7. März 2010 Redaktion Sozialismus

Island: Bevölkerung will nicht bezahlen

In Island haben die WahlbürgerInnen eine Entschädigungszahlung an die Niederlande und Großbritannien wegen der Schulden aus der Insolvenz der Icesave-Bank mit breiter Mehrheit abgelehnt.

Das dem Referendum zugrunde liegende Gesetz wurde Anfang Januar vom isländischen Präsidenten mit einem Veto blockiert, nachdem ein Viertel der Bevölkerung in einer Unterschriftenaktion dagegen protestiert hatte, mit Steuergeldern für die Schulden aus der Insolvenz einer privaten Bank zu haften. Dass der britische Premierminister Brown auf dem Höhepunkt der Finanzkrise auf Anti-Terror-Gesetze zurückgegriffen hatte, um isländische Guthaben in Großbritannien einzufrieren, hat auf der Insel niemand vergessen und die Wut zusätzlich geschürt.

Die erdrückende Mehrheit der InselbewohnerInnen ist nicht bereit, mit über 12.000 Euro pro Kopf für die Verluste von Briten und Niederländern aufzukommen, die ihre Gelder der Landsbanki-Internetbank-Tochter Icesave anvertrauten, die mit hohen Sparzinsen lockte. Die Landsbanki wurde im Oktober 2008 zusammen mit den anderen isländischen Großbanken verstaatlicht.

2009 gewährten Großbritannien und die Niederlande Island einen Kredit über 2,35 Mrd. Pfund bzw. 1,33 Mrd. Euro zur Entschädigung der SparerInnen, deren Rückzahlungskonditionen Anlass des Streites und Inhalt des Referendums sind. Gemäss dem vom isländischen Parlament verabschiedeten Icesave-Gesetz sollte der mit isländischen Staatsgarantien unterlegte und zu 5,5% verzinste Kredit bis 2024 zurückbezahlt werden. In den ersten sieben Jahren wurde Island einen Tilgungsaufschub gewährt, um Landsbanki-Aktiva zu verkaufen und die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Die Schuldenlast von 3,8 Mrd. Euro entspricht fast 43% des für 2010 erwarteten Bruttoinlandprodukts von Island.

Großbritannien und die Niederlande hatten Anfang 2010 eine günstigere Schuldenregelung vorgeschlagen. Jetzt wollten die Regierungen einen variablen Zinssatz beschlossen wissen, der um 2,75 Punkte über dem Libor-Satz (Interbankensatz) liegt. Zudem sollte Island eine zweijährige Zinsstundung gewährt werden. Der isländischen Regierung ging dieses Kompromissangebot nicht weit genug. Die Verhandlungen wurden offiziell abgebrochen. Die Parteien haben sich weiter getroffen, konnten sich aber nicht auf einen Kompromiss einigen.

Die internationalen Rating-Agenturen haben angekündigt, dass ein Nein beim Referendum eine weitere Senkung der Schuldnerbonität Islands auslösen wird. Zudem dürfte sich die nächste Tranche des Hilfskredits des Internationalen Währungsfonds sowie der nordischen Länder verzögern. Wie der stellvertretende Notenbankchef Islands erklärte, wird eine Verspätung der Hilfsgelder kein Problem darstellen, da erst 2011 Staatsobligationen zur Refinanzierung anstehen. Investoren würde er empfehlen, ruhig zu bleiben. Ein Abstimmungs-Nein bedeute nicht das Ende der Welt, sondern bloß, dass die Verhandlungsdelegationen zu wenig Zeit hatten, sich auf eine Lösung zu einigen, die von der isländischen Bevölkerung akzeptiert werden könnte.

Anderseits hat das ablehnende Referendum auch Auswirkungen für den Fortbestand der rot-grünen Koalition auf Island. Es muss sich in den nächsten Wochen zeigen, ob die links-grüne Regierung Bestand hat oder ob es zu Neuwahlen kommt, die den EU-skeptischen Konservativen zur Macht zurück verhelfen könnten. Das im April 2009 bestätigte rot-grüne Übergangskabinett hatte die rasche Beilegung des Icesave-Streits ganz oben auf seine Prioritätenliste geschrieben und viel Prestige daran gesetzt, die angeschlagene Glaubwürdigkeit Islands zu stärken.

Unklar ist, welche Folgen ein Icesave-Nein für Islands Wunsch einer Annäherung an die EU haben wird. Ende Februar empfahl die EU-Kommission, mit Island Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Verschiedene Regierungsvertreter zeigten sich diese Woche zuversichtlich, dass weder Großbritannien noch die Niederlande diesen Prozess behindern würden.

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