26. Januar 2022 Heinz-J. Bontrup/Mechthild Schrooten/Carsten Sieling/Axel Troost
80 Jahre Rudolf Hickel
Rudolf Hickel stand als Wissenschaftler, als interdisziplinär denkender und arbeitender Ökonom, zeitlebens auf der Seite der nicht privilegierten, hart arbeitenden Menschen.
Er ist ein politischer und pragmatischer Wissenschaftler, keiner aus dem »Elfenbeinturm«, der die theoretische Ökonomik im klassischen Sinne als eine Politische Ökonomie versteht. Rudolf Hickel gehört dabei unbestreitbar zu den großen links-keynesianisch-marxistischen Ökonom*innen in Deutschland, ohne dabei je dogmatisch daherzukommen.
In der Festschrift »Gegen die Markt-Orthodoxie« zu seinem 60. Geburtstag schrieben 2002 die damaligen Herausgeber: »Wissenschaft und erst recht Wirtschaftswissenschaft hat er nie als politikfrei oder gar als unpolitisch verstanden. Ökonomie ist für ihn Politische Ökonomie, auch und gerade da, wo sie sich als reine Wissenschaft gibt.« Und in diesem Duktus ist er ein wissenschaftlicher »Opponent«, wie die Wirtschaftsjournalistin Petra Pinzler in einer Artikelserie mit dem Titel »Die neuen Ökonomen«, die in der Wochenzeitung Die Zeit erschien, über Rudolf Hickel schrieb.
Ja, das kann man so sagen. Dabei ist er aber immer ein verständnisvoller dialektischer Argumentationsgegner, wie wir es aus Promotionsverfahren und der dialogischen Logik kennen. Er kann jedoch, wenn es sein muss, auch vehement streiten. Insbesondere, wenn es gegen die an den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten ansässige neoliberale Mainstream-Ökonomik geht, wobei in der Ökonomenzunft die vornehme Übersetzung »Neoklassik« üblich ist, die jedoch mit ihrem Marktfundamentalismus dasselbe meint, so Rudolf Hickel. Die Neoklassik, mit ihrer »mathematischen Eleganz«, bezeichnet er zu Recht als ein, wie es im Roman von Hermann Hesse beschrieben ist, vielfältiges »Glasperlenspiel«: Es ist meistens unnütz und eignet sich allenfalls für ökonomische Ideologienbildung. Rudolf Hickel hat sich deshalb in der Ökonomen*innen-Ausbildung immer stark für eine plurale und heterodoxe Ökonomik eingesetzt, die weit über die sogenannte Neoklassik hinausreicht.
Rudolf Hickel wurde am 17. Januar 1942 inmitten des Zweiten Weltkriegs in Nürnberg geboren, wuchs dann aber in Bad Wildbad im Schwarzwald auf. Von einem Franken wurde er zu einem Baden-Württemberger. Den dort anzutreffenden Dialekt hat er nie so ganz abgelegt, selbst als Wahl-Bremer nicht, der er seit 1971 ist. Obwohl er den Krieg nicht bewusst erlebt hat, hat auch er wie Millionen anderer Menschen unter den Kriegsfolgen gelitten. Nach seinem Abitur am Wirtschaftsgymnasium in Pforzheim begann Hickel 1962 mit 20 Jahren das Studium der Volkswirtschaftslehre an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen, wo er über den Tellerrand der Wirtschaftswissenschaft hinaus Vorlesungen des Soziologen Ralf Dahrendorf (1929–2009), des Literaturhistorikers Walter Jens (1923–2013) und vor allem des Philosophen Ernst Bloch (1895–1977) besuchte.
Hier zeigte sich bereits früh der interdisziplinär interessierte und hochpolitische junge Student Rudolf Hickel. Während seines Studiums der Volkswirtschaftslehre (VWL) von 1962 bis 1967, das sei hier im Kontext eines VWL-Studenten erwähnt, stieg das nominale Bruttoinlandsprodukt von 184,5 auf 252,8 Milliarden Euro, also um 37%. Solch ein Wachstum ist heute nicht mehr möglich.
Heinz-J. Bontrup, Professor em. an der Westfälischen Hochschule, ist Sprecher der AG Alternative Wirtschaftspolitik; Mechthild Schrooten, Professorin an der Hochschule Bremen, ist Sprecherin der AG Alternative Wirtschaftspolitik; Carsten Sieling ist Mitglied der Bremischen Bürgerschaft und war von 2015 bis 2019 Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen; Axel Troost ist Geschäftsführer der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik.
Dieser Text ist eine leicht gekürzte Fassung der einleitenden Würdigung in dem von den Autor*innen herausgegebenen Band »Alternative Wirtschaftspolitik. Wissenschaft – Beratung – Publizistik. Rudolf Hickel zum 80. Geburtstag«, der dem Jubilar am 19.1. bei einer Feier in der Angestelltenkammer Bremen übergeben wurde. Mit diesem im VSA: Verlag erschienenen Buch würdigen berufliche und politische Weggefährtinnen und Weggefährten Rudolf Hickel als Wirtschaftswissenschaftler und als Streiter für soziale Gerechtigkeit.