3. Januar 2014 Joachim Bischoff:

Welche Zukunft für Griechenland?

Der griechische Regierungschef Samaras verkündet optimistisch, dass sein Land im kommenden Jahr keine neuen Hilfskredite brauche. Das 240 Mrd. Euro schwere Rettungsprogramm vom EU, IWF und EZB läuft aus. 2014 rechnet Griechenlands Regierung erstmals seit Jahren wieder mit zaghaftem Wirtschaftswachstum und sinkenden Arbeitslosenzahlen.

Gegenüber dem Vorkrisenniveau vor 2008 ist die gesamtgesellschaftliche Wertschöpfung um über 25% geschrumpft. Nach fünf Jahren härtester Sparmaßnahmen verfügen die Hellenen im Durchschnitt über sage und schreibe 40% weniger Einkommen als 2008. Viele Experten gehen allerdings davon aus, dass die angeschlagene griechische Wirtschaft auch danach Unterstützung von EU und IWF braucht.

Die »Troika« von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) kehrt Mitte Januar nach Athen zurück, um ihre laufende Prüfung des Austeritätsprogramms abzuschließen. Die Euro-Staaten wollen dann die letzte Subtranche von einer Mrd. Euro aus der letzten, im Grundsatz im Sommer bewilligten Tranche vor Jahresende freigeben.

Die Auszahlung der einzelnen Subtranchen war an die Erreichung bestimmter Reformschritte geknüpft worden. Weil die Restrukturierung der Rüstungsindustrie nicht umgesetzt worden ist, wurde die Auszahlung des Teilbetrages storniert. Es geht ferner um die Auszahlung einer weiteren Hilfstranche in Höhe von 4,9 Mrd. Euro. Außerdem war nur außerhalb des Protokolls über einen weiteren Finanzbedarf im Zeitraum von 2015 bis 2018 von über 10 Mrd. Euro gesprochen worden.

Das griechische Parlament hat im Dezember 2013 einen drastischen Sparhaushalt für 2014 knapp gebilligt. Es ist der erste Haushalt seit mehreren Jahren, in dem ein leichtes Wirtschaftswachstum von rund 0,6% unterstellt wird. Das Budget sieht zusätzliche 2,6 Mrd. Euro durch Steuereinnahmen vor. Die Steuermehreinnahmen  ergeben sich aus einer Bündelung verschiedener alter Eigentumssteuern.

Mehr als 70% der griechischen Familien haben Wohneigentum, das ist eine der höchsten Raten in der EU. Doch nicht nur Wohnungen und Häuser, auch landwirtschaftlich genutzte Flächen ab tausend Quadratmetern sollen besteuert werden. Zudem sollen die Ausgaben durch Einschnitte im Gesundheitswesen und bei den Sozialversicherungen um 3,1 Mrd. Euro gesenkt werden.

2013 erwirtschaftete Athen einen Primärüberschuss (ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen) von 1,2 Mrd. Euro, vor allem dank gestiegener Einnahmen aus dem Tourismussektor. Griechenland hatte in dem Jahr einen Rekord mit mehr als 17 Mio. Besuchern verzeichnet. Zudem bezahlt Athen Experten zufolge seit Monaten nur noch die dringendsten Rechnungen.


Ein echter ausgeglichener Haushalt unter Berücksichtigung des Schuldendienstes liegt immer noch in weiter Ferne. Ein wichtiger Punkt für das Land: Kann über einen weiteren Schuldenschnitt oder eine Absenkung der Zinssätze für Altschulden die Belastung deutlich vermindert werden?

Der Präsident der Deutschen Bundesbank Jens Weidmann ist klar gegen einen erneuten Schuldenschnitt für Griechenland. Er spricht in dieser Frage für die konservativen Parteien und die Mehrheit der wirtschaftlichen Elite Deutschlands. Weidmanns These: Ein Schuldenschnitt sei »keine Lösung für die grundlegenden Probleme des Landes«. Vielmehr müsse Griechenland den schwierigen Sparkurs fortsetzen und zu Ende bringen. »Das Land muss die hausgemachten Wettbewerbsprobleme korrigieren, produktiver werden und den Staatshaushalt weiter konsolidieren«, sagte Weidmann. Hilfe von außen könne »nur Zeit kaufen, aber die unerlässlichen Reformen im Land selbst nicht ersetzen«. Weidmann warnte zugleich vor einem Wiederaufflammen der Euro-Krise, sollten die Euro-Länder den Sparkurs verlassen.

Gegenüber diesem harten Austeritätskurs urteilt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) weitaus differenzierter. Sie hat Griechenland Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung, der Realisierung struktureller Reformen und der Senkung der Lohnstückkosten attestiert. Auch die OECD sieht allerdings weiterhin beachtliche Risiken auf dem Weg zu einer substanziellen Erholung. Es sei durchaus möglich, dass Griechenland weitere finanzielle Unterstützung, also neue Kredite, benötige.

Die OECD konstatiert, im fiskalischen Bereich habe eine für ihre Standards rekordverdächtige Anpassung stattgefunden, wobei Reformen bei der Sozialversicherung und Gesundheitsversorgung zur Tragbarkeit der Staatsverschuldung beigetragen hätten. Obwohl das mit der Troika vereinbarte Programm zu Arbeitsmarktreformen geführt und die Lohnstückkosten um 12% gesenkt habe, sei die Konjunktur keineswegs stabilisiert. Die OECD fordert daher zu Recht den Übergang zu Strategien, die das Wachstum beleben und die sozialen Kosten des Anpassungsprogramms begrenzen.

Die Organisation geht davon aus, dass die Wirtschaft 2013 um 3,5% des Bruttoinlandproduktes (BIP) geschrumpft ist. Außerdem rechnet sie für das Jahr 2014 mit einer Fortsetzung der Rezession. Das griechische BIP soll um 0,4% schrumpfen. Athen und die EU-Kommission gehen für 2014 von einem leichten Wachstum (0,6% des BIP) aus. Die OECD rechnet damit, dass der private Konsum (-2,4% im Jahre 2014) deutlicher abnehmen wird als von der Regierung (-1,6%) angenommen. Laut Bericht werden auch im Jahr 2014 die Löhne zurückgehen, was zusammen mit den Preisverzerrungen an den Produktmärkten das verfügbare Einkommen der Haushalte und indirekt die Inlandsnachfrage belastet.

Die OECD-Experten gehen davon aus, dass die griechischen Exporte im Jahr 2014 mit 6,6% deutlich stärker als in den Jahren zuvor steigen werden. Allerdings stellen sie auch fest, dass Griechenland bisher seine Ausfuhren nicht im selben Umfang wie etwa Irland und Portugal steigern konnte. Sie listen eine ganze Reihe von Empfehlungen  auf, um künftig auf einen soliden Wachstumspfad zu kommen. Dazu zählen spürbare Schritte zur Verbesserung der Effektivität in der Verwaltung. In diesem Rahmen sei beispielsweise die Aufhebung der Unkündbarkeit bei Beamten und die Beschleunigung juristischer Verfahren wichtig.

Die Vereinfachung des Steuersystems und die entschlossene Bekämpfung der Steuerhinterziehung sollen dagegen zu steigenden Einnahmen führen. Dieses eher neoliberal geprägte Konzept sieht auch eine Beschleunigung der Privatisierungen vor. Die Privatisierung sei neben vielen anderen Schritten der Weg, Markteintrittsbarrieren zu beseitigen und eine Intensivierung des Wettbewerbs zu erzwingen.

Im Unterschied zu den Verfechtern einer harten Austeritätspolitik von Bundesbank und konservativen Politikern setzt sich die OECD für eine begrenzte finanzielle Unterstützung im Sanierungsprogramm und für eine Begrenzung der Abwälzung der Krisenlasten auf die breite Bevölkerungsmehrheit ein. Begründet wird diese modifizierte Austeritätspolitik mit der Furcht vor unkalkulierbaren politischen Folgen. Außerdem müsse man gegenüber den Fortschritten der »inneren Abwertung« skeptisch sein. Die Wettbewerbsfähigkeit sei noch keineswegs wiederhergestellt.

So gehen die inzwischen ausgewiesenen Senkungen der Lohnstückkosten hauptsächlich auf die Entlassung der unproduktivsten Arbeitskräfte zurück, nicht auf echte Produktivitätssteigerungen. Auch hinter den rückläufigen Leistungsbilanzdefiziten stehen zum guten Teil rezessionsbedingte Importrückgänge und weniger eine Erstarkung der Exportwirtschaft. Vor allem gäbe es keine Entspannung an der Schuldenfront. Griechenland werde zweifellos einen neuen Schuldenschnitt benötigen, weil die Zinslasten mittelfristig eine zu starke Belastung für die geschrumpfte Ökonomie darstellten.

Die Alternative zu diesen neoliberalen Schrumpfungsprogrammen ist eindeutig: Es genügt nicht, Griechenland durch einen rigiden Sparkurs ökonomisch weiter zu schädigen. Durch Schrumpfungsreformen wird das Land nicht wettbewerbsfähiger werden. Vielmehr braucht Griechenland parallel zum Sanierungsprozess eine konsistente Wachstumsstrategie. Mit zusätzlichen Finanzmitteln gilt es, eine schlüssige Innovationspolitik, eine Erneuerung der Wirtschaftsstruktur und einen Ausbau regionaler Innovationssysteme zu gestalten.

Es wird immer deutlicher, dass parallel zu den Spar- und Reformansätzen ein Investitionsprogramm gefahren werden muss, das Griechenland auf einen Wachstumspfad führen kann. Ohne ein solches Investitionsprogramm wird es dauerhaft ökonomische Probleme geben. Die Konzentration auf die Wachstumsbranchen Tourismus und Landwirtschaft reichen nicht aus, um das Land auf einen nachhaltigen, sich selbstragenden Wirtschaftsprozess zu bringen.

Nach einer Schrumpfung von über 25% ist es unverzichtbar dem Land bei der Entwicklung eines modernen Wertschöpfungsprozesses zu helfen, mit es innerhalb der Wirtschaftsstruktur Europas und der Globalökonomie eine Chance hat. Es muss um eine Wirtschaftsstruktur gehen, die neben Sonne, Hotelbetten und moderner Agrikultur auch noch andere starke Segmente einer Ökonomie aufweist.

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