24. Februar 2022 Carsten Büchling

Auf die gewerkschaftlich Aktiven in den Betriebsräten kommt es (auch) an!

»Ein radikaler Zukunftsrealismus ist gefragt. Das bedeutet vor allem: Alle Gewerkschaftspolitik muss sich in den Prozess der ökologischen Transformation einreihen.« [1] Das geschäftsführende Vorstandsmitglied der IG Metall Hans-Jürgen Urban sieht die Kernaufgabe der Gewerkschaften darin, »sich mit beschäftigungs- und sozialpolitischen Schutz- und Zukunftskonzepten, als Interessenvertretung der abhängigen Arbeit, in diesen Prozess einzuschalten.«[2]

Wie gelingt es, diese gewerkschaftspolitischen Ansprüche mit Bezug auf Bernd Riexingers Diskussionspapier »Für eine Mobilitätswende und eine soziale, ökologische und demokratische Transformation der Auto-Industrie«[3] umzusetzen? Welche Rolle können dabei die gewerkschaftlich Aktiven in den Betriebsräten übernehmen? Wie sind deren Rahmenbedingungen und welche Handlungsempfehlungen helfen bei einer Umsetzung?

Auto-Überproduktion ohne Alternative?

Riexinger stellt fest: »Gemeinsam ist den Konzernen, dass sie ihr Heil in neuen Exportmärkten, digitalisiertem Fahren und Fahrzeugen mit immer höherer PS-Zahl und digitaler Technologie-Ausstattung suchen. Das Auto soll zum ›Zuhause‹ und Ort der Unterhaltung werden. Diese Modelle […] haben einen hohen Energie- und Ressourcenverbrauch, ermöglichen aber den Konzernen höhere Renditen als Kleinwagen.« In diese Kritik bei Betrachtung der Frage »WAS produziert wird« reiht sich Carsten Bätzold, Betriebsratsvorsitzender im Volkswagen Werk Kassel ein. Unter der Überschrift »Elektro-SUVs lösen kein Problem« formuliert er seine Positionen ähnlich.[4]

Auf die Frage zur zukunftsfähigen Nachhaltigkeit von Plug-In-Hybriden antwortet Bätzold: »Das ist totaler Quatsch. Mein Auto wird ja nicht dadurch umweltfreundlicher, dass ich sechs Säcke Zement hinten reinlege. Das ist genauso absurd wie die Elektro-Strategie der Konzerne, Zweieinhalb-Tonnen-Autos mit Batterien zu versehen. Man muss nicht mal Physik studiert haben, um zu kapieren, dass das Unfug ist. Es geht um Profitmaximierung und um das Abgreifen staatlicher Prämien. Mit Klimaschutz hat das nichts zu tun, abgesehen vom Marketing.«

Nach der Gestaltung von echtem Klimaschutz gefragt, führt Bätzold aus: »Das Problem ist das Geschäftsmodell der Branche, das dafür ausgelegt ist, jährlich 70 Millionen Autos in den Weltmarkt zu drücken. Was wir brauchen, sind weniger Autos, kleinere Autos, ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs mit bedarfsgerechten Rufbus- und Carsharing-Angeboten für den ländlichen Raum. Natürlich braucht man für so ein Verkehrssystem immer noch Autos. Dafür müssen wir in den nächsten zehn Jahren die Voraussetzungen schaffen.« Wie kann das gelingen?

IG Metall als »progressiver Akteur«, deren Satzung verpflichtet

Das Ziel einer sozial-ökologischen Transformation der Automobilindustrie steht im Widerspruch zu den Profit-Interessen der Aktionäre der Auto-Konzerne – nicht aber im Widerspruch zu den Interessen der Beschäftigten in der Automobil- und Zuliefererindustrie. Konsequent ist demnach die Forderung der Ausrichtung der Automobilproduktion nach gesellschaftlichem Bedarf. Wer können die Akteur*innen zur Umsetzung der Forderung sein?

Carsten Büchling ist Betriebsratsmitglied bei Volkswagen im Werk Kassel, Mitglied der IG Metall-Tarif- und Verhandlungskommission und Mitglied im Gewerkschaftsrat, der den Vorstand der Partei DIE LINKE in gewerkschaftspolitischen Fragen berät. Bei diesem Artikel handelt es sich um die gekürzte Fassung des gleichnamigen Beitrags in Mario Candeias/Stephan Krull (Hrsg.): »Spurwechsel. Studien zu Mobilitätsindustrien, Beschäftigungspotenzialen und alternativer Produktion«, VSA: Verlag Hamburg 2022.

[1] Hans-Jürgen Urban (2021): Der Utopische Raum. In: Frankfurter Rundschau vom 27.4.2021; www.fr.de/politik/fridays-for-future-gewerkschaft-radikale-realismus-hans-juergen-urban-90476440.html
[2] Ebd.
[3] Bernd Riexinger (2020): Für eine Mobilitätswende und eine soziale, ökologische und demokratische Transformation der Auto-Industrie. In: Luxemburg Online vom März 2020; www.zeitschrift-luxemburg.de/ein-linker-green-new-deal/; eine überarbeitete Fassung dieses Beitrags ist ebenfalls in dem von Mario Candeias und Stephan Krull herausgegebenen Band »Spurwechsel« enthalten.
[4] Carsten Bätzold im Interview mit Jörn Boewe und Johannes Schulten (2021): Elektro-SUVs lösen kein Problem. In: der Freitag digital, Ausgabe 12/2021; www.freitag.de/autoren/der-freitag/elektro-suvs-loesen-kein-problem-1.

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