4. Januar 2017 Joachim Bischoff

Portugal: Sozialistische Minderheitsregierung auf Erfolgskurs

Portugal wird seit über einem Jahr von einer sozialistischen Minderheitsregierung, die von zwei kommunistischen Parteien gestützt wird, durch die schwierige Wirtschaftslage gesteuert. Die Alternative – eine Übergangsregierung bis zu Neuwahlen frühestens im April 2016 – hätte Portugal noch stärker destabilisiert. Es wäre in einer solchen Konstellation nahezu unmöglich gewesen, einen Haushalt für 2016 zu verabschieden.

Von vielen Beobachtern wurde die Wahrscheinlichkeit, dass diese linke Regierung eine volle Legislaturperiode durchhält, als äußerst gering eingeschätzt. Zu groß seien die Unterschiede zwischen den Kommunisten und dem Linksblock, die im Wahlkampf noch den Austritt Portugals aus der Nato, dem Euro und der EU gefordert hatten. Jetzt präsentiert sich diese politische Formation als Erfolgsgeschichte.

Das erste Halbjahr 2016 sah in der Tat nicht gut aus: Die Jahresrate des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts (BIP) fiel auf 1,0% nach 1,5% in 2015. Um die Prognose von 1,8 Prozent zu erreichen, musste das portugiesische Wirtschaftswachstum im zweiten Halbjahr auf 2,6% steigen. Dies wurde der Regierung nicht zugetraut.

Im September erwartete der Internationale Währungsfonds (IWF) für 2016 weiterhin ein BIP-Wachstum von nur 1,0%. Anfang Dezember verbesserte er seine Prognose auf 1,3% und überbot sogar die Regierung, die nur 1,2% einkalkuliert hatte. Der IWF sei »positiv überrascht«, freute sich Ministerpräsident António Costa, dessen Regierung von der harten Austeritätspolitik abgerückt ist, um die Wirtschaft mit einer höheren Inlandsnachfrage zu beleben. Noch zu Jahresbeginn sei der IWF skeptisch gewesen, merkte Costa an.

Die Überraschung steigerte sich, weil Portugal vorfristig einen Teil seiner Schulden tilgte. Portugal ist für viele noch immer ein Sorgenkind der Europäischen Union. So wie Griechenland, Spanien und Irland hatte auch Portugal den Euro-Rettungsschirm in Anspruch genommen. Seitdem zahlen die Portugiesen ihre Hilfskredite langsam wieder zurück. Im November überwiesen sie eine Kredittranche an den IWF, die eigentlich erst Anfang 2019 fällig gewesen wäre (siehe unten stehende Grafik, in der die jährlich zu leistenden Schuldentilgungen und Zinszahlungen dargestellt sind).

 

Was ist geschehen? Im dritten Quartal hat die Wirtschaft unerwartet stark zugelegt, nämlich um 1,6% gegenüber dem Vorjahr. Also habe sich der kurzfristige Ausblick verbessert, urteilt der Fonds, der prompt seine Prognose für die Arbeitslosenquote 2017 von vorher 11,3% auf 10,6% korrigierte. Getragen wird das BIP-Wachstum indes nicht nur von der inländischen Nachfrage, sondern auch von den Warenexporten und vom Tourismus. Wenigstens kurzfristig hat die linke Minderheitsregierung nicht ins Chaos geführt.

Es ist nicht überraschend, dass der Währungsfonds weiterhin große Bedenken hinsichtlich der Entwicklung in Portugal hat. Eine Senkung des Defizits auf 1,6% im Jahr 2017 erfordere eine »zusätzliche strukturelle Anstrengung« von 0,4% des BIP, fordert er. Eine Konsolidierung mit dauerhaften Effekten bei den Ausgaben käme dem Wachstum mehr zugute als die (2016 praktizierte) Komprimierung der staatlichen Investitionen. Und als Probleme bleiben die hohen öffentlichen und privaten Schulden wie auch die Schwäche des Bankensektors. Angesichts dieser Schwierigkeiten kann keiner Regierung wohl sein – auch wenn der IWF kurzfristig weniger (dunkle) Wolken sieht.

Für 2016 erwartet der IWF ein Haushaltsdefizit von 2,6% des BIP, während die Regierung nur 2,4% veranschlagt. Für 2017 rechnet der Fonds mit 2,1%, die Regierung hingegen mit 1,6%. Und doch ist der IWF viel zuversichtlicher als im September, als er für 2016 und 2017 noch Defizite von 3,0% prognostizierte.

Der portugiesische Staat erzielt zum Jahresende einen außerordentlichen Erlös von 511 Mio. Euro, fast 0,3% des BIP, dank eines befristeten »Friedensangebotes« an säumige Steuerschuldner. Wie das Ministerium für Finanzen Mitte Dezember mitteilte, nutzten rund 93.000 BürgerInnen und Unternehmen mit Außenständen von insgesamt 1,14 Mrd. Euro dieses im Oktober lancierte Angebot, das es ihnen ermöglichte, bei Erlass der Verzugszinsen und verringerten Verfahrenskosten, ihre Schulden auf einen Schlag oder in Raten zu zahlen. 60% der NutzerInnen dieses Angebots entschieden sich für die Ratenzahlung, sodass auch in den folgenden Jahren ein Erlös anfällt. Der in diesem Jahr erzielte Erlös hilft beim Abbau des Haushaltsdefizits 2016, von dem Ministerpräsident António Costa kürzlich gesagt hat, dass es »bequem« unter der von der EU gesteckten Marke von 2,5% des BIP liegen werde.

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