2. Oktober 2010 Joachim Bischoff: Parallelen zur Weltwirtschaftskrise 1929ff.

Große Krise Teil 2: der Währungskrieg

Immer mehr Länder betreiben eine Entwertung ihrer Währung. "Die Welt befindet sich in einem internationalen Währungskrieg", kommentierte Brasiliens Finanzminister Guido Mantega den Versuch von Regierungen und Notenbanken, die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Wirtschaft durch eine Abwertung der eigenen Währung zu stärken. Er drohte den USA damit, ein brasilianischer Staatsfonds könne in großem Stil US-Dollars kaufen, um dem Erstarken der Heimwährung entgegenzuwirken. Der brasilianische Real hat seit Anfang 2009 gegenüber dem Dollar rund 30% an Wert gewonnen.

Neben der US-Notenbank (FED) sind auch andere Notenbanken am Geldmarkt zunehmend aktiv. Die Bank of Japan versuchte vor zwei Wochen, die Aufwertung der heimischen Währung mit massiven Yen-Verkäufen zu stoppen. Die Schweizer Notenbanker halten sich ein ähnliches Vorgehen offen, sollte der Franken weiter zulegen.

Den Auftakt zu einer neuen Runde der Währungsmanipulation hat jüngst Japan gegeben. Auf Druck der Politik intervenierte die Bank of Japan im September 2010 erstmals seit 2004 wieder am Devisenmarkt, um den Yen gegenüber dem US-Dollar zu schwächen. Die japanische Währung war im gleichen Monat auf ein 15-Jahre-Hoch zum „Greenback“ gestiegen und hatte sich in nur sechs Monaten um 13% verteuert.

Die Hausse des Yen begann aber Mitte 2007 mit dem Ausbruch der Finanzkrise. Die wichtigste Ursache dürften Verschiebungen im Zinsgefüge sein. Da sich in vielen Währungsräumen mit vergleichsweise hohen Zinsen die Konjunktur abschwächte oder sich gar eine Rezession entwickelte, sanken auch die Zinssätze. Dadurch wurde der so genannte Carry-Trade, bei dem Geld in Niedrigzinsräumen geliehen und in Hochzinsgebieten angelegt wird, immer unattraktiver für Anleger. Die fortdauernde Auflösung dieser Carry-Trades trägt zur Stärke des Yen bei.

Die Hauptauseinandersetzung auf den Devisenmärkten ist seit längerem der anhaltende Währungsstreit zwischen den USA und China über die Stärke des Yuan. Auch hier ist die Gefahr eines Handelskriegs zwischen den beiden Ländern in greifbare Nähe gerückt. Das US-Repräsentantenhaus hat Ende September 2010 für Strafzölle gegen China wegen Währungsmanipulationen gestimmt. Damit leiten die USA eine neue Eskalationsstufe im globalen Kampf um eine schwache Währung ein.

Eine deutliche Mehrheit im US-Repräsentantenhaus macht ihr Missfallen über die chinesische Währungspolitik deutlich, die in den USA vielfach als eine wesentliche Ursache für das riesige Handelsbilanzdefizit angesehen wird. In dem Beschluss spiegeln sich allerdings auch Wahlpolitik sowie Frustrationen über nicht eingehaltene Versprechungen Pekings, eine Aufwertung des Yuan zuzulassen.

Der Yuan war ab Juli 2008 an den US-Dollar gekoppelt. Im Juni 2010 hat Peking die feste Anbindung an den Dollar abgeschafft und einen begrenzt schwankenden Kurs zum Währungskorb eingeführt. In dieser Zeitperiode wurde der Yuan um 2% aufgewertet. Laut vielen Experten ist die chinesische Währung aber immer noch stark unterbewertet.

US-Präsident Obama hatte vor rund einem Jahr angekündigt, er wolle bis 2014 die Ausfuhren der USA verdoppeln. Dazu benötigen die Amerikaner einen schwachen US-Dollar. Da aber China und etliche andere asiatische Länder ihre Währung fest oder sehr stark an den Dollar gebunden haben, kann dieser sich nicht genügend verbilligen. Nun sind die USA die „schädliche Manipulation“ der Chinesen leid, gehen nach mehreren verbalen Attacken gegen das Reich der Mitte auch in der Praxis vor und wollen China im Vorfeld der im November anstehenden Kongresswahlen zur Aufwertung der Währung zwingen.

Hohe Überschüsse im Außenhandel Chinas deuten in Verbindung mit stetig zunehmenden Währungsreserven von 2,45 Bio. US-Dollar noch im Juni und hohen Direktinvestitionen aus dem Ausland darauf hin, das die Währung Chinas in einem normalen Markt aufgrund der starken Nachfrage in der Vergangenheit zumindest phasenweise deutlich aufgewertet hätte.

Auf der anderen Seite scheinen weite Teile der Wirtschaft des Landes trotz eines sehr geringen Lohnniveaus und miserabler Sozial- und Umweltstandards nur bedingt wettbewerbsfähig zu sein. Einseitige Investitionen in den Exportbereich lassen zudem große Überkapazitäten und deshalb eine geringe Profitabilität vermuten. Aus solchen Gründen dürfte sich China nur bedingt zu einer raschen Aufwertung drängen lassen können.

Gemessen am effektiven Wechselkurs, der die Wertentwicklung einer Währung gegenüber mehreren anderen wichtigen Währungen darstellt, hat der Yuan in den vergangenen Jahren tendenziell aufgewertet. Allerdings fiel diese Aufwertung gegenüber dem Euroraum gemessen an den getätigten Handelsgeschäften unterdurchschnittlich aus.

Dagegen halten sich die Währungen Großbritanniens, der Philippinen, Malaysias und Südkoreas auf einem tiefen und für die Staaten vorteilhaften Niveau. Sie wahren damit Wettbewerbsvorteile, die sie auf Kosten anderer erlangt haben. Staaten wie Taiwan, Japan, Schweden, Mexiko, Südafrika und vor allem auch Hongkong verschaffen sich sogar systematische Vorteile, indem sie ihre Währungen real und effektiv abwerten lassen.

Ausnahmen sind beinahe schon Länder wie Brasilien, in jüngster Zeit die Schweiz, Australien, Russland, die Türkei und auch Kanada, indem sie ihre Währungen aufwerten lassen. Sie profitieren allerdings aufgrund ihrer Wirtschaftsstruktur von einer relativen robusten Marktstellung und können sich diese Trends auch leisten.

Das gilt auch für Brasilien. Erstens hat der Wechselkurs nach den jüngsten Aufwertungen allenfalls ein Niveau erreicht, auf dem er vor der Schuldenkrise des Landes zum Ende des vergangenen Jahrhunderts lag. Zweitens ist das Land reichlich mit Rohstoffen aller Art und vorteilhaften klimatischen Bedingungen gesegnet. Aus solchen Gründen dürfte es sich an sich nicht über die Stärke der eigenen Währung beklagen.

Vom gleichen Phänomen wurde der Franken erfasst. Die Schweizer Währung verteuerte sich gegenüber dem Dollar allein seit Juni um 20% und stieg dabei jüngst sogar über die Parität. Im Vergleich mit dem Pfund legte der Franken im gleichen Zeitraum um 10% zu. Dazu kommt, dass der Franken in Krisenzeiten als sicherer Hafen gilt und von Anlegern vermehrt angesteuert wird. Diese Eigenschaft machte sich vor allem gegenüber dem Euro bemerkbar, der wegen der sehr hohen Verschuldung einiger Mitgliedsländer stark unter Druck geriet. Von Jahresbeginn bis Mitte September hatte sich der Franken gegenüber der Gemeinschaftswährung um rund 12% verteuert.

Die Hausse der Währung veranlasste die Schweizer Nationalbank mehrfach, zugunsten des Euro am Devisenmarkt zu intervenieren, was von der Europäischen Zentralbank anfangs sehr kritisch verfolgt wurde. Die Schweizer Währungshüter konnten ihren europäischen Kollegen jedoch glaubhaft versichern, dass es sich bei den Manipulationen nicht um einen kompetitiven Abwertungsversuch handelt, sondern um eine Maßnahme zum Schutz vor Deflation.

Auch andere asiatische Staaten könnten bald vermehrt unter Druck geraten, ihre von vielen Experten als unterbewertet erachteten Währungen stärker dem Spiel der Marktkräfte auszusetzen oder sie diesen nach und nach ganz zu überlassen.

Das Modell für den Abwertungswettstreit liefert Deutschland. Gerade die Europäer nehmen zwar noch keine Währungsmanipulationen vor. Doch – Ironie der Geschichte – dank der vor allem von US-Hedge-Funds initiierten Treibjagd auf den Euro infolge der Verschuldungskrisen mehrerer Länder der Euro-Zone hatte die Gemeinschaftswährung im ersten Halbjahr sehr an Wert verloren.

Etwas Besseres hätte einer Exportnation wie Deutschland nicht passieren können. Sie hat die Wirtschaftskrise dank des schwächelnden Euros (und Instrumenten wie Kurzarbeit) sehr gut überstanden. Auch die Schweiz profitiert als wichtiger Handelspartner stark vom Wirtschaftsboom der Berliner Republik.

Während der globale Abwertungswettlauf der Währungen immer neue Schlagzeilen hervorbringt, kletterten die Edelmetalle in den letzten Wochen von Hoch zu Hoch.

Die Entwicklung treibt mehr und mehr in Richtung der Grundkonstellation in der zweiten Phase der großen Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre. Immer mehr  Notenbanken gehen zu einer Manipulation der Währung über, was die Gefahr eines Flächenbrandes verstärkt. In den 1930er Jahren hat man die nationale Wirtschaft damit gestützt, dass man die eigene Währung abgewertet hat.

In der Fachsprache nennt man dies die Politik des „beggar thy neighbor“ (den Nachbarn ausplündern). Dieses künstliche Abwerten hat katastrophale Wirkung gezeigt. Andere Länder haben als Gegenmaßnahme ebenfalls abgewertet oder Schutzzölle erhoben. Schließlich versank der Welthandel in der Sackgasse des Protektionismus.

Heute ist die „beggar-thy-neighbor“-Politik verpönt. Doch die nun betriebene Politik der „quantitativen Lockerung“ hat indirekt die gleiche Wirkung. Weshalb? Quantitative Lockerung wird dann betrieben, wenn die Leitzinsen gegen Null tendieren und nicht mehr weiter gesenkt werden können. Die Notenbanken beginnen deshalb, selbst Vermögenswerte zu kaufen (Obligationen, Aktien oder gar Immobilien). Sie pumpen damit die Geldmenge auf und wollen erreichen, dass die Zinsen fallen und eine Deflation vermieden wird.

Dummerweise jedoch hat eine Ausweitung der Geldmenge indirekt auch zur Folge, dass der Wechselkurs sinkt. Deshalb sehen wir eine Renaissance der „beggar-thy-neighbor“-Politik der 1930er Jahre. Was als Nächstes geschehen wird, lässt sich leicht ausmalen: Japan, das unter einem bis zu 30% stärker gewordenen Yen leidet, wird alles unternehmen, um seine Währung abzuwerten.

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