8. Mai 2012 Redaktion Sozialismus

Politische Blockade in Athen

Die Parlamentswahlen in Griechenland haben das erwartete politische Erdbeben gebracht. Die beiden großen Parteien – die konservative Neue Demokratie (ND) und die sozialdemokratische Pasok – sind von den WählerInnen massiv abgestraft worden.

Die ND ist zwar mit 18,9% der Stimmen stärkste Partei geworden, aber für die Bildung einer mehrheitsfähigen Regierung sieht es schlecht aus. Die Pasok erhielt 13,2%. Die sozialdemokratische Partei wurde von der Linksunion Syriza überflügelt, die 16,8% der Stimmen holt. Bei der Wahl 2009 hatte die Pasok noch 44% und das Linksbündnis 5% bekommen. ND und Pasok kämen im Parlament jetzt trotz eines Bonus von 50 Sitzen für die stärkste Partei nur auf 149 der 300 Sitze. Die beiden früher größten Parteien hatten den bisherigen Regierungschef Papademos gestützt und sich im Wahlkampf als Einzige weitgehend zu den Reformauflagen von EU und IWF bekannt. Das bürgerliche Lager ist gleichfalls nicht handlungsfähig, weil durch den Einzug einer rechtspopulistischen Partei und einer offen rechtsextremistisch-faschistischen Kraft eine politische Kooperation ausgeschlossen ist.

Die fünf kleineren Parteien vom linken und rechten Spektrum lehnen die harte Sparpolitik ab, die Voraussetzung weiterer Kredittranchen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) zur Abwendung des Staatsbankrotts sind. »Alptraum der Unregierbarkeit« titelte am Montag die Zeitung Ta Nea. Im Parlament ist – erstmals seit Ende der Militärdiktatur 1974 – auch wieder die rechtsnationalistische Partei Chrysi Avghi (Goldene Morgenröte). Gespräche mit ihr lehnte Samaras ab.

Die ND hat nach kurzer Prüfung das Mandat zu einer Regierungsbildung zurückgegeben. Auch die zweite Kraft, die Linksunion, dürfte schwerlich eine Regierung zustande bringen. Die Differenzen mit der PASOK sind unüberbrückbar, weil Syriza die Austeritätspolitik und die massiven Kürzungen ablehnt. Eine Regierung, die sich auf die drei linken Kräfte jenseits der Sozialdemokratie stützte, ist gleichermaßen illusorisch, weil die Trennungslinien zwischen der kommunistischen KKE und Syriza sowie die demokratische Linke beträchtlich sind. Aber selbst wenn die sozialdemokratische PASOK und alle Linksparteien zusammengingen, hätten sie gleichfalls keine Mehrheit im Parlament. Alles sieht nach einem erneuten Wahlgang aus, womit freilich die ökonomisch-finanzielle Krise dramatisch verschärft würde.

Das mit der EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und dem IWF vereinbarte Krisenprogramm sieht vor, dass bis Ende Juni zusätzliche Einsparungen in Höhe von 5,5% des Bruttoinlandproduktes (BIP) für die Jahre 2013 und 2014 beschlossen werden müssen, um das Ziel eines Primärüberschusses von 4,25% zu erreichen. Das Troika-Komitee der Geldgeber aus EU, IWF und EZB wollte am 16. Mai die weiteren Verhandlungen und Kontrollen aufnehmen. Bis zum Juni verlangt die Troika weitere Konsolidierungsmaßnahmen über 11,5 Mrd. Euro im Gegenzug für frisches Geld. Athen braucht dringend wieder neues Geld – bis Ende Juni sollen es 30 Mrd. Euro sein. Davon sind sieben Mrd. Euro für Renten und Löhne im staatlichen Bereich und 23 Mrd. Euro für die Stabilisierung des Bankenbereichs nach dem Schuldenschnitt bestimmt. Finden die Kontrolleure keine handlungsfähige Regierung in Athen vor, könnten sie den Geldhahn zudrehen und Griechenland wäre Ende Juni pleite.

Die Euro-Staaten hatten im Februar ein zweites Rettungspaket für Griechenland geschnürt. Auf die 110 Mrd. Euro an Krediten der Euro-Zone und des IWF des ersten Programms sollen frische Kredite von bis zu 130 Mrd. Euro folgen. Zusätzlich werden ungenutzte Kreditzusagen von gut 34 Mrd. Euro aus dem 2010 eingeleiteten, ersten Hilfsprogramm ins zweite Programm übertragen (73 Mrd. Euro haben die Euro-Staaten und der IMF unter dem ersten Programm bereits ausbezahlt). Damit stehen für die Periode 2012 bis 2014 Kreditzusagen von insgesamt 164,5 Mrd. Euro bereit. Trotz Schuldenschnitt wird die griechische Staatsverschuldung von 165% des Bruttoinlandprodukts (BIP) 2011 vorerst nur auf 327 Mrd. Euro oder 160% des BIP 2012 sinken und 2013 wieder steigen. Dies liegt zum einen daran, dass ein Großteil der Hilfe (die ja über Kredite erfolgt und damit zur Verschuldung beiträgt) 2012 verbucht wird (Unterstützung Schuldenschnitt, Bankenhilfen). Zum andern schrumpft das BIP 2012 weiter, womit sich das Verhältnis zwischen Schulden und BIP verschlechtert. 2014 soll die Verschuldung wieder zu sinken beginnen – laut Basisszenario auf 116% des BIP im Jahr 2020.

Griechenland hat den Schuldenschnitt erfolgreich über die Bühne gebracht. Das Volumen der Anleihen, die umgetauscht werden, erreichte 197 Mrd. Euro (von insgesamt 206 Mrd. Euro). Die Auszahlung der neuen Hilfskredite in Höhe von 130 Mrd. Euro ist mit der Rechtswirksamkeit der Umschuldung eröffnet worden. Bei einer Konferenz der Euro-Gruppe am 9. März wurde die Auszahlung der ersten Rate in Höhe von 35,5 Mrd. Euro bekannt gegeben.

Ein weiterer Teil der Hilfe (48,8 Mrd. Euro) dient der Rekapitalisierung griechischer Banken. Auch dies wird zum Teil wegen des Schuldenschnitts nötig, da die griechischen Geldinstitute viele griechische Staatsanleihen in ihren Büchern hatten. Der zweite Grund für ihren Kapitalbedarf ist der rezessionsbedingt hohe Anteil fauler Kredite.

Die weitere tranchenweise Auszahlung der Hilfskredite erfolgt unter der Bedingung, dass Athen das mit den Gebern vereinbarte Sanierungsprogramm umsetzt. Darin wurden erneut Ziele zur Haushaltskonsolidierung fixiert, darunter die Erreichung eines Primärüberschusses (Saldo des Staatshaushalts vor Zinszahlungen) von 4,5% des BIP in 2014.

Alles spricht also für eine weitere Zuspitzung der politischen und ökonomischen Krise. Bis Mitte Mai müsste eine handlungsfähige Regierung ausverhandelt sein. Gelingt dies nicht, würde der Präsident der griechischen Republik die Parteien in einer Sondierungsrunde auf einen Konsens abfragen. Sollte auch diese Moderation scheitern, wird das eben erst gewählte Parlament aufgelöst und Neuwahlen binnen 30 Tagen angesetzt. Das Land würde solange von einer Übergangsregierung geführt. Vermutlich wäre bei diesem Fahrplan eine Eskalation programmiert, weil sich die Zahlungsströme nicht solange aufschieben lassen.

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