7. März 2010 Joachim Bischoff

Der Fall Griechenland gelöst?

Griechenland hat die positiven Reaktionen, mit dem die Finanzmärkte auf die Vorstellung des verschärften Sparkurses reagierten, genutzt, und die seit längerem erwartete Staatsanleihe angeboten. Die Nachfrage war sehr groß und überstieg das angebotene Volumen von 5 Mrd. Euro um mehr als das Dreifache.

Der Bond läuft über zehn Jahre und wurde mit einer Emissionsrendite von 6,4% an den Markt gebracht, was einem Aufschlag von 3,2% auf vergleichbare deutsche Bundesanleihen entspricht. Für eine im Januar ausgegebene Anleihe hatte Griechenland noch einen Aufschlag von 3,8% zahlen müssen.

Die griechische Regierung hatte Anfang März 2010 ihr drittes Sparpaket in diesem Jahr bekannt gegeben. Vorgesehen sind das Einfrieren aller Renten, die Erhöhung der Mehrwertsteuer um bis zu 2% und für Staatsbedienstete die Kürzung ihres 14. Monatslohns um 30%. Dieser setzt sich aus dem Weihnachts-, dem Oster- und dem Feriengeld zusammen. Das Paket umfasst ferner höhere Abgaben auf Alkohol, Tabak, Strom, Treibstoffe sowie Luxusgüter wie teure Autos, Jachten und große Immobilien. Einkünfte von über 100 000 Euro pro Jahr werden mit 45% versteuert.

Griechenland steht unter dem Druck der Regierungen der Euro-Zone, sein Defizit von 12,7% des Bruttoinlandprodukts noch in diesem Jahr um 4% zu senken. Kein Mitglied der Euro-Zone könne auf Dauer über seine Verhältnisse leben, sagte beispielsweise der EU-Wirtschaftskommissar Olli.

Bereits Mitte März muss Griechenland, dessen Haushalt faktisch unter der Zwangsverwaltung der EU steht, einen Zwischenbericht zum Abbau seines Staatsdefizits vorlegen. Die zusätzlichen Einnahmen in der Höhe von 4,8 Mrd. Euro, die sich die Regierung Papandreou vom neuen Sparpaket verspricht, haben also eine Beruhigung der Finanzmärkte herbeigeführt und Griechenland eine Verschnaufpause gegeben. Das Land muss bis Mai weitere rund 20 Mrd. Euro an Schulden umschichten. Die Mitgliedstaaten der Währungsunion dürfen vorerst aber aufatmen, da das Bedürfnis nach schneller bilateraler Hilfe mit der erfolgreichen Placierung geringer geworden ist.

Griechenland wurde 2001 mit einem Schuldenstand von rund 100% des BIP in die Euro-Zone aufgenommen. Das Defizit lag nach den damals verfügbaren Daten zwar unter der 3%-Grenze, doch wurde dies in späteren Revisionen in Frage gestellt. Der eigentliche Sündenfall erfolgte aber früher: Italien und Belgien nahmen von Anfang an an der Währungsunion teil, obwohl sie noch etwas höhere Schuldenberge aufwiesen als Griechenland. Da man bei ihnen festgestellt hatte, dass der Schuldenstand "hinreichend rückläufig" sei und sich rasch genug dem Referenzwert nähere (was laut EU-Recht ausreicht), konnte man Griechenland eine ähnliche Behandlung kaum verwehren, obwohl es auch kritische Stimmen gab. So hielt die Europäische Zentralbank (EZB) 2000 in ihrem Bericht über die griechische Euro-Reife fest, es bestehe "Anlass zur Sorge, ob das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert".

Mit für 2009 geschätzten Fehlbeträgen von 12,7% im Haushalt und 8,8% in der Leistungsbilanz leidet Griechenland aktuell unter einem gefährlichen Zwillingsdefizit, während die Staatsverschuldung auf 113% des BIP geklettert ist. Eine derart brisante Ballung problematischer volkswirtschaftlicher Daten weist kein anderes Land im Euro-Raum auf, auch wenn Spanien, Portugal, Irland und zum Teil Italien manche Probleme mit den Griechen teilen (vgl. Grafik). Auch die Finanzmärkte haben zur Entwicklung beigetragen: Als seien alle Länder der Euro-Zone ähnlich solide, schrumpften die in den 1990er Jahren noch sehr hohen Renditeunterschiede zwischen den Anleihen der einzelnen Staaten im ersten Jahrzehnt der Währungsunion auf ein Minimum. Erst die Finanzkrise hat das Risikobewusstsein wieder geschärft.

Den Schlusslichtern der Währungsunion ist der "Ausweg" aus dem Schlamassel über eine Abwertung, die ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen könnte, versperrt, und ein Austritt aus dem Euro-Raum würde ihre Probleme noch verschärfen. Allerdings bietet der jetzige Kurs - höhere Steuereinnahmen, Kürzungen bei Sozialleistungen und öffentlichen Dienstleistungen und einer Absenkung der Arbeitseinkommen - gewiss keinen Ausweg. Im Resultat wird die wirtschaftliche Leistung durch die Rosskur mit Sicherheit beschädigt und sind folglich weitere Anpassungsprozesse programmiert.

Eckpunkte des Eurosystems

1.1.1999: Einführung des Euro. 11 der 15 damaligen EU-Mitglieder nehmen teil. Dänemark, Großbritannien und Schweden wollen nicht mitmachen, Griechenland erfüllt die Kriterien nicht.
1.1.2001: Griechenland tritt der Euro-Zone bei, weil das Land die Aufnahmekriterien erfüllt hat.
2004: Die EU leitet ein Defizitverfahren gegen Griechenland ein, weil das Land die Defizitlimite von 3% des BIP 2003 überschritten hat. Nach einem Regierungswechsel korrigiert die neue konservative Regierung die Defizitdaten rückwirkend massiv nach oben. In Reaktion darauf schlägt die Kommission eine Ausweitung der Befugnisse des EU-Statistikamts Eurostat zur Kontrolle der nationalen Haushaltstatistiken vor. Die Mitgliedstaaten lehnen dies ab.
Juni 2007: Der Rat der Finanzminister (Ecofin) stellt das Defizitverfahren gegen Griechenland auf Empfehlung der Kommission ein, da der Fehlbetrag 2006 unter das 3%-Limit gesunken ist. Heute weiß man, dass 2006 das einzige Jahr des Jahrzehnts war, in dem der Fehlbetrag (knapp) unter dem Grenzwert blieb.
2009: Wegen erneuter Überschreitung der Defizitgrenze ab 2007 eröffnet die EU wieder ein Verfahren gegen Griechenland. Die Anleger beginnen für Staatsanleihen von Griechenland und einige andere Euro-Staaten höhere Risikozuschläge zu fordern. Im Herbst korrigiert Athen nach einem weiteren Regierungswechsel, diesmal zu den Sozialisten, die Defizitdaten massiv nach oben. Rating-Agenturen stufen die Kreditwürdigkeit von Griechenland herunter.
14.1.2010: Athen legt ein Stabilitätsprogramm mit ehrgeizigen Sanierungszielen vor.
11.2.2010: Die Staats- und Regierungschefs der EU stellen dem von den Märkten attackierten Griechenland für den Notfall nicht näher spezifizierte Hilfe in Aussicht und drängen auf eine beherzte Austeritätspolitik.
3.3.2010: Auf Druck der EU kündet die griechische Regierung zusätzliche Massnahmen an, um den angepeilten Defizitabbau sicherzustellen.

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