstützung erfüllen können. Und da die neuen regulatorischen Rahmenbedingungen auf ihre Gewinne drücken werden, müssen sie sich stärker auf die Steigerung ihrer Kosteneffizienz konzentrieren als bisher.

Diese umfassenden Veränderungen sind mit der Notwendigkeit einer Reduktion des gesellschaftlichen Gewichts der gesamten Finanzsphäre verbunden, die sich infolge der vermögensgetriebenen Kapitalakkumulation herausgebildet hatte und deren Schrumpfung unvermeidlich ist. Sicherlich kann die Frage aufgeworfen werden, ob eine Aufhebung der Fehlentwicklung überhaupt erfolgreich sein kann. Aber auch unter dem Blickwinkel systemimmanenter Reformen kann nicht davon gesprochen werden, dass die Redimensionierung der Sphäre des Geld- und Finanzkapitals abgeschlossen ist.

Banken haben das Platzen der riesigen Vermögensblase 2007 nicht verhindern können, sondern mit zeitlicher Verzögerung weltweit die größte Finanzkrise seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre ausgelöst. Ganze Volkswirtschaften sind bei den Versuchen, ihren Banken zur Seite zu stehen, in Schieflage geraten. Die Krise, die seit 2007 weltweit den Finanzsektor beschäftigt, ist nicht ausgestanden. Das Gegenteil ist der Fall.

SPD-Chef Gabriel macht sich jetzt für ein Insolvenzrecht und eine Bankenabgabe stark: »Statt staatlicher Rettungsschirme muss es einen privatwirtschaftlichen Rettungsschirm (›Banken-ESM‹) der großen Banken untereinander geben, der durch eine europaweite Bankenabgabe finanziert werden muss.« Sehen wir uns einmal an, welcher kümmerlichen Regelung die SPD in der »Berliner Republik« ihre Zustimmung erteilt hat.

Seit 2007 wird unter der Bezeichnung »Bankenabgabe« über eine Abgabe diskutiert, die nach dem Verursacherprinzip die Finanzinstitute als Auslöser der Krise wirtschaftlich an den Rettungsaktionen beteiligen soll. In Deutschland ist ein solcher Fonds im Dezember 2010 auf den Weg gebracht worden. Diese Maßnahme ist der Versuch, risikobehaftete Bankgeschäfte zu regulieren sowie die Bankengemeinschaft an möglicherweise erneut notwendigen Rettungen einzelner Banken zu beteiligen.

Im Gesetz ist eine Zielgröße von 70 Mrd. Euro festgehalten. Zusätzlich wird der Fonds ermächtigt, Garantien zu übernehmen. Die maximale Größe ist das 20fache der angesammelten Mittel, maximal jedoch bis zu 100 Mrd. Euro. Darüber hinaus dürfte der Fonds bis zu 20 Mrd. Euro an Krediten aufnehmen und Sonderumlagen bis zum 3fachen des jeweiligen Jahresbeitrages von den Banken einsammeln.

Obwohl die Bildung eines solchen Fonds grundsätzlich zu begrüßen ist, ist die seine konkrete Ausgestaltung kümmerlich, er ist viel zu gering dimensioniert. Der SoFFin beispielsweise war und ist nach seiner erneuten Einsetzung bereits mit über 500 Mrd. Euro ausgestattet. Hinzu kamen die Kapitaleinschüsse des Bundes und der Länder. Bereits eine einzige Bankenschieflage könnte die Dimension des Fondsvolumens sprengen. Und: Das Zielvolumen (70 Mrd. Euro) wird erst in einigen Jahrzehnten angespart sein, und das auch noch nur unter der Voraussetzung, dass zwischenzeitlich keine Bank saniert werden muss.

Es ist in der Tat reichlich populistisch, wenn die Sozialdemokratie sich jetzt für eine Re-Regulierung stark macht, von der heute schon abgeschätzt werden kann, dass eine erneute Banken- und Finanzkrise damit nicht beherrscht werden wird.

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