6. August 2017 Joachim Bischoff: Der US-Präsident auf Urlaub

Trump erholt sich vom politischen Establishment

Im amerikanischen Senat ist auch der dritte Anlauf für die Abschaffung der Krankenversicherung »Obamacare« gescheitert. Mit 55 zu 45 Stimmen lehnte der Senat einen Gesetzentwurf ab, der große Teile der von Barack Obama auf den Weg gebrachten Gesundheitsreform für die USA beseitigt hätte.

Neben allen 48 Demokraten stimmten auch drei Republikaner dagegen. Der Widerstand in den eigenen Reihen war zu groß. Der amerikanische Präsident, Donald Trump, griff die Senatorin Lisa Murkowski danach hart an, die als Republikanerin gegen das Vorhaben gestimmt hatte. Er warf ihr vor, die Republikaner und das Land im Stich gelassen zu haben.

Nach dem erneuten Scheitern der Reform der Krankenversicherung herrscht bei den Republikanern Ratlosigkeit. Mehrheitsführer Mitch McConnell zeigte sich enttäuscht und ratlos, wie es weitergehen könnte. Trump warf in seiner unnachahmlichen Art den drei Republikanern und den 48 Demokraten, die gegen den Entwurf stimmten, vor, sie verweigerten eine Lösung für Amerika.

Fakt ist: Die politische Bilanz für den 45. Präsidenten der USA ist desaströs. Denn sechs Monate nach seinem Amtsantritt hat er keinerlei legislative Erfolge vorzuweisen. Stattdessen werden die Schlagzeilen von immer neuen Skandalen in der Russland-Affäre dominiert. Außerdem ist offensichtlich, dass die Führung der Administration durch das Weiße Haus nicht erfolgreich ist. Trump hat sowohl das Amt des Kommunikationschefs als auch den Schlüsselposten des Stabschefs neu besetzt, damit will er in der Zentrale einen Neuanfang eröffnen.

Der US-Präsident geht die nächsten Wochen in Urlaub. Seine Popularitätswerte sind für ihn wenig ermutigend. Bis Anfang September ruhen die Geschäfte im Weißen Haus, im Repräsentantenhaus und im Senat. Damit geht eine wenig überzeugende erste Regierungsphase zu Ende: Obwohl die Republikaner das Weiße Haus kontrollieren und die Mehrheit im Kongress haben, haben sie in gut sechs Monaten seit Trumps Amtsantritt keines ihrer Wahlversprechen umsetzen können.

Eine Folge davon ist, dass kein anderer amerikanischer Präsident der jüngeren Geschichte von den BürgerInnen so kontrovers beurteilt wurde wie Donald Trump. Die Demokraten lehnen ihn praktisch einhellig ab, die Republikaner stehen noch weitgehend hinter ihm. Entsprechend kam der Präsident laut Gallup in der letzten Juliwoche unter Demokraten nur auf eine Zustimmungsrate von 7%, bei Republikanern hingegen auf eine von 82%. Im Durchschnitt betrug die Kluft zwischen den beiden Lagern seit Trumps Amtsantritt 77 Prozentpunkte, ein ungewöhnlich hoher Wert. Er ist ein Hinweis auf die enorme parteipolitische Polarisierung im Lande. Diese war im vergangenen Jahrhundert längst nicht so ausgeprägt wie heute.

Einen neuen Tiefpunkt hat mittlerweile auch Trumps Zustimmungsrate erreicht: Gerade noch 37% der AmerikanerInnen finden, dass der Präsident einen guten Job macht. Kein anderer Präsident in der Nachkriegszeit war nach den ersten sechs Monaten seiner ersten Amtszeit so unbeliebt wie Trump.

Es handelt sich bei dem Verfall der Popularitätswerte um eine langsame Erosion seines Rückhalts in der Bevölkerung. Über wirklich große Popularität verfügte Trump nie. Bereits in seiner ersten Amtswoche stieg der Anteil jener, die seine Amtsführung ablehnten, laut Gallup über die Marke von 50%. Seither hat sich dieser Anteil innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite langsam erhöht, bis er nun die Nähe der 60-Prozent-Marke erreicht.

Trotz der schlechten Umfragewerte gibt es für Trump keinen Handlungsdruck. Er muss sich erst 2020 einer Wiederwahl stellen. Auch bis zu den Kongresswahlen, die zu einem Referendum über seine Amtsführung werden könnten, dauert es noch 15 Monate. Gleichwohl: Die Tatsache, dass auch die große Gruppe der Parteiunabhängigen mit einer Zustimmungsrate von nur 32% größtenteils in Opposition zu ihm steht, bedeutet, dass er ohne einen stärkeren Rückhalt aus diesem Bevölkerungsteil nur geringe Chancen für eine zweite Amtsperiode hat.

Überwiegend positiv sind weiterhin die Meldungen aus der Wirtschaft. Im Juli sind weit mehr Jobs entstanden als erwartet. Firmen und Staat stellten zusammen 209.000 neue MitarbeiterInnen ein. Die neuen Job-Zahlen dürften den Befürwortern einer weiteren Leitzinsanhebung Auftrieb geben. Denn der Stellenaufbau ist weit stärker als nötig wäre, um mit dem Bevölkerungswachstum in den Vereinigten Staaten Schritt zu halten: Dafür genügen laut Experten 75.000 bis 100.000 neue Stellen pro Monat.

Dagegen hat sich das US-Handelsdefizit im ersten Halbjahr ausgeweitet. Die Importe übertrafen die Exporte um fast 277 Mrd. US-Dollar. Das sind rund 27 Mrd. US-Dollar mehr als ein Jahr zuvor. Präsident Trump wirft wichtigen Handelspartnern wie China und Deutschland vor, sich mit unfairen Praktiken Vorteile im internationalen Wettbewerb zu erschleichen. Er hat deshalb wiederholt Strafzölle und andere Gegenmaßnahmen ins Spiel gebracht. Das Defizit im US-Handel mit China weitete sich im ersten Halbjahr dennoch um 10 Mrd. US-Dollar auf fast 171 Mrd. US-Dollar aus. Das Minus im Handel mit der Europäischen Union blieb mit fast 70 Mrd. US-Dollar nahezu unverändert. Das Defizit mit den Nachbarn Kanada und Mexiko wuchs dagegen.

Nach dem Ende der politischen Sommerpause in Washington stehen mit den Haushaltsberatungen, der Umsetzung der angekündigten Steuersenkungen und der Konkretisierung der Handelspolitik weitere gewichtige Themen auf der politischen Agenda. Es muss schon ein veritabler Neuanfang werden, will der Präsident seine desaströse Bilanz der ersten sechs Monate vergessen machen. Von den 180 Tagen im Amt, während der kein einziges Wahlversprechen und angekündigtes Gesetzesvorhaben wirklich umgesetzt wurde, hat er 40 Tage hat in Golfclubs zugebracht, um sich Ablenkung vom Chaos im Weißen Haus zu verschaffen.

Auch im amerikanischen Establishment sinkt der Respekt vor dem Präsidenten mit Risiko. Im Weißen Haus lenkt heute ein Mann in bizarrer, wirrer Manier die Geschicke der Supermacht. Politisch bleibt der Eindruck eines wenig berechenbaren Zickzackkurses und jedenfalls weit von einer strategisch orientierten und geopolitischen Linie entfernt, die für die führenden Köpfe der amerikanischen Elite nachvollziehbar wäre. Der Running Gag aus den Gängen des politischen Zentrums in Washington zeigt die verzweifelte Konstellation: »Wo ist eigentlich Lee Harvey Oswald, wenn man ihn einmal braucht?«

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