8. Januar 2010 Joachim Bischoff

Island: ''Wir zahlen nicht für Eure Krise''

Islands Präsident Ólafur Ragnar Grímsson will der Bevölkerung die Entscheidung über die Rückzahlung von umgerechnet rund 3,9 Mrd. Euro an ausländische SparerInnen überlassen. Das umstrittene Schuldenabkommen Islands mit Großbritannien und den Niederlanden wird einer Volksabstimmung unterworfen.

Grimsson hat bekannt gegeben, dass er das Ende 2009 vom Parlament verabschiedete Icesave-Gesetz nicht unterschreibt. Während der vergangenen Tage hatten über 62.000 IsländerInnen – ein Viertel der Stimmberechtigten – eine Petition unterschrieben, die den Präsidenten zum Gebrauch des Vetos aufforderte.

Das umstrittene Entschädigungsgesetz regelt die Rückzahlung von knapp 3,9 Mrd. Euro an die Niederlande und Großbritannien. In dieser Höhe sollen Entschädigungszahlungen an rund 340.000 britische und niederländische Icesave-KundInnen geleistet werden. Die Zahlungen Islands sind nun vorerst blockiert.

Laut Meinungsumfragen stemmt sich eine Mehrheit der 320.000 InselbewohnerInnen dagegen, dass sie als SteuerzahlerInnen über Jahrzehnte für den Kollaps der privaten Landsbanki gerade stehen sollen. Deren Internet-Tochter Icesave hatte ausländische SparerInnen mit zweistelligen Zinssätzen angelockt, worauf um die 340.000 Konten eröffnet wurden, hauptsächlich in Großbritannien und den Niederlanden.

Nach der Verstaatlichung der isländischen Banken entstand ein wüster Streit über die Entschädigung der ausländischen SparerInnen. Das Icesave-Gesetz regelt die Staatsgarantie für Kredite von britischen und niederländischen KundInnen, die Gelder in der genannten Größenordnung bei der später kollabierten Internetbank angelegt hatten. Die Kredite müssen während der kommenden 15 Jahre verzinst und schrittweise zurückbezahlt werden, was die Wut der IsländerInnen geweckt hat. Die von der Finanzkrise arg gebeutelte Bevölkerung will nicht die Zeche für den Zusammenbruch einer privaten Bank zahlen müssen. Der Icesave-Kollaps belastet jede/n IsländerIn mit gegen 12.000 Euro.

Nach dem Veto des isländischen Präsidenten steigt der politische Druck auf das kleine Land. Mit dem Nein des Präsidenten stehen die Zahlung internationaler Hilfsgelder und der geplante EU-Beitritt auf dem Spiel. Die Niederlande und Großbritannien haben ein Veto-Recht in der Frage eines EU-Beitritts Islands.

Die Rating-Agentur Fitch hatte das Bonitäts-Rating Islands nach der Veto-Bekanntgabe auf "BB+" herabgesetzt. "BB+" ist die erste "Junk"-Stufe jenseits der Investment-Qualität. Die ungelöste Entschädigungsfrage gefährdet außerdem die Auszahlung weiterer Tranchen eines internationalen Hilfskredits über 7 Mrd. Euro. Die finnische Regierung hat schon durchblicken lassen, die Auszahlung eines Kredits der nordischen Länder an Island in Höhe von von 1,8 Mrd. Euro werde sich verzögern.

Eine überwältigende Mehrheit der isländischen WählerInnen ist gegen die ausgehandelten Rückzahlungsbedingungen. Ein Zustandekommen des Gesetzes gilt mittlerweile als unwahrscheinlich. Auf der anderen Seite basiert die "Sanierung" des isländischen Bankensystems auf den internationalen Krediten.

Die isländische links-grüne Regierung erklärte nach dem aufsehenerregenden Veto, dass man die ausstehenden Staatsanleihen bedienen werde. Die politische Absicht einen Staatskonkurs (Default) zu vermeiden, ist eindeutig. Andererseits wird die jahrzehntelange Belastung durch die Fehlentwicklung der finanzmarktgetriebenen Kapitalakkumulation durch eine Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. Wir werden im Laufe des Jahrs 2010 noch eine Reihe von vergleichbaren politischen Konflikten in anderen Ländern sehen.

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