28. September 2023 Hilde Wagner/Gerhard Wick

4-Tage-Woche – eine neue Etappe im Kampf um Arbeitszeit?

Viele Menschen wünschen sich eine gute, erfüllende Arbeit und zugleich mehr Zeit mit ihrer Familie, mit Freundinnen und Freunden oder auch einfach nur für sich. Mehr Zeit, persönlichen Interessen und Projekten nachzugehen und sich um ihre Gesundheit zu kümmern. Zwischen diesen Wünschen und der Realität klafft in der Regel eine große Lücke.

Doch die Länge der Wochenarbeitszeit ist nicht in Stein gemeißelt, sondern seit jeher eine Verteilungs- und Machtfrage. Mit der aktuellen Diskussion über die 4-Tage-Woche und die ersten Schritte in diese Richtung könnte der historische Kampf um die Arbeitszeit und ihre Verkürzung in eine neue Etappe gehen – auch in Deutschland. Und erste Versuche zeigen: Die 4-Tage-Woche ist realisierbar und bietet viel mehr als einfach nur mehr Freizeit.

Im vergangenen Jahrzehnt standen vor allem stärker selbstbestimmte Arbeitszeiten auf der Agenda der Gewerkschaften. Es gelang, neue Regelungen mit individuellen Wahloptionen zwischen Zeit und Geld durchzusetzen. Diese erleichtern nun beispielsweise in der Metall- und Elektroindustrie die Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen und reduzieren die Belastung für Schichtbeschäftigte. Obgleich auch die Auseinandersetzungen darüber gesellschaftspolitische Dimensionen beinhalteten, wird die 4-Tage-Woche seit Wochen bereits im Vorfeld einer Tarifauseinandersetzung in ungleich höherem Maße öffentlichkeitswirksam und politisch kontrovers diskutiert. Das mag auch daran liegen, dass Pilotprojekte und erste Reformschritte im Ausland bereits deutlich gemacht haben: die Frage stellt sich nicht rein theoretisch oder in unbestimmter Zukunft, sondern ganz konkret im Hier und Jetzt. Wie Umfragen zeigen, sind auch die Beschäftigten längst bereit für die 4-Tage-Woche.

Erste konkrete Schritte

Die IG Metall geht in diesem Jahr mit der Forderung nach einer Steigerung der Monatsentgelte um 8,5% sowie der Einführung einer 32-Stunden-Woche mit vollem Entgeltausgleich – und damit einem Einstieg in die 4-Tage-Woche – in die Tarifverhandlungen der Eisen- und Stahlindustrie. Zudem sollen die Tarifverträge zur Altersteilzeit, zum Einsatz von Werkverträgen und zur Beschäftigungssicherung für die mehr als 80.000 Beschäftigten der Branche verlängert werden. Das hat die IG Metall nach entsprechenden Empfehlungen der Tarifkommissionen der nordwest- und ostdeutschen Stahlindustrie beschlossen, die Tarifverhandlungen beginnen im November.

Hilde Wagner ist Soziologin und Autorin zahlreicher Veröffentlichungen über Arbeit und Arbeitszeit sowie ehemalige Ressortleiterin in den Bereichen Tarif- und Betriebspolitik beim Vorstand der IG Metall. Gerhard Wick ist Mitglied im Forum Gewerkschaften der Zeitschrift Sozialismus.de sowie ehemaliger Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Esslingen und ehemaliger Tarifsekretär der IG Metall Bezirksleitung in Baden-Württemberg. Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine erweiterte und aktualisierte Fassung eines Artikels, der zum Thema 4-Tage-Woche vor den Beschlussfassungen der Tarifkommissionen der Stahlindustrie in JACOBIN-online (1.9.2023) erschienen ist.

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