3. Mai 2010 Joachim Bischoff

Das Griechenland-Paket

Rund 110 Mrd. EUR werden in den kommenden drei Jahren benötigt, um den griechischen Staatsbankrott abzuwenden. Im laufenden Jahr geht es um eine Finanzbürgschaft im Volumen von 45 Mrd. EUR, davon haben die EU-Länder 30 Mrd. EUR zu schultern. Deutschland soll in dem auf drei Jahre angelegten Krisenkonzept ca. 22 Mrd. EUR übernehmen. 27 Mrd. EUR sollen – in Tranchen – vom Internationalen Währungsfonds (IWF) kommen.

Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IMF) steht Griechenland am Beginn eines jahrelangen, steinigen Weges. Die Organisation geht davon aus, zehn Jahre lang in Griechenland engagiert bleiben zu müssen. Die Sorge vor einem Übergreifen der Schuldenkrise auf andere europäische Länder wächst: Neben Portugal gerät auch Spanien zunehmend in Bedrängnis.

Bereits in der kommenden Woche wollen Bundestag, Bundesrat und Kabinett den deutschen Anteil am Hilfspaket beschließen. Die Kredite für Griechenland sollen von der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau bereitgestellt werden. Griechenland benötigt schnell Liquidität: Bereits am 19. Mai wird eine Anleihe fällig.

Die Griechen sollen in den kommenden drei Jahren eine Herkules-Aufgabe umsetzen. Als Gegenleistung zu einem Finanzhilfsprogramm muss Athen ein hartes Sparprogramm realisieren. Nur so kann auf die Kredithilfen des IWF und der Euro-Länder zurückgegriffen werden. Griechenland will bis 2013 im Haushalt 30 Mrd. EUR einsparen. Darauf verständigte sich die griechische Regierung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB).

Sprunghaft will der Staat das Rentenalter heraufsetzen. Die Lebensarbeitszeit soll von bisher 37 Jahren für eine volle Rente auf 45 Jahre ansteigen. Offiziell sollen Griechen in Zukunft erst mit 61 statt wie bisher mit durchschnittlich 55 in Rente gehen können. Die Rentner sollen zudem auch bei den monatlichen Zahlungen Kürzungen hinnehmen müssen. Die griechischen Ruheständler sind im europäischen Vergleich vergleichsweise gut gestellt. Die Zahlungen machen inzwischen 11,5% des griechischen Inlandprodukts aus. Ein Rentner mit vollem Leistungsanspruch erhält bei der Pensionierung laut OECD 94% des letzten Gehalts ausgezahlt, während in Deutschland nur 40% erreicht werden.

Angestellte im öffentlichen Dienst werden auf 12 Monatsgehälter gesetzt, 13. und 14. Lohn an Weihnachten und Ostern fallen weg. Auch andere Vergütungen sollen gestrichen werden. 13% der Beschäftigten fanden bisher bei Ämtern und Behörden ihren Arbeitsplatz. Neue Stellen wird es in Zukunft keine geben. Hunderten von staatlichen Einheiten droht die Schließung.

Die Mehrwertsteuer soll von 21% auf 23% klettern. Auch die Steuern auf Tabak, Spirituosen und Kraftstoff sollen steigen. Der griechische Ministerpräsident Georgios Papandreou kündigt zudem "kolossale" Kürzungen bei den Militärausgaben an. So werde man die laufenden Ausgaben um bis zu 25% senken.

Da das Sparprogramm hauptsächlich die Kaufkraft der breiten Bevölkerung abschöpft, wird durch die verschärfte Rezession ein noch größeres Loch in die Staatsfinanzen gerissen. In den kommenden Jahren wird Griechenland durch eine länger anhaltende Rezession und anschließende Stagnation gehen. Es ist davon auszugehen, dass die hellenische Wirtschaft in diesem Jahr real um ca. 4% schrumpfen wird. Der Staatshaushalt wird stark defizitär bleiben und über 8% des Bruttoinlandprodukts erreichen. Darum wird die Schuldenlast weiter ansteigen – auf rund 131% des BIP im nächsten Jahr und auf rund 140% bis im Jahr 2013. Unsicher ist weiter, ob das Zinsniveau auch über den Zeitraum des Sanierungsprogramms auf dem jetzigen tiefen Niveau bleiben wird.

Die Hilfe der EU und des Internationalen Währungsfonds öffnet ein Zeitfenster. Sie gewährt Griechenland eine Verschnaufpause. Zugleich erschwert das Hilfspaket die Restrukturierung der Ökonomie, d.h. das Hilfspaket ist eben kein Garant für einen Erfolg.

Eine erfolgreichere Alternative wäre: in Griechenland müsste neben der drastischen Reduktion des Militärs ein Strukturwandel der Ökonomie auf den Weg gebracht werden. Die Ausrichtung auf eine moderne Dienstleistungsökonomie ist weit zukunftsträchtiger als der ausgetretene Weg, vorrangig die Exportorientierung zu steigern. Begleitet werden müsste der Strukturwandel durch einen verbesserten Steuervollzug, eine deutliche Anhebung der Vermögensbesteuerung sowie der höheren Einkommen. Schließlich wäre ein Hilfspaket der EU eben auch einzubetten in eine europäische Strukturpolitik, also keine reine Finanzunterstützung um den Preis eines harten Kürzungsprogramms zulasten der breiten Bevölkerungsschichten. Ohne die Einbeziehung und Beteiligung des Großteils der Bevölkerung wird es keine Sanierung geben.

Zum Hilfspaket gehören auch Garantien für die griechischen Banken in der Größenordnung von 20 Mrd. EUR. Angesichts des Drucks in den letzten Wochen hatten diese unter deutlichem Kapitalabfluss zu leiden und Schwierigkeiten bei der Refinanzierung. Insgesamt belegt der Krisenfall Griechenland, dass es ohne umfassende gesellschaftliche Kontrolle oder letztlich die Vergesellschaftung des Finanz- und Leihkapitals keine durchgreifenden Fortschritte im Prozess der Krisenüberwindung geben wird. Der Finanzsektor schreibt infolge der massiven Kredit- und Stützungsprogramme Supergewinne; alle Ansätze der Redimensionsierung und der Regulierung des Bereiches der Finanzinvestoren sind im Ansatz stecken geblieben.

Banken, Versicherungen und einzelne Unternehmen in Deutschland wollen bis zu zwei Milliarden Euro aufwenden, um griechische Staatsanleihen zu kaufen und so die Finanzmärkte zu beruhigen. Das Angebot eines freiwilligen Unterstützungsbeitrages durch die Banken unterstreicht die Absurdität der Konstellation. Griechenlands Beinahe-Bankrott belegt: Auch über ein Jahr nach der Kernschmelze des internatonalen Finanzssystems (Lehman-Pleite) können Regierungen gegen die Macht der Finanzmarktakteure wenig ausrichten. Und daran sind sie selbst schuld. Diese Handlungsunfähigkeit der Politik führt allmählich zur vollständigen Desavouierung aller staatlichen Institutionen.

Deutsche Banken sind mit ca. 31 Mrd. EUR die zweitgrößten Investoren in griechischen Staatsanleihen. Daher müsste die deutsche Regierung ebenfalls an der Vermeidung eines Default der Griechen interessiert sein. Dies gilt umso mehr, als offensichtlich die größten Ausstände bei Banken im Staatsbesitz liegen, allen voran bei der Hypo Real Estate. Aber auch einige Landesbanken scheinen namhafte Beträge an griechischen Anleihen zu halten. Etwas verkürzt könnte man argumentieren, dass der deutsche Steuerzahler auf alle Fälle zur Kasse gebeten wird, entweder über ein Hilfspaket für Griechenland oder über einen Forderungsverzicht bei staatlichen Banken.

Die Investmentbanken sind zufrieden weil sich mit dem Verkauf von Kreditausfallversicherungen an Anleihebesitzer ein gutes Geschäftsfeld existiert. Die Spekulation wird anhalten: Wenn die "Ansteckung" auf Spanien, Portugal und Irland übergreift, dann steht eine Refinanzierung von 600 Mrd. EUR auf der Tagesordnung. Das Kesseltreiben gegen den Euro wird weitergehen.

Nach Monaten des Taktierens sollen Bundestag und Bundesrat nun binnen einer Woche grünes Licht für voraussichtlich mindestens 25 Mrd. EUR Kredite der deutschen Staatsbank KfW an Griechenland geben. Gemeinsam mit den anderen Euro-Staaten und dem IWF soll auf diesem Weg ein 110 Mrd. EUR schweres Rettungspaket geschnürt werden, mit dem der griechische Fiskus alle fälligen Rückzahlungen und Zinsen bis 2013 leisten kann, ohne bei privaten Investoren neues Geld zu leihen. Das Verfahren erinnert an die Bankenrettung im Herbst 2008, als einige überschuldete Geldhäuser fast über Nacht mit Milliardenzahlungen gestützt wurden, weil es hieß, andernfalls breche das Finanzsystem zusammen.

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