11. April 2011 Joachim Bischoff / Bernhard Müller: EU-Krise befördert Rechtspopulismus

Portugal kapituliert

Portugal ist nach Irland und Griechenland das dritte Land der Euro-Zone, das mit Hilfskrediten seiner Partnerländer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor der Insolvenz bewahrt werden muss. Damit wurden drei Länder der europäischen Peripherie vor der Erpressung mit ständig steigenden Zinsen an den Kapitalmärkten in Sicherheit gebracht.

Portugal hat im letzten Jahr ein größeres Defizit erwirtschaftet als projektiert. Das Minus lag bei 8,6% der Wirtschaftsleistung. Die Regierung in Lissabon hatte einen deutlich geringeren Fehlbetrag angestrebt. Die Konzeption der Regierung sah vor, das Staatsdefizit von 8,6% des Bruttoinlandprodukts im letzten Jahr auf 4,6% in 2011, 3% in 2012 und 2,6% in 2013 zu reduzieren. Unter dem Druck von ständig verschärften Kürzungsoperationen geht freilich die wirtschaftliche Leistung nach unten und insofern ist die Absenkung der Defizitquote ein Problem.

Zwischen 1996 bis 2000 war die portugiesische Ökonomie bei niedrigen Zinsen, boomender Inlandsnachfrage und Baufieber im Schnitt um mehr als 4% pro Jahr gewachsen. In den letzten zehn Jahren betrug das durchschnittliche Wachstum dann nur noch weniger als 0,7%. Mittlerweile erhöhte sich die Arbeitslosenquote von 3,9% (2000) auf 10,8% (2010). In Anbetracht von chronischen Leistungsbilanzdefiziten übersteigt Portugals Nettoschuld im Ausland bereits das Bruttoinlandprodukt (BIP). Unter solchen Rahmbedingungen wird die Schuldenlast steigen und der Anteil des erwirtschafteten gesellschaftlichen Produkts, das sich die Finanzinstitute aneignen, nimmt zu.

Der portugiesische Staat steckt infolge dieser Entwicklung mitten in einer schweren Finanzkrise und muss für seine Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren 8,23% Zinsen zahlen. Für Papiere mit einer Laufzeit von zwölf Monaten sind durchschnittlich 5,3% Zinsen aufzuwenden. Das ist so viel wie noch nie, seit das Land Mitglied der europäischen Währungsunion ist. Deutschland gewährt für solche Papiere nur 1,3%.

Portugal ist nicht Irland, denn hier hat es keine Immobilienblase gegeben. Portugal ist auch nicht Griechenland, denn die Staatsverschuldung ist deutlich geringer als dort. Portugals zentrale Schwäche sind vor allem die öffentlichen Finanzen. Der Staatshaushalt weist tiefrote Zahlen auf, das Land laboriert an einer ungenügenden Wettbewerbsfähigkeit und die privaten und öffentlichen Haushalte sind relativ hoch verschuldet. Die privaten Haushalte stehen mit rund 130% ihrer verfügbaren Jahreseinkommen bei den Banken im Minus.

Zugespitzt hat sich die Situation in den letzten Monaten, weil die geringe Kreditwürdigkeit des portugiesischen Staates sich auf die Banken übertragen hat. Obwohl die Solvenz der Großbanken laut Einschätzung der Nationalbank keinen Grund zur Besorgnis gab, sind sie mehr oder weniger vom Interbankenmarkt ausgeschlossen und können sich auch nur sehr begrenzt über die Emission von Anleihen refinanzieren. So sind sie gezwungen, ihre Liquiditätsbedürfnisse bei der EZB zu decken.

Für Portugal erwartete der IMF in der letzten Länderstudie, dass die Schulden des Landes bis 2014 auf 100% des BIP steigen werden. Nimmt man eine derzeit vom Markt geforderte Verzinsung von 7% an, so müsste Portugal alleine für die Zinszahlungen jährlich ca. ein Sechstel aller Staatseinnahmen aufwenden. Rund 25 Mrd. Euro frisches Kapital wollte Portugal im laufenden Jahr aufnehmen. Bis zum Auslaufen des bestehenden Euro-Rettungsschirms im Juni 2013 werden es etwa 52 Mrd. Euro sein – nur für den Schuldendienst. Von den ausstehenden Schulden entfallen rund 70% auf klassische Staatsanleihen mit einer Laufzeit zwischen einem und 50 Jahren. 12% gehen auf Schatzanweisungen zurück, die eine maximale Laufzeit von zwölf Monaten aufweisen.

Zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass die Euro-Hilfskredite für Griechenland, Irland und Portugal aller Voraussicht nach nicht ausreichen werden, um den drei Staaten einen Neustart zu ermöglichen. Am Ende werden die Gläubiger dieser Länder Einbußen hinnehmen müssen – mindestens in Form ermäßigter Zinsen und längerer Laufzeiten für Staatspapiere. Die politische Elite der Euro-Zone könnte das problemlos eingestehen, wenn sie ihre Banken gegen Ausfallrisiken abgesichert hätte. Doch über der Situation des europäischen Bankensektors liegt immer noch ein politischer Schleier.

Warum musste Portugal jetzt den Antrag auf internationale Finanzhilfe stellen? Nach einer Reihe von Herabstufungen der Kreditwürdigkeit war die Emission von Schatzanweisungen mit sechs und zwölf Monaten Laufzeit für die staatliche Finanzagentur zuletzt zu einer teuren Angelegenheit geworden. Für die Papiere im Gesamtvolumen von einer Mrd. Euro zahlte Portugal Durchschnittsrenditen von 5,9%. Das ist mehr, als Deutschland für Obligationen mit 30 Jahren Laufzeit (3,9%) aufwenden muss. Noch Mitte März hatte die Rendite für die Plazierung der einjährigen Titel bei 4,3% gelegen. Laut vielen Analytikern ist bei diesen Zinssätzen keine solide Haushaltspolitik mehr möglich.

Die Rating-Agentur Moody's hatte die Bonitätsnoten für sieben portugiesische Banken gesenkt und dies unter anderem mit der schwächelnden Finanzkraft des Staates begründet. Standard & Poor's und Fitch folgten dieser Herabstufung. Die so massiv unter Druck gesetzten portugiesischen Großbanken forderten die Regierung auf, bei der EU-Kommission schnellstmöglich einen kurzfristigen Kredit zu beantragen. In portugiesischen Medien hieß es, die Banken seien nicht mehr bereit, Schuldtitel des Staates zu kaufen. Die Macht des Finanzkapitals ist hier wiederum deutlich sichtbar geworden.

Portugal hat nun einen Antrag auf europäische Hilfe in Höhe von ca. 80 Mrd. Euro gestellt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) soll etwa ein Drittel der Portugal-Hilfen übernehmen. Die restlichen zwei Drittel, also etwa 54 Mrd. Euro, werden von den Europäern getragen.

Hilfe gibt es jedoch nur, wenn ein Sparprogramm dazu führt, dass die bereits vereinbarten Zielmarken bei der Defizitquote von maximal 4,6% im nächsten und 2% im übernächsten Jahr auch wirklich erreicht werden. Außerdem soll Portugal Reformen vor allem auf dem Arbeitsmarkt einleiten. Die Regierung soll zudem ein »ambitioniertes Privatisierungsprogramm« erarbeiten. Aus dem Erlös des Verkaufs von Staatsbesitz soll der Schuldenstand verringert werden. Letzte unmissverständliche Vorgabe: Die Bankenlandschaft muss umgebaut werden. Ein Teil des Geldes aus dem Euro-Rettungsschirmes wird direkt in die Stützung dieses Sektors gehen. Mitte Mai will die Euro-Gruppe das bis dahin ausgearbeitete Reformprogramm absegnen. Dass trotz der drastischen Maßnahmen die wirtschaftliche und soziale Stellung der portugiesischen BürgerInnen gewahrt werden soll, wird politische Lyrik bleiben.

Die Ansteckungsgefahr ist geringer geworden, verkündet Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble – ein feiner Unterschied: nicht gebannt, sondern geringer geworden. EU-Kommissar Olli Rehn ergänzt den vordergründigen Optimismus: »Ich bin überzeugt, dass Spanien keine Finanzhilfe Europas braucht«. Rehn trat auch entschieden der Spekulation entgegen, dass Griechenland trotz des 2010 vereinbarten 110-Milliarden-Euro-Hilfspaketes nicht ohne einen Schuldenschnitt auskommen werde. Glaubwürdigkeit haben diese Verniedlichungsversuche nicht. Seit einem Jahr wird die europäische Politik von den Finanzmärkten getrieben und den kurzatmigen Entspannungsübungen vertraut ein Großtel der Bevölkerung nicht mehr.

Durch diese Entwicklungen werden rechtspopulistische Stimmungen und politische Aktionen befördert. Die FPÖ in Österreich intoniert die Grundmelodie: »Unsere Regierung führt die Österreicherinnen und Österreicher in eine Schuldenkatastrophe, die letztlich in eine Massenenteignung mündet«, sagt deren Parteivorsitzender Strache. An Portugals Pleite hätten die Landespolitiker wegen erwiesener Unfähigkeit Verantwortung zu übernehmen. »Jedes Versprechen wird doch gebrochen, so wie auch jene Klausel, die den finanziellen Beistand unter EU-Partnern verboten hat, einfach vom Tisch gewischt wurde von den Regierungschefs.« Der FPÖ-Obmann fordert daher innerhalb der EU endlich Lösungen von dauerhaftem Bestand: »Das kann nur eine Teilung der Währungsunion in den wirtschaftlich stärkeren und den wirtschaftlich schwächeren Teil sein. Wie kommen die Österreicher, aber auch die Deutschen oder Niederländer dazu, dauernd die Zeche der südlichen Euro-Länder zu bezahlen?«

Immerhin, es gibt auch Lichtblicke: In einer von der Bild-Zeitung in Auftrag gegebenen Meinungsbefragung befürworten 50% EU-Hilfen für Portugal, 45% lehnen sie ab. Eine Mehrheit der Deutschen mache sich Sorgen um die Stabilität des Euro. Bei 20% seien diese Sorgen »sehr groß«, bei weiteren 38% »eher groß«.

Zurück