23. Februar 2018 Ruth Becker und Eveline Linke
Bedingungsloses Grundeinkommen: Wer zahlt es, wem nützt es?
Es ist schon ganz erstaunlich, welchen Aufschwung eine eigentlich sehr alte Idee derzeit erfährt: Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE), d.h. eine monatliche Zahlung, die jede und jeder ohne Erwartung einer Gegenleistung vom Staat erhält.
Wie ist es möglich, dass so unterschiedliche Gruppierungen wie die Technofreaks aus dem Silicon Valley, superreiche Unternehmer, Konzernmanager, christliche Ethiker, Linke und Ökoaktivist*innen bis hin zu feministischen Care-Revolutionär*innen, also Menschen, deren Zielsetzungen und Weltsichten sich in vielem diametral unterscheiden, gleichermaßen davon überzeugt sind, dass mit dieser sozialpolitischen Maßnahme ein entscheidender oder gar unverzichtbarer Schritt zu einer besseren Welt getan werden sollte bzw. muss?
Die einen sind überzeugt, dass die technologische Entwicklung (Digitalisierung) nolens volens menschliche Arbeit (weitestgehend) überflüssig machen wird, sodass die Verteilung des aufgrund dieses technischen Fortschritts stetig wachsenden Wohlstands an das Gros der Bevölkerung nicht mehr über die Erwerbsarbeit funktionieren kann (so sie je funktioniert hat).[1] Andere BGE-Protagonist*innen verweisen auf die wachsende Diskrepanz zwischen Arm und Reich, die immer weitere Teile der Gesellschaft abhänge. Wieder andere – keineswegs nur christlich Geprägte – beziehen sich auf ein unveräußerliches und bedingungsloses Menschenrecht auf ein Leben in Würde und lehnen, in diesem Punkt einig mit nicht wenigen kapitalismuskritischen BGE-Befürworter*innen, jede Art der Verpflichtung zur Arbeit als unzulässigen Zwang ab. Und selbst Feminist*innen auf dem Weg zur Care-Revolution scheinen dem BGE bei mancher Kritik etwas abzugewinnen.
Ein wahres Wundermittel. Einfach, unkompliziert und gerecht, zumindest auf den ersten Blick, verspricht es Lösungen für die großen anstehenden Zukunftsprobleme, Entwicklungen, von denen sich inzwischen auch Menschen bedroht oder zumindest besorgt fühlen, die selbst (noch) nicht betroffen sind.
Ruth Becker ist Volkswirtin und war bis zu ihrer Pensionierung Professorin für Frauenforschung und Wohnungswesen an der TU Dortmund. Eveline Linke ist Dipl-Ing. Architektur und freie Autorin und arbeitet derzeit zu unterschiedlichen Modellen alternativer Ökonomie aus feministischer Perspektive.
Zuletzt erschien im Ulrike Helmer Verlag ihre gemeinsame Publikation »Mehr als schöner Wohnen. Frauenwohnprojekte zwischen Euphorie und Ernüchterung«, Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach/Taunus 2015.
[1] Die These vom Ende der Arbeit(sgesellschaft) ist fast ebenso alt wie die Forderung nach einem BGE (siehe André Gorz u.a.), ohne dass sich das bisher bewahrheitet hat. So sind zwischen 1991 und 2017 die im Inland geleisteten Arbeitsstunden der Erwerbstätigen gerade mal um 0,4% zurückgegangen (errechnet aus Stat. Jahrbuch 2017, Tabelle 13.2.2 und Stat. Bundesamt, VGR-Erwerbstätigenstatistik (letzter Zugriff 5.1.2018)). Das McKinsey Global Institute kommt in seiner aktuellen Studie zu dem Schluss, dass bis 2030 in Deutschland zwar 9 Millionen Jobs durch Automatisierung wegfallen, dass aber im gleichen Zeitraum mindestens 10 Millionen neue Jobs entstehen werden, bei einem aufgrund der demografischen Entwicklung um 3 Millionen reduzierten Arbeitskräfteangebot. Bei günstiger Entwicklung kann das Angebot neuer Jobs sogar höher sein (2017:94). Auch wenn wir McKinsey keine hellseherischen Kräfte unterstellen, so weist die Studie zumindest eindrücklich auf die andere Seite der Entwicklung, das Entstehen neuer Arbeitsplätze hin, die in der Diskussion über die Automatisierung oft vergessen wird.