25. Juli 2017 Joachim Bischoff: Die wirtschaftspolitischen Parameter des US-Präsidenten

Woran könnte Trump scheitern?

Präsident Trump schimpft über die Parteilichkeit des politischen Establishments in Washington. Er sieht sich und Teile seines Familienclans durch die Russland-Affäre belagert. »Warum gehen die Ausschüsse und Ermittler – und natürlich unser angeschlagener Justizminister – nicht den Verbrechen und Russland-Verbindung der betrügerischen Hillary nach?«

Der Präsident trägt dem noch amtierenden Justizsenator Jeff Sessions nach, dass dieser sich wegen Befangenheit aus den Ermittlungen wegen einer möglichen russischen Wahlbeeinflussung zurückgezogen hat.

Donald Trump ist jetzt ein halbes Jahr im Amt und verstrickt sich immer tiefer in die Russlandaffäre. Sein wichtigster politischer Erfolg ist die Ernennung des konservativen Juristen, Neil Gorsuch, zum obersten Richter. Der Versuch, zusammen mit der Republikanischen Partei Obamas Gesundheitsreform (Obamacare) auszuhebeln, ist mehrfach an der Zerrissenheit der Republikaner gescheitert.

Erfolgreich hat Trump etliche umweltpolitische Regulierungen seines Vorgängers rückgängig gemacht. Ansonsten kann er wenig vorweisen. Der TV-Sender CNN hat ausgerechnet, dass Trump seit seinem Antritt im Januar 991 Tweets verschickt, an 40 Tagen Golf gespielt und 21 der 26 Wochenenden auf Grundstücken seiner Immobiliengruppe verbracht hat. Der selbst ernannte Dealmaker ist bislang durch Dutzende Dekrete in Erscheinung getreten, dessen praktische Umsetzung überwiegend noch aussteht.

Mit großspurigen Versprechen hat der Präsident Erwartungen geweckt: 4% jährlich werde die US-Wirtschaft während seiner Amtszeit wachsen, verkündete der Republikaner zu Jahresbeginn.[1] Seine Reformen – im Steuerbereich, in der Handels- und Energiepolitik sowie der De-Regulierung im Finanzbereich – würden in den kommenden zehn Jahren zu einem jährlichen Wirtschaftswachstum von 3,5% und 25 Mio. neuen Jobs führen, behauptete Trump, selbst 4% Wirtschaftswachstum seien möglich.

Die Wirklichkeit sieht anders aus: Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Wirtschaftsprognose für die Weltwirtschaft und die Hauptländer wie USA aktualisiert. Die Zuwachsrate soll 3,5% im Jahr 2017 und 3,6% im Jahr darauf betragen. Die Fortsetzung der zyklischen Erholung gilt für die Schwellenländer wie Brasilien, China und Mexiko, aber auch für zahlreiche Industrieländer, zu denen Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Kanada gehören.

Die Vereinigten Staaten weichem vom allgemeinen Trend ab, für die die Vorhersage von einer Wachstumsrate für 2017 auf 2,1% revidiert wurde. Dazu trug nicht nur die schwache Entwicklung im ersten Quartal bei, sondern mehr noch die Annahme, dass die Fiskalpolitik wahrscheinlich weniger expansiv sein wird, als zunächst erwartet worden war. Damit stellt sich die Frage, ob Trump die Revitalisierung der US-Ökonomie als Grundlage der Strategie »America first« gelingt.


US-Konjunkturlokomotive ohne Zugkraft

Die amerikanische Wirtschaft hatte sich rascher von der schweren Finanzkrise und Rezession der Jahre 2008/09 als andere Industrieländer erholt. Allerdings ist das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre von durchschnittlich etwa 2% im internationalen Vergleich überdurchschnittlich, aber deutlich unter dem Vorkrisenniveau.

Die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie seit 16 Jahren nicht mehr. Die gegenwärtige konjunkturelle Aufwärtsbewegung ist eine der längsten der US-Wirtschaftsgeschichte. Sie ist aber auch eine der schwächsten. Viele amerikanische Familien haben finanziell zu kämpfen, anständig bezahlte Jobs für Gering- und Mittelqualifizierte werden immer rarer, die Ungleichheit nimmt zu.

Der Strukturwandel, getrieben vor allem durch die Automatisierung, hat in der produzierenden Industrie viele Arbeitsplätze gekostet. Mit den neuen Anforderungen und den bescheidenen Löhnen kommen nicht alle zurecht. Die Finanzkrise und die damit einhergehende Rezession sind nicht Ursache dieser Entwicklung, aber Trump wollte die wirtschaftspolitische Schwäche von Präsident Obama wettmachen.

Zehn Jahre liegt die Finanzkrise zurück. Ausgelöst wurde sie damals von der hohen Verschuldung von Kreditnehmern mit geringer Bonität bei amerikanischen Banken. Mit großen Volumina an zweitklassigen Hypotheken finanzierten die Finanzhäuser Liegenschaftskäufe von Leuten, die solche Kredite nie hätten bekommen dürfen – bis die Immobilienblase platzte und sich die Krise über die ganze Welt ausbreitete.

Aktuell ist die Verschuldung der amerikanischen Haushalte erneut beunruhigend, aber nicht explosiv. Diese ist im ersten Quartal auf 12,73 Bio. $ gestiegen und hat damit ihren Rekordwert aus dem dritten Quartal 2008 übertroffen. An diesen Schulden haben Immobilienkredite einen Anteil von 71,4%, Studentenkredite machen 10,6%, Autokredite 9,2% und Kreditkartenschulden 6% dieser Schulden aus.

Studenten- und Autokredite gehören zu den größten Risikobereichen. Der Bestand an Autokrediten lag am Ende des ersten Quartals 2017 in den USA bei 1,12 Bio. $, was einem Plus von 60% seit dem Tief im Jahr 2010 gleichkommt. Stark gestiegen ist auch das Volumen der Studentenkredite, es hat sich in den vergangenen zehn Jahren etwa verdreifacht. Die Sparquote der privaten Haushalte in den USA ist in den letzten Jahren wieder zurückgegangen. Gleichwohl ist die Verschuldungsdynamik der privaten Haushalte im laufenden Wirtschaftszyklus zurückhaltend.

Trump wollte die US-Wirtschaft durch faire Handelspraktiken, Steuersenkungen und massive Infrastruktur-Investitionen wieder auf Touren bringen. Seine Anhänger rechnen weiter damit, dass er einen Sparhaushalt für 2018 durch den Kongress bringt und spätestens im ersten Quartal 2018 ein Steuersenkungsgesetz unterzeichnen kann.

Faktisch ist die US-Wirtschaft nicht zum früheren Expansionstempo zurückgekehrt. Zwischen Januar und März stieg das Bruttoinlandprodukt (BIP) mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von 0,7%. Dies bestätigt die Skeptiker: Der im Prinzip seit der letzten Rezession 2009 laufende Aufschwung in den USA dauert historisch gesehen schon relativ lange. Es wäre erstaunlich, wenn er nochmals vier Jahre anhalten würde.

Sowohl aus konjunktureller Sicht als auch mit Blick auf den amerikanischen Aktienmarkt scheint Trump seine Präsidentschaft in der Nähe eines zyklischen Hochs angetreten zu haben. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass er im Laufe seiner Amtszeit einen Konjunkturabschwung bewältigen müsste. Gegenwärtig sieht es jedenfalls nicht danach aus, als könnte Trump die bisherigen Wirtschaftsleistungen in seiner Amtzeit übertreffen. Mit seiner Außenhandelspolitik sorgt der US-Präsident zudem für politische Unruhe.


Was bringt die Handelspolitik?

Trump ist angetreten, um die guten alten Zeiten zurückzubringen und das Ausbluten Amerikas zu stoppen. Bessere Handelsabkommen sollen mehr Schutz vor ausländischer Konkurrenz bieten, wer in den USA Geschäfte machen will, soll auch dort produzieren. Der Präsident betont bei öffentlichen Auftritten, dass er wegen seiner Kritik am Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (Nafta) und an der geplanten Transpazifischen Partnerschaft (TPP) gewählt worden sei. Er sei deshalb seinen Wählern in der Handelspolitik etwas schuldig.

Im Januar wies Trump das Büro des US-Handelsbeauftragten an, die USA von dem fertig ausgehandelten, aber noch nicht ratifizierten Abkommen mit elf Pazifikanrainerstaaten zurückzuziehen. TPP war nicht nur einer der Pfeiler von Obamas Zuwendung nach Asien und eine Antwort auf Chinas wachsenden Einfluss in der Region, sondern hätte auch das 1994 in Kraft getretene Nordamerikanische Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko auf eine neue, moderne Basis gestellt. Unmittelbar hatte dieser Entscheid freilich keine Folgen, Trump konnte mit dem Rückzug jedoch eines seiner Wahlversprechen rasch erfüllen.

Weitere präsidiale Dekrete und Anordnungen folgten, die auf eine Änderung in der US-Handelspolitik abzielen und mit der Gefahr einer protektionistischen Grundtendenz verbunden sind. Im Zusammenhang mit der Deblockierung der Pipeline-Projekte Keystone XL und Dakota Access wies Trump das Handelsministerium an, einen Plan zu entwickeln, nach dem künftig bei Bau, Umrüstung, Reparatur und Ausbau von Pipelines innerhalb der USA zwingend amerikanische Materialien zu verwenden sind.

Ende März forderte Trump einen Bericht über die Ursachen bedeutender bilateraler US-Handelsdefizite an (Omnibus Report on Significant Trade Deficits). Und er erteilte die Weisung an das Ministerium für Inlandsicherheit, dem die Zoll- und Grenzschutzbehörde CBP unterstellt ist, an, das Einziehen von Antidumping- und Ausgleichszöllen konsequent durchzusetzen und innerhalb von 90 Tagen einen Plan zu erarbeiten, wie die Umgehung solcher Zölle durch Importeure bzw. ausländische Lieferanten zu verhindern sei.

Im April wurde das Präsidialdekret zu »Buy American and Hire American« erlassen. Damit wurde die Bundesverwaltung angewiesen, im Rahmen der geltenden Gesetze bei öffentlichen Beschaffungen Güter, Produkte und Materialien aus den USA zu bevorzugen. Dem Präsidenten ist zudem Bericht zu erstatten, wie der Buy American-Gesetzgebung Nachdruck verschafft werden kann. Gleichzeitig wurde die strikte Einhaltung derjenigen Gesetze verlangt, welche die Anstellung ausländischer Arbeitskräfte regulieren.

In diese Logik passt eine weitere Anweisung Trumps von Ende April, mit der er eine Untersuchung zu Stahlimporten anordnete. Die Sektion 232 im US-Handelsförderungsgesetz von 1962 erlaubt Untersuchungen darüber, ob Importe die nationale Sicherheit gefährden. Das US-Handelsministerium soll Überkapazitäten, Dumping und illegale ausländische Subventionen untersuchen.

Es hat zu entscheiden, ob Stahlimporte eine Bedrohung für die wirtschaftliche Sicherheit und die militärische Bereitschaft der USA darstellen. Schließlich muss es dem Präsidenten erforderliche Gegenmaßnahmen in Form von Zöllen, Importbeschränkungen oder einer Kombination davon vorschlagen. Die Untersuchung wird damit begründet, dass die amerikanische Stahlindustrie seit Jahren zu kämpfen habe und die Beschäftigung laufend abnehme.

Ende April folgte ein weiterer Ausbau dieser Politik: Per Dekret schuf Trump einerseits das Büro für Handels- und Industriepolitik im Weißen Haus. Dessen Auftrag besteht darin, »den US-Arbeiter und die produzierende Industrie zu verteidigen« und den Präsidenten über Maßnahmen zu beraten, die das Wirtschaftswachstum erhöhen, das Handelsdefizit reduzieren und die amerikanische Produktions- und Rüstungsindustrie stärken.

Dem Büro steht Peter Navarro vor, ein überzeugter Protektionist und China-Kritiker. Weiter ordnete Trump an, sämtliche von den USA abgeschlossenen Handels- und Investitionsabkommen einer Überprüfung zu unterziehen und innerhalb von 180 Tagen einen Bericht über Verletzungen, Missbräuche und Gegenmaßnahmen zu erstellen.


Das Nafta-Abkommen

Das Nafta trat 1994 in Kraft. Es zählt zu den erfolgreichen Abkommen und schuf mit den USA, Kanada und Mexiko einen Wirtschaftsraum mit fast 480 Millionen Konsumenten und einem 14%-Anteil am Welthandel. Die Umsetzung des Abkommens in Etappen hat dazu geführt, dass seit 2008 im nordamerikanischen Raum die meisten Güter zollfrei die Grenzen passieren.

Im Zuge dessen haben sich die jährlichen US-Güterexporte nach Mexiko nominal versechsfacht, die US-Importe aus Mexiko mehr als versiebenfacht. Nicht ganz so dramatisch war die Entwicklung des Handels mit Kanada, weil schon 1988 ein bilaterales Freihandelsabkommen in Kraft getreten war.

Ohne Zweifel hat Mexiko die größten Fortschritte durch das Abkommen realisiert. Eine Aufkündigung des Abkommens hätte desaströse Folgen für die Wirtschaft und die politische Stabilität des Schwellenlandes. Dank der geografischen Nähe zu den USA, den vergleichsweise niedrigen Löhnen und dem zollfreien Verschieben von Halbfertigfabrikaten und Endprodukten über die Landesgrenzen hinweg entstand in Mexiko durch das Nafta eine attraktive industrielle Basis.

Eine Steigerung der Exporte Mexikos in die USA ist die Konsequenz der grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten. Ihr Wert betrug 1994 rund 52 Mrd. $. Heute sind es 300 Mrd., was 80% aller Ausfuhren des Landes entspricht. Der Erfolg an der Außenhandelsfront beschert Mexiko gegenüber den USA regelmäßig einen Überschuss in der Handelsbilanz. Letztes Jahr lag dieser bei über 60 Mrd. $, so hoch wie nie seit fünf Jahren. Für die USA ist Mexiko der zweitwichtigste Exportmarkt. Donald Trump stören die Handelsbilanzdefizite mit anderen Ländern, insbesondere jene mit China und Mexiko.

Seit dem Inkrafttreten des Nafta seien die Industrie des Landes dezimiert, unzählige Fabriken geschlossen worden und viele Jobs verloren gegangen, das müsse sich nun ändern. Kanada und Mexiko sind bereit, das ganze Nafta-Paket neu zu schnüren und bisher nicht berücksichtigte Aspekte in das Vertragswerk zu integrieren. Als Vorbild dient der von Trump gekündigte TPP-Vertrag. Insgesamt stehen die Chancen, dass sich in den Neuverhandlungen alle Seiten einigen können, nicht schlecht.

Während der ganzen Präsidentschaftskampagne und der ersten Monate seiner Amtszeit hatte Trump über das Nafta hergezogen und mit dessen Aufkündigung gedroht. Am 18. Mai 2017 schließlich setzte die US-Regierung den Kongress formell über ihre Absicht in Kenntnis, das Nafta neu zu verhandeln. Damit wurde eine 90-tägige Konsultationsfrist aktiviert, bevor die Verhandlungen beginnen können. Der frühestmögliche Zeitpunkt ist der 16. August.

Im Sog des Nafta-Konfliktes sind einige seit langem schwelende Handelskonflikte wieder intensiviert worden. Am 24. April kündigte der amerikanische Handelsminister Wilbur Ross Ausgleichszölle gegenüber Kanada wegen angeblich subventionierter Weichholzlieferungen an. Auch die kanadische Milchwirtschaftspolitik ist strittig und das US Handelsministerium hat eine Untersuchung gegen Kanada wegen möglichen Dumpings und Subventionierung bei Bombardier-Passagierflugzeugen aufgelegt. Auch der Zuckerstreit mit Mexiko wurde durch Untersuchungen aktualisiert. Anfang Juni kündigten Ross und Mexikos Handelsminister Ildefonso Guajardo den Durchbruch an, wobei Ross frohlockte, Mexiko habe praktisch allen Forderungen Amerikas nachgegeben.

Mexiko würde neuerlichen Handelsbarrieren in Nordamerika wohl nicht zustimmen. Käme es in den Verhandlungen zu keiner Einigung über »Nafta plus«, müssten beide Länder ihren Verpflichtungen unter dem WTO-Abkommen nachkommen und die Meistbegünstigungsklausel anwenden. Mexikos Meistbegünstigten-Zoll betrug 2014 über alle Sektoren hinweg durchschnittlich 8%. Das wäre für US-Firmen eine starke Hürde gegenüber dem heutigen Nulltarif. Von einem 35%igen Zoll, wie ihn Trump auch schon angedroht hat und auf den Mexiko zweifellos reagieren würde, ganz zu schweigen.

Bei all dem Drama um die TPP, das Nafta, Trumps derbe Rhetorik und seine aktivistischen Dekrete geht unter, dass die USA seit langem und regelmäßig Importgüter untersuchen, die angeblich unfair gehandelt – also entweder zu billig verkauft (Dumping) oder von ausländischen Staaten subventioniert – werden. Denn die US-Regierung hat zudem asiatische Handelspartner im Visier und setzt auf verschiedene Instrumente gegen »unfaire« Länder.

Bislang zögerte der US-Präsident allerdings, auch China hart zu attackieren. Insofern überrascht es nicht, dass in den Streit über den vermeintlich unfairen Handel zwischen China und USA Bewegung kommt. Die Vertreter des »U.S.-China Business Leaders Summit« appellierten an ihre Regierungen, die Handelsstreitigkeiten durch Verhandlungen zügig beizulegen: »Negotiations are the best way to resolve long-standing economic disputes between the two superpowers.«

[1] Siehe hierzu ausführlicher meine Anfang August erscheinende Flugschrift Donald Trump – ein Präsident mit Risiko.

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