23. April 2020 Cornelia Heintze

Corona-Krise und Gesundheitsversorgung

Die durch das neuartige Corona-Virus Sars-CoV-2 ausgelöste weltweite Pandemie steht in einem engen Zusammenhang mit der zunehmenden Zerstörung von Ökosystemen, die sich im Verlust von Biodiversität ebenso zeigt wie in den verschiedenen Facetten der Klimakrise. Krankheitsausbrüche bis hin zu Pandemien werden wahrscheinlicher.[1]

Woher kommt die Pandemie? Anmerkungen zur Krise hinter der Krise

Das bedeutet im Umkehrschluss: Intakte Ökosysteme mindern das Auftreten infektiöser Krankheiten. Sie werden jedoch zunehmend rar, da die etablierten, auf ständiges Wachstum hin angelegten Konsum- und Produktionsmuster die Regenerationsfähigkeit der Ökosysteme überfordern.[2] Hinter der Corona-Krise gibt es also eine viel umfassendere Krise, die wiederum eng mit den Funktionsbedingungen des globalisierten Kapitalismus zusammenhängt. In seinem maßlosen Wachstumsdrang betreibt er auf der einen Seite Raubbau an den natürlichen Ressourcen, was die Entstehung neuer Krankheitserreger durch Übertragung tierischer Mikroben auf den Menschen begünstigt. Auf der anderen Seite werden die internationalen und nationalen Institutionen, die der Entstehung von Pandemien wirksam entgegentreten könnten, weniger gestärkt als geschwächt.

Oberstes Ziel der Seuchenbekämpfung sollte es sein, das Entstehen gefährlicher Erreger rechtzeitig aufzuspüren und einzudämmen, bevor sich diese großflächig verbreiten können. Vorsorge ist für viele Länder aber zweitrangig. Wichtiger, zumal für die USA, ist die Bedienung der Interessen ihrer Pharmakonzerne, die auf gute Geschäfte durch die Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten hoffen. Das Kalkül dabei: Seuchen betreffen nur die Armen. Ihr Schauplatz liegt in Entwicklungs- und Schwellenländern, kaum jedoch im reichen Norden. Wichtige Programme der Seuchenvorsorge wurden beendet (Näheres siehe bei Shah 2020) und bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Politik der sukzessiven Privatisierung betrieben.

Die WHO könnte global eine tragende Rolle bei der Vorbeugung und Bekämpfung von Seuchen spielen. Marktradikale Ideologie hat dem jedoch zu einem Gutteil die Grundlage entzogen. Nur noch 20% des WHO-Budgets ist öffentlich finanziert, 80% privat; in den 1970er Jahren war es umgekehrt.[3] Die geschrumpfte Grundfinanzierung – seit 1993 sind die Pflichtbeiträge der 194 Mitgliedstaaten eingefroren – führt zu Interessenkollisionen. In der aktuellen Krise gibt die WHO gleichwohl kein schlechtes Bild ab. Es ist rein innenpolitisch motiviert, dass der US-Präsident Donald Trump inmitten der Pandemie die Einstellung der US-amerikanischen Zahlungen verfügte mit der Begründung, die WHO sei China-hörig und habe beim Umgang mit der Coronavirus-Pandemie »wirklich Mist gebaut«. Um von eigenem Versagen abzulenken,[4] wird die WHO als Sündenbock präsentiert.

Die Corona-Krise hat die Nationalstaaten als machtvolle Akteure zurück auf die Bühne gebracht. Um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, wurden restriktive »Lockdowns« des gesellschaftlichen Lebens verfügt.

Dr. rer. pol. Cornelia Heintze ist Stadtkämmerin a.D. mit dem Erfahrungshintergrund auch einer Krankenhausdezernentin. Sie publiziert fachübergreifend im Bereich international vergleichender Staats- und Wohlfahrtsforschung. Die Langfassung ihres Beitrags erscheint nach dem 24.4.2020 auf www.alternative-wirtschaftspolitik.de/de/article/10656339.gesundheitsversorgung-fehlentwicklungen-stoppen.html.

[1] Beispielsweise zeigen Studien zur Entstehung und Ausbreitung der Ebola-Epidemie, die 2014 in Westafrika außer Kontrolle geriet, dass sich das Virus in den Gebieten besonders gut ausbreiten konnte, wo zuvor Wälder in großem Stil gerodet worden waren. Die Rodung nämlich entzog diversen Fledermausarten, die mit dem Virus befallen sind, ohne daran zu erkranken, ihre natürliche Lebensgrundlage und erzwang ihr Ausweichen auf Bäume von Landwirtschaftsfarmen, was dem Virus die Chance eröffnete, leicht mit Menschen in Kontakt zu kommen. Vgl. Shah, Sonia (2020): Woher kommt das Coronavirus, in: Le Monde diplomatique, März 2020, S. 8.
[2] Siehe die Berichte des Weltbiodiversitätsrates IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services): ipbes.net.
[3] Angaben nach Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages (2019): Sachstand »Weltgesundheitsorganisation« (WD 2 – 3000 – 013/19), S. 8f.
[4] Nach Recherchen der New York Times hatten hochrangige Beamte bereits Mitte Januar vor dem Ausmaß der drohenden Pandemie gewarnt und auf entschiedene Maßnahmen gedrängt, konnten sich aber nicht durchsetzen. Siehe die Berichterstattung in CNN vom 13.4.2020 sowie Leipziger Volkszeitung vom 14.4.2020, S. 4.

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